Gegensätze ziehen sich an – SEC erleichtert Wegzug aus den USA, um Zuzug zu fördern
Der Kapitalmarkt in den USA soll internationaler werden. Nach mehrjährigen Diskussionen unter intensiver Beteiligung der Europäischen Kommission hat die US-amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde (SEC) am 21. 3. 2007 neue Regeln verabschiedet, die es ausländischen Unternehmen erleichtern sollen, sich von den strengen Registrierungs- und Publizitätspflichten des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts zu befreien.
Bislang musste ein Unternehmen, um sich deregistrieren zu lassen, nachweisen, weniger als 300 Aktionäre mit Wohnsitz in den USA zu haben; bei Aktiengesellschaften mit einer Bilanzsumme von unter 10 Mio. US-Dollar genügte der entsprechende Nachweis für weniger als 500 Aktionäre. Der neue Vorschlag verzichtet auf dieses “Anlegerzählen” und stellt stattdessen auf den täglichen Börsenumsatz der gehandelten Wertpapiere ab. Dieser darf über einen Zeitraum von einem Jahr nicht 5 % des weltweiten Börsenumsatzes der Gesellschaft übersteigen. Parallel dazu hat die SEC die Berichtspflichten unter der scharfen Klinge der Section 404 des Sarbanes-Oxley Act gelockert. Unternehmen, die erstmalig den Registrierungspflichten des US-amerikanischen Rechts unterfallen, müssen erst für ihren zweiten Jahresabschluss das geforderte zeit- und kostenintensive Kontrollsystem eingeführt haben.
Die SEC hat hiermit nötige Schritte eingeleitet. Der US-amerikanische Kapitalmarkt wurde für bereits registrierte auswärtige Unternehmen aufgrund gestiegener Kosten belastend. Daher verließen manche Unternehmen nach Erlass des Sarbanes-Oxley Act die USA, anderen war dies aufgrund der bislang strengen Befreiungsvorschriften nicht möglich. Zu denken ist aber auch an diejenigen Unternehmen, die aufgrund der bisherigen Registrierungs- und Berichtspflichten von vornherein abgeschreckt wurden, in den US-amerikanischen Kapitalmarkt einzutreten. Dieses Potential zu heben und nicht etwa eine Deregistrierungswelle einzuleiten, ist das erklärte Ziel der SEC. Ausländische Gesellschaften sollen motiviert werden, den US-amerikanischen Markt erstmals zu betreten, indem man ihnen die Furcht nimmt, eine einmal erfolgte Registrierung nicht mehr rückgängig machen zu können. Diese Rechnung könnte aufgehen. Denn die neue Regelung der SEC wird generell positiv bewertet. Und ein breiter Abgang bereits registrierter Gesellschaften scheint nicht bevorzustehen. Einige Unternehmen haben jedenfalls bereits erklärt, die USA nicht verlassen zu wollen, weil sie einen Imageschaden befürchten. Für andere Unternehmen gehört eine Registrierung in den USA schlicht zur Unternehmensstrategie.
Aus der neuen Regelung werden mehrere Gewinner hervorgehen. Dies sind zunächst die Europäische Kommission sowie deutsche und europäische Verbände. Sie konnten durch Verhandlungen mit der SEC ihre Vorschläge aus dem Jahre 2004 weitgehend durchsetzen. Hierbei ist als besonderer Erfolg zu buchen, dass die SEC in ihrer endgültigen Regelung auf die weltweiten Kapitalmärkte als Vergleichsmärkte abstellt, um die Deregistrierungsschwelle von 5 % zu bestimmen. Denn im letzten Vorschlag vom Dezember 2006 war noch als Vergleichsmarkt der Primärmarkt der Unternehmen vorgesehen, was den Unternehmen aber erheblich erschwert hätte, die 5 %-Schranke zu unterschreiten. Der Vorschlag wurde daher zu Recht von vielen Seiten kritisiert.
Als weitere Gewinner sind die ausländischen und (zukünftig) in den USA registrierten Unternehmen zu nennen. Ihr Einfluss und ihre Verhandlungsmacht bei Regulierungsfragen dürften ansteigen, weil ihnen nunmehr das Drohpotential zur Seite steht, freiwillig aus dem US-Markt aussteigen zu können, wenn sich solche Fragen nicht mit der SEC lösen lassen.
Nicht zuletzt dürften die US-amerikanischen Anleger gewinnen. Die neue Regelung macht den US-amerikanischen Markt für ausländische Unternehmen attraktiver. Kommt es daher zur erwünschten Zunahme von Erstregistrierungen, werden sich die Investitionsmöglichkeiten für amerikanische Investoren erweitern. Erhöhen sich dadurch die Kapitalflüsse in europäische Unternehmen, werden diese hiervon profitieren. Alles in allem also eine sehr erfreuliche Entwicklung.
Rechtsanwalt Dr. Stephan R. Göthel, LL.M. (Cornell), Hamburg