Die Modernisierung des französischen Insolvenzrechts
Frankreich wappnet sich für die zu erwartenden Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftkrise. Noch vor der Sommerpause soll die Regierung vom Parlament ermächtigt werden, das Insolvenzrecht durch Erlass einer Verordnung (ordonnance) zu reformieren, die spätestens Ende des Jahres in Kraft treten soll.
Ursprünglich sollte lediglich das neue, durch den Eurotunnel-Fall auch über die Grenzen Frankreichs bekannt gewordene präventive Insolvenzverfahren – procédure de sauvegarde – noch attraktiver gestalten werden. Der Entwurf der zuständigen Ministerien vom 27. 3. 2008 geht jedoch weit über dieses Ziel hinaus. Traditionell war das französische Recht dafür bekannt, dass eine Rettung von Betrieben und Arbeitsplätzen auch auf Kosten der Gläubiger erfolgen kann. In diesem zentralen Punkt bahnt sich eine völlige Kehrtwende an, die das französische Insolvenzrecht an das angloamerikanische Model annähert. Favorisiert werden die in Frankreich sehr erfolgreichen insolvenzrechtlichen Vorverfahren (Schlichtung und mandat ad hoc), die eine Erfolgsquote von fast 70 % vorweisen können, sowie die procédure de sauvegarde.
Kernstück ist die Reform der insolvenzrechtlichen Behandlung der durch Gesetz vom 19. 2. 2007 eingeführten treuhänderischen Sicherheitsübereignung – fiducie-sûreté. Für eine Dauer von bis zu 99 (anstatt bislang 33) Jahren können bewegliche, unbewegliche, gegenwärtige oder zukünftige Sachen und Rechte in ein Sondervermögen, das von einer Bank oder Versicherungsgesellschaft verwaltet wird, sicherheitsübereignet werden. In der Praxis kann ein Schuldner zur Absicherung von Krediten, auch im Rahmen von Refinanzierungen, alle werthaltigen Bestandteile seines Betriebs (Immobilien, Maschinen, Lagerbestände, Forderungen, Verträge, Markenzeichen usw.) sicherheitsübereignen.
Die fiducie-sûreté wird vollkommen konkursfest. Lediglich ihre Verwertung ist für die Dauer der Beobachtungsphase (in der Praxis ca. 6 bis 8 Monate) ausgesetzt. Im Rahmen des Sanierungsplans kann der Liquidierungswert der übertragenen Sachen und Rechte nicht angetastet werden. Scheitert die Sanierung, kann der Gläubiger sofort vollstrecken. Auch ein freihändiger Verkauf des Sicherungsobjektes ist möglich. Die Vorteile der fiducie liegen auf der Hand. Das Kreditinstitut ist Eigentümer und vermeidet daher zeitraubende Zwangsversteigerungen für Immobilien und alle Befriedigungsvorrechte anderer Gläubiger, insbesondere das Superprivileg zugunsten der Arbeitnehmer.
Reformiert werden ebenfalls die Zusammensetzung und die Kompetenzen der Gläubigerausschüsse. Die Teilnahme der Banken am Gläubigerausschuss stellt ein akzessorisches Recht dar, das mit der Forderung übertragen wird. Werden Bankforderungen z. B. von Hedge-Fonds erworben, sind die Fonds Mitglieder des Gläubigerausschusses der Banken. Der Reformgesetzgeber schreibt hier die Rechtsprechung im Eurotunnel-Fall fest.
Geändert wird auch die Mehrheitsregel. Der Insolvenzplan wird zukünftig mit einer einfachen Zweidrittel-Summenmehrheit der Insolvenzforderungen beschlossen. Neu ist auch die Möglichkeit, im Rahmen der Sanierung debt-equity swaps vorzusehen. Die Aktionäre haben allerdings das letzte Wort, da sie einer Kapitalerhöhung zustimmen müssen. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass alle Inhaber von Schuldverschreibungen in einer Versammlung mit Zweidrittel-Summenmehrheit der Forderungen dem Plan zustimmen müssen. Es handelt sich hier um eine loi de police, die auch auf ausländische Schuldverschreibungen mit einer abweichenden Mehrheitsregel zur Anwendung kommt.
Dieser kurze Ausblick kann das Ausmaß der bevorstehenden Änderungen nur andeuten. Die weitere Entwicklung darf mit Spannung verfolgt werden.
Dr. Reinhard Dammann, Avocat au Barreau de Paris, Paris