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02.09.2014
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EuGH: Verteilung einer Geldbuße im Innenverhältnis

EuGH, Urteil vom 10.4.2014 – verb. Rs. C231/11 P bis C233/11 P; Europäische Kommission gegen Siemens AG Österreich, u. a.; ECLI:EU:C:2014:256

Tenor

1. Nr. 2 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 3. März 2011, Siemens Österreich u. a./Kommission (T122/07 bis T124/07), wird aufgehoben, soweit darin Art. 2 Buchst. j und k der Entscheidung K(2006) 6762 endg. der Kommission vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen) für nichtig erklärt wird.

2. Nr. 3 erster Gedankenstrich des Tenors des Urteils des Gerichts vom 3. März 2011, Siemens Österreich u. a./Kommission (T122/07 bis T124/07), wird aufgehoben.

3. Nr. 3 zweiter bis vierter Gedankenstrich des Tenors des Urteils des Gerichts vom 3. März 2011, Siemens Österreich u. a./Kommission (T122/07 bis T124/07), wird aufgehoben, soweit darin die Festlegung der Anteile der Klägerinnen an den Bußgeldbeträgen zum Ausdruck kommt, zu denen sie gesamtschuldnerisch verurteilt werden.

4. Im Übrigen werden die Rechtsmittel zurückgewiesen.

5. Die Siemens AG Österreich, die VA Tech Transmission & Distribution GmbH & Co. KEG, die Siemens Transmission & Distribution Ltd, die Siemens Transmission & Distribution SA und die Nuova Magrini Galileo SpA tragen die durch das Rechtsmittel in der Rechtssache C231/11 P entstandenen Kosten.

6. Die Siemens Transmission & Distribution Ltd trägt die durch das Rechtsmittel in der Rechtssache C232/11 P entstandenen Kosten.

7. Die Europäische Kommission trägt die durch das Rechtsmittel in der Rechtssache C233/11 P entstandenen Kosten.

8. Die in den Nrn. 5 bis 7 des Tenors des Urteils des Gerichts vom 3. März 2011, Siemens Österreich u. a./Kommission (T122/07 bis T124/07), vorgenommene Verteilung der durch das Verfahren im ersten Rechtszug entstandenen Kosten bleibt unberührt.

Aus den Gründen

1          Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Europäische Kommission, die Siemens Transmission & Distribution Ltd, die Siemens Transmission & Distribution SA und die Nuova Magrini Galileo SpA (im Folgenden für diese drei Gesellschaften gemeinsam: rechtsmittelführende Gesellschaften) die teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 3. März 2011, Siemens Österreich u. a./Kommission (T122/07 bis T124/07, Slg. 2011, II793, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Entscheidung K(2006) 6762 endg. der Kommission vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2008, C 5, S. 7, im Folgenden: streitige Entscheidung) veröffentlicht wurde, teilweise für nichtig erklärt und abgeändert hat.

I –  Rechtlicher Rahmen

2          Art. 23 („Geldbußen“) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt:

(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a) gegen Artikel 81 [EG] oder Artikel 82 [EG] verstoßen …

(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.

…“

3          Art. 31 („Nachprüfung durch den Gerichtshof“) der Verordnung lautet:

„Bei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.“

II –  Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

4          Der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende, in den Rn. 1 bis 22 des angefochtenen Urteils dargestellte Sachverhalt kann wie folgt zusammengefasst werden.

5          Gegenstand des Rechtsstreits ist ein den Verkauf von gasisolierten Schaltanlagen (im Folgenden: GIS), die zur Kontrolle des Energieflusses in einem Stromnetz dienen, betreffendes Kartell. Es handelt sich um schweres elektrisches Gerät, das ein wichtiger Bestandteil schlüsselfertiger Umspannwerke ist.

