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ZLR 2000, 225
Funke 

Editorial

Während der gemeinsamen Jahrestagung von BLL und BVE am 4. Mai 2000 in Berlin kam auch ein Gedicht des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Sprache. Aus gegebenem Anlaß stellt die Redaktion das Werk von Bundesminister Karl-Heinz Funke diesem Heft als Editorial voran.

 

Von Bundesminister Karl-Heinz Funke

Rindfleischetikettierung

 

(Nebenprodukt einer Nachtsitzung des EU-Agrarministerrats)

 

Von Bundesminister Karl-Heinz Funke

 

Es tagt der Rat zum Fleisch vom Rind,

zum Schutz von Mann und Frau und Kind.

Ohn’ Etikett, es kann verdrießen,

darf ich das Fleisch nicht mehr genießen.

 

Hab’ ich mir Brust von Ochsen auserkoren,

muß ich wissen, wo mal das Kalb geboren,

wo’s von der Mutter wurd’ gestillt,

und wo es auf der Weide hat gebrüllt.

 

Welcher Vater gab den Samen?

Aufs Etikett auch seinen Namen!

Ist von edler Rasse auch die Mutter?

Und vor allem: Woher kam ihr Futter?

 

Wo sind Bruder, Schwester abgeblieben?

Hat er sich an ihnen oft gerieben?

Litt er unter deren Druck und Qualen,

so daß wir’s mit der Qualität bezahlen?

 

Wie oft ist er denn krank gewesen,

und ist er besonders schnell genesen?

Und des Bullen stolze Manneskraft,

welcher Veterinär hat sie wohl abgeschafft?

 

Und ist das Rind nicht seelisch deformiert,

wie wird es schließlich transportiert?

Ging die Fahrt ohn’ Hunger, Durst und Not,

konnt’ es noch beten vor dem Tod?

ZLR 2000 S. 225 (226)

 

Das ist alles? Wäre doch gelacht!

Wo wurd’ der Ochs’ denn umgebracht?

Wo fand durch des Schlachters Hände

seines kurzen Lebens traurig’ Ende?

 

Wohin floß sein Blut, in welche Kläranlage,

wo fanden seine Knochen ihre letzten Tage?

Wo sind Därme, Klauen, Fell und Pans;

wer zerteilte ihn von Kopf bis Schwanz?

 

Dies alles muß man also wissen,

wenn man Brust vom Ochsen will genießen.

Das alles kommt penibel und adrett

beim Ochsen auf sein Etikett.

 

Bevor man endlich dann serviert,

wird sorgfältig das Etikett studiert.

Und hab’ ich alles fein durchsonnen,

hab’ ich den Ochsen richtig lieb gewonnen.

 

Obwohl der Hunger schon seit Tagen,

zuhause ist in meinem Magen,

geht mir das Tier nicht aus dem Sinn,

ich leide – und leg’ mich dann zum Sterben hin.

 

Im Himmel schließlich angekommen,

hab’ ich des Ochsen Geist vernommen:

„Oh Mensch, die Welt ist doch verkehrt,

wäre ich du, ich hätte mich verzehrt.“

 

* * * * *

 
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