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RIW 2008, 1
Luttermann 

Unternehmenspublizität und Kapitalreformen: Mehr Licht!

Abbildung 1

Der Autor Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Münster, Köln und Berkeley. Unternehmerberatung. Ordinarius für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Ethisches Handeln gehört zum Unternehmertum, ist Inbegriff freiheitlicher Ordnung. Wo es mangelt, wachsen Missstände. Das zeigen viele Publizitätsskandale von Enron Corp. (USA), Livedoor Co. Ltd. (Japan) bis Siemens AG und die globale Kredit- und Schuldenkrise. Sie ist eine Vertrauenskrise. Denn bei Geld und Kapital gilt im Grunde: “Kapital ist Geld plus Vertrauen.” International ist angemessene Rechtsordnung gefordert.

Getreue Rechnungslegung (Bilanzwahrheit) gibt das Maß für Reformen in Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht, vor allem im Bilanzrecht. Sie ist der Ausweis seriöser Geschäftsführung, fördert die Bewertung des Unternehmens, mindert Kapitalkosten. Rechnungsleger schaffen damit eigennützig die Vertrauensbasis. Doch in der Praxis grassiert Misstrauen unter den Marktakteuren, weil unklar ist, wer “Leichen im Keller” hat: phantastisch gewürfelte und bewertete Finanzinstrumente, Kreditderivate, aus der Publizitätspflicht gehaltene Zweckgesellschaften – dafür Verantwortliche kassieren hübsche Provisionen und Boni.

Licht muss weltweit in die Dunkelkammern für fairen Wettbewerb. Notwendig sind Qualitätsnormen. Der Referentenentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) baut zu Recht auf das bewährte HGB. Für stärkere Aussagekraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses streicht er überfällige Wahlrechte und setzt – vorsichtig gedacht – Rückstellungen gerade für Pensionslasten realistischer an (Barwert). Nicht alles überzeugt. Stichworte sind selbstgeschaffene “immaterielle Vermögensgegenstände” des Anlagevermögens (F&E-Kosten) und “fair value”-Ansätze (Finanzinstrumente). Geboten werden leicht dunkle Phantasiewerte (Scheingewinne). Ist “fair value” nicht weithin gescheitert? Wem nützt der Einstieg?

Das Europarecht fordert Transparenz bei Zweckgesellschaften und einen Bericht der Unternehmensführung (Corporate Governance Statement). Seine Publizität umfasst das interne Kontroll- und Risikomanagementsystem. Hinzu tritt mit Überwachungsfunktion endlich ein Prüfungsausschuss (Audit Committee). Er ist mit Bilanzrechtsexperten zu besetzen und kann jeder Gesellschaft helfen (Luttermann, BB 2003, 745). Gestärkt wird die Kernfunktion der Rechnungslegung und Unternehmensführung. Extern gehören unabhängige Wirtschaftsprüfer dazu.

Gut ist die Reformidee, die Rechnungslegung zu deregulieren. Für kleine Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften entfallen Buchführungs- und Bilanzpflichten. Bei Kapitalgesellschaften werden Pflichtgrenzen für Bilanzierung, Prüfung und Offenlegung gesenkt. Für “kleine und mittelständische Unternehmen”, also unsere ökonomische Basis börsenunabhängiger Gesellschaften, genügt weiterhin ein Rechenwerk für Handels- und Steuerrecht (Einheitsbilanz). Konsequent ist auch faktischer Zwang zum IFRS-Abschluss zu bannen.

Daneben stehen kapitalmarktorientierte Gesellschaften, die europarechtlich nach IFRS bilanzieren. Auch im Konzern gilt die Bilanzwahrheit (true and fair view). Insgesamt geht es um Qualitätsnormen. Der Jahresabschluss muss beweiskräftige Rechenschaft bieten. Sie ertrinkt mit vager “nützlicher” Information, dem Leitmotiv des IASB, in Detailflut. Darum bleibt die HGB-Bilanz bei allen Gesellschaften die Rechtsbasis für Ausschüttungsbemessung und Besteuerung. Ebenso für unternehmerische Haftungsfragen. Sie sind bilanzrechtlich bezogen (Haftkapital!) und bei der Reform noch zu bedenken. Zielführend ist es, die Rechnungslegung auf Wesentliches zu beschränken, klar nach Fakten und Prognosen (soft information).

Seriöse Unternehmensführer scheuen nicht das Licht einer angemessenen Publizitätspflicht. Differenzierung nach Kapitalmarktorientierung ist sinnvoll. Beachtlich bleibt: Jurisdiktion ist national gebunden. Kapitalströme fließen international, massiv geleitet durch Bilanzrecht und (monetäre) Globalstandards: US-Dollar und anglo-amerikanische Finanzmuster (Debt, debt, debt!). Sie wirken nicht vertrauensvoll. Einflussreiche Staatsakteure wie China, arabische Ölstaaten oder Russland suchen Alternativen (z. B. Euro). Zugleich wächst mit Weltbevölkerung und Rohstoffwettbewerb der Protektionismus. Eiszeit im Welthandel? – Jedenfalls sind Standards für Bilanzierung (Ansatz, Bewertung) sowie Prüfung und Publizität politische Kardinalfragen unserer Gesellschafts- und Vermögensordnung.

Der Schwenk der SEC zu “IFRS” pur, von EU-Kommissar McCreevy begrüßt, scheint Mimikry: Maybe those who sign up for IFRS will wake up with U.S. “GAAP”. Nötig sind angemessene Regeln. Besinnen wir uns in der Zeitenwende auf die transatlantischen Grundwerte der Freiheitsordnung: Wir sollten sie für Konzernstandards gemeinsam nutzen, nicht diskreditieren! Das “BilMoG” sollte Maß geben beim Jahresabschluss für ein kräftiges Europäisches Bilanzrecht. Was bringt soft information? – Rechnungslegung ist Rechtsakt, kein Marketing.

Professor Dr. Claus Luttermann, Ingolstadt

 
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