6          Die Rn. 1 bis 3 des angefochtenen Urteils enthalten folgende Angaben zu den verschiedenen an diesem Rechtsstreit beteiligten Gesellschaften:

„1

Die VA Technologie AG [(im Folgenden: VA Technologie)] erwarb am 20. September 1998 eine Tochtergesellschaft von Rolls Royce, die Reyrolle Ltd, die danach zur VA Tech Reyrolle Ltd und sodann zur Siemens Transmission & Distribution Ltd … wurde (im Folgenden: Reyrolle). Am 13. März 2001 brachte VA Technologie durch eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, die VA Tech Transmission & Distribution GmbH & Co. KEG … (im Folgenden: KEG), Reyrolle in die neu gegründete Gesellschaft VA Tech Schneider High Voltage GmbH (im Folgenden: VAS) ein, an der sie durch ihre Tochtergesellschaft 60 % der Anteile und die Schneider Electric SA [(im Folgenden: Schneider)] die restlichen Anteile hielt. Deren Einlage in VAS bestand in der Schneider Electric High Voltage SA, die später zur VA Tech Transmission & Distribution SA und dann zur Siemens Transmission & Distribution SA … wurde (im Folgenden: SEHV), und in der Nuova Magrini Galileo SpA … (im Folgenden: Magrini), die zuvor ihre hundertprozentigen Tochtergesellschaften gewesen waren, wobei SEHV seit 1999 die früheren im Bereich Hochspannungsprodukte tätigen Sparten mehrerer Tochtergesellschaften von Schneider … zusammenfasste.

2          Im Oktober 2004 erwarb VA Technologie durch KEG sämtliche Anteile von Schneider … am Kapital von VAS.

3          Im Jahr 2005 erlangte die Siemens AG [(im Folgenden: Siemens)] aufgrund eines öffentlichen Übernahmeangebots einer Tochtergesellschaft, nämlich … der Siemens AG Österreich (im Folgenden: Siemens Österreich), die ausschließliche Kontrolle über die Unternehmensgruppe, deren Muttergesellschaft VA Technologie war (im Folgenden: VA-Tech-Gruppe). Im Anschluss an diese Übernahme wurden VA Technologie und sodann VAS mit Siemens Österreich verschmolzen.“

7          Am 3. März 2004 informierte die ABB Ltd (im Folgenden: ABB) die Kommission über das Vorliegen eines Kartells im GIS-Sektor und beantragte mündlich, ihr auf der Grundlage der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Kronzeugenregelung) eine Geldbuße zu erlassen. Am 25. April 2004 gewährte die Kommission ABB einen bedingten Geldbußenerlass.

8          Auf der Grundlage der Erklärungen von ABB leitete die Kommission eine Untersuchung ein und führte am 11. und 12. Mai 2004 unangekündigte Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von Siemens, der Areva T&D SA, der VA-Tech-Gruppe, der Hitachi Ltd und der Japan AE Power Systems Corp. (im Folgenden: JAEPS) durch. Am 20. April 2006 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die 20 Gesellschaften, zu denen die rechtsmittelführenden Gesellschaften gehörten, zugestellt wurde. Eine mündliche Anhörung der betroffenen Gesellschaften fand am 18. und 19. Juli 2006 statt.

9          Am 24. Januar 2007 erließ die Kommission die streitige Entscheidung, die den 20 Gesellschaften zugestellt wurde, denen auch die Mitteilung der Beschwerdepunkte zugegangen war, nämlich – neben den rechtsmittelführenden Gesellschaften – Siemens Österreich, KEG, ABB, der Alstom SA, der Areva SA, der Areva T&D AG, der Areva T&D Holding SA und der Areva T&D SA (im Folgenden für die vier letztgenannten Gesellschaften gemeinsam: Areva), der Fuji Electric Holdings Co. Ltd und der Fuji Electric Systems Co. Ltd (im Folgenden für die beiden letztgenannten Gesellschaften gemeinsam: Fuji), der Hitachi Ltd und der Hitachi Europe Ltd (im Folgenden für die beiden letztgenannten Gesellschaften gemeinsam: Hitachi), JAEPS, Schneider, der Mitsubishi Electric System Corp. (im Folgenden: Mitsubishi) und der Toshiba Corp. (im Folgenden: Toshiba).

10        In den Rn. 14 bis 16 des angefochtenen Urteils werden die Merkmale des in der streitigen Entscheidung festgestellten Kartells wie folgt zusammengefasst:

„14       In den Randnrn. 113 bis 123 der [streitigen] Entscheidung führte die Kommission aus, die am Kartell beteiligten Unternehmen hätten die weltweite Zuteilung von GIS-Projekten mit Ausnahme einiger Märkte nach vereinbarten Regeln koordiniert, um insbesondere Kontingente beizubehalten, die weitgehend ihren geschätzten historischen Marktanteilen entsprächen. Die Zuteilung der GIS-Projekte sei auf der Grundlage eines gemeinsamen ‚japanischen‘ Gesamtkontingents und eines gemeinsamen ‚europäischen‘ Gesamtkontingents vorgenommen worden, die sodann von den japanischen und den europäischen Herstellern jeweils untereinander aufgeteilt worden seien. Eine in Wien [(Österreich)] am 15. April 1988 unterzeichnete Vereinbarung (‚GQ-Agreement‘, im Folgenden: GQ-Abkommen) habe die Regeln festgelegt, nach denen die GIS-Projekte den japanischen oder den europäischen Herstellern zuzuteilen und ihr Wert auf das jeweilige Kontingent anzurechnen gewesen seien. In den Randnrn. 124 bis 132 der [streitigen] Entscheidung legte die Kommission weiter dar, dass die einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmen eine nicht schriftlich abgefasste Vereinbarung getroffen hätten (im Folgenden: ‚Übereinkunft‘), nach der die GIS-Projekte in Japan einerseits und in den Ländern der europäischen Kartellmitglieder andererseits, die zusammen als die ‚Stammländer‘ für die GIS-Projekte bezeichnet worden seien, den japanischen bzw. europäischen Mitgliedern des Kartells vorbehalten gewesen seien. Über die GIS-Projekte in den ‚Stammländern‘ seien keine Informationen zwischen den beiden Gruppen ausgetauscht, und sie seien nicht auf die jeweiligen Kontingente angerechnet worden.

15        Das GQ-Abkommen habe des Weiteren Bestimmungen enthalten über den – insbesondere durch die Sekretariate der genannten Gruppen besorgten – Austausch der notwendigen Informationen über die Arbeitsweise des Kartells zwischen den beiden Herstellergruppen, die Manipulation der betreffenden Ausschreibungen und die Festsetzung von Preisen für die GIS-Projekte, die nicht hätten zugeteilt werden können. Ausweislich seines Anhangs 2 sei das GQ-Abkommen auf die ganze Welt mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, Kanadas, Japans und von 17 westeuropäischen Ländern anwendbar gewesen. Zudem seien nach der ‚Übereinkunft‘ GIS-Projekte in anderen europäischen Ländern als den ‚Stammländern‘ ebenfalls der europäischen Gruppe vorbehalten gewesen, da sich die japanischen Hersteller verpflichtet hätten, für GIS-Projekte in Europa keine Angebote abzugeben.

16        Den Ausführungen der Kommission zufolge war die Aufteilung der GIS-Projekte auf die europäischen Hersteller in einem ebenfalls in Wien am 15. April 1988 unterzeichneten Abkommen mit der Bezeichnung ‚EGroup Operation Agreement for GQ Agreement‘ (Abkommen der Gruppe E über die Durchführung des GQ-Abkommens …) geregelt. Die Zuteilung der in Europa durchzuführenden GIS-Projekte sei nach den gleichen Regeln und Verfahren erfolgt wie die Zuteilung der GIS-Projekte in anderen Ländern. Insbesondere hätten auch die in Europa durchzuführenden GIS-Projekte mitgeteilt, in eine Liste eingetragen, zugeteilt, abgesprochen oder mit einem Mindestpreis versehen werden sollen.“

11        Am Ende der Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Beurteilungen kam die Kommission in der streitigen Entscheidung zu dem Schluss, dass die beteiligten Unternehmen gegen die Art. 81 EG und 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hätten, und verhängte gegen sie Geldbußen, deren Höhe anhand der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen), dargestellten Methode und anhand der Kronzeugenregelung errechnet wurde.

12        Die Kommission entschied in Anwendung der Kronzeugenregelung, dass dem Antrag von ABB auf Geldbußenerlass stattzugeben sei, während die u. a. von der VA-Tech-Gruppe gestellten Anträge auf Ermäßigung der Geldbußen abzulehnen seien.

13        Die Art. 1 und 2 der streitigen Entscheidung bestimmen:

„Artikel 1

Die nachstehenden Unternehmen haben gegen Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie in den angegebenen Zeiträumen im [Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)] an einer Gesamtheit von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen betreffend den [GIS-Sektor] teilgenommen haben:

m) [Magrini] vom 15. April 1988 bis 13. Dezember 2000 und vom 1. April 2002 bis 11. Mai 2004;

n) [Schneider] vom 15. April 1988 bis 13. Dezember 2000;

p) Siemens [Österreich] vom 20. September 1998 bis 13. Dezember 2000 und vom 1. April 2002 bis 11. Mai 2004;

q) [Reyrolle] vom 15. April 1988 bis 13. Dezember 2000 und vom 1. April 2002 bis 11. Mai 2004;

r) [SEHV] vom 15. April 1988 bis 13. Dezember 2000 und vom 1. April 2002 bis 11. Mai 2004;

t) [KEG] vom 20. September 1998 bis 13. Dezember 2000 und vom 1. April 2002 bis 11. Mai 2004.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt:

j) Schneider …: EUR 3 600 000;

k) Schneider … gesamtschuldnerisch mit [SEHV] und [Magrini]: EUR 4 500 000;

l) [Reyrolle]: EUR 22 050 000, davon

i) gesamtschuldnerisch mit [SEHV] und [Magrini]: EUR 17 550 000 und

ii) gesamtschuldnerisch mit Siemens [Österreich] und [KEG]: EUR 12 600 000;

…“

III –  Klagen vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

14        Wie sich aus den Rn. 33, 34 und 229 des angefochtenen Urteils ergibt, stützten die Klägerinnen ihre Anträge auf Nichtigerklärung auf zwei Klagegründe.

15        Mit dem ersten Klagegrund wurde ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen und gegen Art. 23 Abs. 2 und 3 sowie Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 gerügt. Dieser Klagegrund bestand aus vier Teilen, mit denen erstens das Fehlen eines Nachweises für die ihnen zur Last gelegte Zuwiderhandlung, zweitens Beurteilungsfehler hinsichtlich der Dauer dieser Zuwiderhandlung, drittens die übermäßige Höhe der Geldbuße und viertens die Verjährung der Zuwiderhandlung für die Zeit vor dem 16. Juli 1998 gerügt wurden.

16        Der zweite Klagegrund betraf einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften und eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, insbesondere des Rechts der Klägerinnen nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Fragen an den Belastungszeugen zu stellen.

17        Das Gericht hat im Wesentlichen das Vorliegen der von der Kommission in der streitigen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung und den Betrag der Geldbuße bestätigt, die der VA-Tech-Gruppe insgesamt auferlegt worden war, d. h. die Summe der von jeder Gesellschaft dieser Gruppe zu zahlenden Beträge.

18        Zwar hat das Gericht die Dauer der von den Gesellschaften der VA-Tech-Gruppe begangenen Zuwiderhandlung dadurch verkürzt, dass es den Zeitraum zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2002 ausgenommen und insoweit die streitige Entscheidung aufgehoben hat (Rn. 63 bis 72 und 236 des angefochtenen Urteils und Nr. 1 seines Tenors), doch hat es anschließend in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgestellt, dass sich diese Verkürzung der Dauer der Zuwiderhandlung gemäß den Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen nicht auf den Betrag der diesen Gesellschaften auferlegten Geldbuße auswirke (Rn. 261 des Urteils).

19        Im Anschluss an die Ausführungen in den Rn. 137 bis 165 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch in dessen Rn. 166 festgestellt, dass die Kommission dadurch gegen den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verstoßen habe, dass sie Reyrolle, SEHV und Magrini für die Zahlung einer Geldbuße in Höhe eines Betrags gesamtschuldnerisch haftbar gemacht habe, der klar ihre gemeinsame Verantwortung übersteige, dass sie ferner Siemens Österreich und KEG nicht für die Zahlung eines Teils der gegen SEHV und Magrini verhängten Geldbuße haftbar gemacht habe und dass sie schließlich Reyrolle nicht einen Teil der gegen sie verhängten Geldbuße als Alleinschuldner auferlegt habe.

20        In Rn. 167 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass Art. 2 der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären sei, soweit er die Bemessung der gegen SEHV und Magrini zu verhängenden Geldbuße und die Festsetzung der Beträge betreffe, für deren Zahlung die Klägerinnen als Gesamtschuldner hafteten.

21        In den Rn. 236 bis 264 des angefochtenen Urteils hat das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die den Klägerinnen auferlegten Geldbußen abgeändert, indem es für die verschiedenen Geldbußen auch den von jeder der Gesellschaften im Innenverhältnis zu ihren Mitgesamtschuldnern zu tragenden Anteil im Einklang mit den in den Rn. 158 und 159 des Urteils aufgestellten Grundsätzen festgesetzt hat.

22        Das Gericht hat daher in Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils Art. 2 Buchst. j, k und l der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt und in Nr. 3 des Tenors die Beträge der Geldbußen wie folgt festgesetzt:

„–

[SEHV] und [Magrini], gesamtschuldnerisch mit [Schneider]: 8 100 000 Euro;

–  [Reyrolle] gesamtschuldnerisch mit Siemens [Österreich], [KEG], [SEHV] und [Magrini]: 10 350 000 Euro;

–  [Reyrolle] gesamtschuldnerisch mit Siemens [Österreich] und [KEG]: 2 250 000 Euro;

–  [Reyrolle]: 9 450 000 Euro.“

IV –  Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

23        Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel,

–  Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben, soweit diese auf der Feststellung des Gerichts in Rn. 157 des Urteils beruht, die Kommission sei verpflichtet, den jeweiligen Anteil der einzelnen zum selben Unternehmen gehörenden Gesellschaften an den Beträgen zu bestimmen, die gegen sie als Gesamtschuldner festgesetzt worden sind, und Nr. 3 des Urteilstenors aufzuheben, soweit das Gericht gemäß den Feststellungen in Rn. 158 in Verbindung mit den Rn. 245, 247, 262 sowie 263 des Urteils die Geldbußen einschließlich einer Bestimmung ihres auf jede einzelne Gesellschaft entfallenden Anteils neu festsetzt;

–  hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit der Kommission in Rn. 157 die Verpflichtung auferlegt wird, den jeweiligen Anteil der einzelnen zum selben Unternehmen gehörenden Gesellschaften an den Beträgen zu bestimmen, die gegen sie als Gesamtschuldner festgesetzt worden sind, und das Urteil aufzuheben, soweit das Gericht gemäß den Feststellungen in Rn. 158 in Verbindung mit den Rn. 245, 247, 262 sowie 263 des Urteils den auf jede einzelne Gesellschaft entfallenden Anteil des Bußgeldbetrags bestimmt und hierdurch die streitige Entscheidung abändert;

–  die Klagen in den Rechtssachen T122/07, T123/07 und T124/07 hinsichtlich der beantragten Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. j, k, und l der streitigen Entscheidung abzuweisen;

–  den Rechtsmittelgegnerinnen und Klägerinnen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sowie des ersten Rechtszugs aufzuerlegen.

24        Reyrolle, SEHV und Magrini beantragen,

–  das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–  ihren eigenen Anträgen in vollem Umfang stattzugeben.

25        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Reyrolle,

–  Nr. 3 vierter Gedankenstrich des Tenors des angefochtenen Urteils dahin gehend abzuändern, dass die dort gegen sie verhängte Geldbuße um mindestens 7 400 000 Euro herabgesetzt wird;

–  hilfsweise, Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Urteils, soweit er sie betrifft, aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

–  in jedem Fall der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26

Mit ihrem Rechtsmittel beantragen SEHV und Magrini,

–  Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils insoweit aufzuheben, als Art. 2 Buchst. j und k der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt wird;

–  Nr. 3 erster Gedankenstrich des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben sowie Art. 2 Buchst. j und k der streitigen Entscheidung zu bestätigen und in Bezug auf Art. 2 Buchst. k auszusprechen, dass jeder Gesamtschuldner im Verhältnis zu seinen Mitgesamtschuldnern ein Drittel des Betrags von 4 500 000 Euro zu tragen hat;

–  hilfsweise, Nr. 3 erster Gedankenstrich des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

–  in jedem Fall der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27        Die Kommission beantragt,

–  die Rechtsmittel von Reyrolle, SEHV und Magrini in vollem Umfang zurückzuweisen;

–  den rechtsmittelführenden Gesellschaften die Kosten aufzuerlegen.

28        Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 1. Juli 2011 sind die Rechtssachen C231/11 P bis C233/11 P zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

V –  Zu den Rechtsmitteln

A –  Zum Rechtsmittel der Kommission

29        Die Kommission macht zur Stützung ihres Rechtsmittels sieben Aufhebungsgründe geltend; mit ihnen rügt sie eine Verletzung des Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003, eine Verletzung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung, einen Verstoß gegen die Grundsätze der persönlichen Verantwortlichkeit und der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung, einen Verstoß gegen den Grundsatz ne ultra petita, einen Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens sowie eine Verletzung der Begründungspflicht und ihres Ermessens bei der Bestimmung der Haftungssubjekte, denen die Verantwortung für die Zuwiderhandlung auferlegt wird.

30        Die ersten drei Rechtsmittelgründe und der siebte Rechtsmittelgrund sind gemeinsam zu prüfen.

1. Zu den ersten drei Rechtsmittelgründen und zum siebten Rechtsmittelgrund

a) Vorbringen der Parteien

31        Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Kommission, das Gericht habe Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 verletzt, indem es diese Bestimmung dahin ausgelegt habe, dass sie ihr die Befugnis gebe oder gar die Pflicht auferlege, den jeweiligen Anteil der verschiedenen Mitgesamtschuldner an der Zahlung der Geldbuße festzulegen, für die sie ihr gegenüber wegen der Zuwiderhandlung des Unternehmens, zu dem sie gehört hätten, gesamtschuldnerisch hafteten.

32        Die ihr durch diese Bestimmung übertragene Befugnis zur Verhängung einer Geldbuße betreffe nur das Außenverhältnis des Schuldverbands, nämlich das Verhältnis zwischen ihr und den Adressaten der Entscheidung, die als Teile ein und desselben Unternehmens gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Geldbuße hafteten, und nicht das Innenverhältnis zwischen diesen verschiedenen Mitgesamtschuldnern.

33        Ihre Befugnis, mehrere Gesellschaften gesamtschuldnerisch für die Zahlung einer Geldbuße haftbar zu machen, ergebe sich unmittelbar aus der Verantwortung der „Unternehmen“. Aus dem Begriff des Unternehmens lasse sich dagegen keine weiter gehende Befugnis zur Regelung der Rechtsbeziehungen der Gesamtschuldner untereinander ableiten.

34        Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, soweit das Gericht Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 dahin auslege, dass er auch die Befugnis bzw. Pflicht umfasse, das Innenverhältnis der Gesamtschuldner untereinander zu regeln, und auf dieser Grundlage konkret die Anteile der verschiedenen rechtsmittelführenden Gesellschaften bestimmt habe, habe es die ihm im Rahmen der unbeschränkten Nachprüfung zustehenden Befugnisse überschritten, da diese Kompetenzen nur das Außenverhältnis zwischen der Kommission und dem Unternehmen beträfen, dem eine Geldbuße auferlegt werde.

35        Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügt die Kommission die vom Gericht in Rn. 153 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung, dass nach dem Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung jeder Adressat der Entscheidung, der gesamtschuldnerisch in Haftung genommen werde, dieser Entscheidung entnehmen können müsse, welchen Anteil er nach Befriedigung des Anspruchs der Kommission im Verhältnis zu seinen Mitgesamtschuldnern zu tragen habe.

36        Dieser Grundsatz stelle, wie auch der Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit, auf das Unternehmen als solches und nicht auf die einzelnen rechtlichen Einheiten ab, aus denen es sich zusammensetze.

37        Der Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verlange, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen zuwiderhandelnden Unternehmens auf der Grundlage des individuellen Verhaltens der betroffenen Unternehmen und gegebenenfalls erschwerender oder mildernder Umstände prüfe.

38        Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, sofern Rn. 150 des angefochtenen Urteils dahin ausgelegt werden könne, dass sie verpflichtet sei, alle Einheiten, die für die Beteiligung an einer Zuwiderhandlung eines Unternehmens haftbar gemacht werden könnten, gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Geldbuße heranzuziehen, widerspreche das Urteil dem Auswahlermessen, das ihr insoweit zustehe.

b)     Würdigung durch den Gerichtshof

39        Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 81 EG oder Art. 82 EG verstoßen.

40        Im Rahmen ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft die Kommission dem Gericht vor, in Rn. 157 des angefochtenen Urteils entschieden zu haben, dass es im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnis zur Verhängung von Geldbußen nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ausschließlich ihr obliege, „den jeweiligen Anteil der einzelnen Gesellschaften an den Beträgen zu bestimmen, die gegen sie als Gesamtschuldner festgesetzt worden sind, soweit sie zu ein und demselben Unternehmen gehörten“, und dass diese Aufgabe „nicht den nationalen Gerichten überlassen werden [kann]“.

41        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Wettbewerbsrecht der Union die Tätigkeiten von Unternehmen betrifft (vgl. u. a. Urteile vom 8. Mai 2013, ENI/Kommission, C508/11 P, Rn. 82, und vom 11. Juli 2013, Kommission/Stichting Administratiekantoor Portielje, C440/11 P, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42        Um den Urheber einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht zu bestimmen, dem gemäß den Art. 81 EG und 82 EG eine Sanktion auferlegt werden kann, haben sich die Verfasser der Verträge dafür entschieden, den Unternehmensbegriff zu verwenden und keine anderen Begriffe wie den u. a. in Art. 48 EG verwendeten Begriff der Gesellschaft oder der juristischen Person (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C501/11 P, Rn. 102).

43        Nach ständiger Rechtsprechung bezeichnet der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Unter diesem Begriff ist eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (vgl. u. a. Urteil vom 19. Juli 2012, Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission, C628/10 P und C14/11 P, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44        Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, so hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (vgl. u. a. Urteile Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission, Rn. 42, sowie Kommission/Stichting Administratiekantoor Portielje, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45        In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass unter bestimmten Umständen einer juristischen Person, die nicht Urheberin einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ist, dennoch Sanktionen für die Zuwiderhandlung einer anderen juristischen Person auferlegt werden können, wenn beide Personen Teil derselben wirtschaftlichen Einheit sind und somit das Unternehmen bilden, das gegen Art. 81 EG verstoßen hat.

46        So kann nach ständiger Rechtsprechung einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen den beiden Rechtssubjekten (vgl. u. a. Urteil Kommission/Stichting Administratiekantoor Portielje, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47        Ist im Rahmen einer vertikalen Kapitalverflechtung dieser Art die in Rede stehende Muttergesellschaft so anzusehen, als habe sie selbst die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union begangen, leitet sich ihre Haftung für die Zuwiderhandlung vollständig von der Haftung ihrer Tochtergesellschaft ab (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins, C286/11 P, Rn. 43 und 49, und vom 26. November 2013, Kendrion/Kommission, C50/12 P, Rn. 55).

48        Die Kommission kann in der Folge der Muttergesellschaft als Gesamtschuldnerin die Haftung für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße zuweisen (vgl. u. a. Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C201/09 P und C216/09 P, Slg. 2011, I2239, Rn. 98).

49        Das Gericht ist daher in Rn. 150 des angefochtenen Urteils zu Recht davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung mehrere Personen, die für die Beteiligung an einer Zuwiderhandlung ein und desselben Unternehmens im wettbewerbsrechtlichen Sinne persönlich haftbar gemacht werden können, als für die Zuwiderhandlung gesamtschuldnerisch verantwortlich anzusehen sind.

50        Die von der Kommission im Rahmen ihres siebten Rechtsmittelgrundes gegen Rn. 150 erhobene Rüge ist zurückzuweisen, da sich aus ihr – in ihrem Kontext und im Licht der Rechtsprechung, die sie anführt – nicht ergibt, dass die Kommission tatsächlich verpflichtet wäre, gegen sämtliche Personen, die für die Beteiligung an einer von ein und demselben Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung persönlich haftbar gemacht werden können, als Gesamtschuldner eine Geldbuße zu verhängen.

51        Ist die Kommission somit nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 befugt, gegen verschiedene juristische Personen, die zu ein und demselben Unternehmen gehören, das für die Zuwiderhandlung verantwortlich ist, als Gesamtschuldner eine Geldbuße zu verhängen, unterliegt die von ihr vorzunehmende Bestimmung des Betrags dieser Geldbuße, soweit sie sich im konkreten Fall aus der Anwendung des unionsrechtlichen Begriffs des Unternehmens ergibt, doch gewissen Zwängen, nach denen die Merkmale des betroffenen Unternehmens, so wie es im Zeitraum der Begehung der Zuwiderhandlung bestand, gebührend zu berücksichtigen sind.

52        Bei der Bestimmung des Außenverhältnisses des Schuldverbands hat die Kommission insbesondere den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung zu beachten, der verlangt, dass der Betrag der verhängten Geldbuße im Einklang mit Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 anhand der Schwere der dem betroffenen Unternehmen individuell zur Last gelegten Zuwiderhandlung und ihrer Dauer bestimmt wird.

53        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zu den Faktoren, die im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen berücksichtigt und aus diesem Grund bei der Individualisierung der der betroffenen wirtschaftlichen Einheit auferlegten Geldbuße beachtet werden können, das Verhalten jedes der betroffenen Unternehmen, die Rolle, die jedes von ihnen bei den Vereinbarungen oder der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den sie aus diesen Vereinbarungen oder Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr gehören, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Union bedeuten (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C189/02 P, C202/02 P, C205/02 P bis C208/02 P und C213/02 P, Slg. 2005, I5425, Rn. 242).

54        In diesem Kontext hat das Gericht im Übrigen zu Recht zum einen in Rn. 153 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Kommission die im Rahmen der Gesamtschuld zu zahlenden Beträge nicht frei bestimmen könne, und zum anderen in Rn. 154 des Urteils ausgeführt, dass sie im konkreten Fall die in Rn. 468 der streitigen Entscheidung getroffenen Feststellungen zur Verantwortung der einzelnen Unternehmen für die sie betreffenden Zeiträume der Zuwiderhandlung habe berücksichtigen müssen.

55        Zwar ist die Entscheidung der Kommission, mit der Geldbußen verhängt werden, zwingend an die juristischen Personen zu richten, aus denen ein Unternehmen besteht, doch bedeutet dieses rein praktische Erfordernis nicht, dass in den Fällen, in denen die Kommission von der Befugnis Gebrauch macht, gegen mehrere juristische Personen gesamtschuldnerisch eine Geldbuße zu verhängen, weil sie bei der Begehung der Zuwiderhandlung ein einziges Unternehmen bildeten, die Regeln und Grundsätze des Wettbewerbsrechts der Union nicht nur für das betreffende Unternehmen gelten, sondern auch für die juristischen Personen, aus denen es besteht.

56        Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Regeln des Wettbewerbsrechts der Union – einschließlich der Regeln über die Sanktionsbefugnis der Kommission – und die bei der Ausübung dieser Sanktionsbefugnis zu beachtenden Grundsätze des Unionsrechts zur persönlichen Verantwortung für die Zuwiderhandlung und zur individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung nur das Unternehmen als solches und nicht die ihm angehörenden natürlichen oder juristischen Personen betreffen.

57        Insbesondere betrifft der unionsrechtliche Begriff der gesamtschuldnerischen Haftung für die Zahlung der Geldbuße, der lediglich Ausdruck einer von Rechts wegen eintretenden Wirkung des Unternehmensbegriffs ist, nur das Unternehmen und nicht die Gesellschaften, aus denen es besteht.

58        Aus Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ergibt sich zwar, dass die Kommission gegen mehrere Gesellschaften, soweit sie zu demselben Unternehmen gehörten, gesamtschuldnerisch eine Geldbuße verhängen kann, doch lassen weder der Wortlaut dieser Bestimmung noch der Zweck des Gesamtschuldmechanismus die Annahme zu, dass sich diese Sanktionsbefugnis über die Bestimmung des Außenverhältnisses der Gesamtschuld hinaus auf die Bestimmung der Anteile der Gesamtschuldner im Rahmen ihres Innenverhältnisses erstreckt.

59        Der Mechanismus der Gesamtschuld soll vielmehr ein zusätzliches Rechtsinstrument darstellen, das der Kommission zur Verfügung steht, um ihr Vorgehen bei der Einziehung von Geldbußen, die wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht verhängt wurden, wirksamer zu gestalten, da dieser Mechanismus für die Kommission als Gläubigerin der Schuld, die diese Geldbußen darstellen, die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit verringert, was der Verwirklichung des mit dem Wettbewerbsrecht allgemein verfolgten Ziels der Abschreckung dient, wie das Gericht im Übrigen in Rn. 151 des angefochtenen Urteils zu Recht im Wesentlichen ausgeführt hat (vgl. auch entsprechend Urteil vom 17. Februar 2011, Berel u. a., C78/10, Slg. 2011, I717, Rn. 48).

60        Die Bestimmung der Anteile der Mitgesamtschuldner im Innenverhältnis dient jedoch nicht diesem doppelten Zweck. Es handelt sich nämlich um einen nachgelagerten Streitfall, der für die Kommission grundsätzlich nicht mehr von Interesse ist, da ihr von einem oder mehreren der Mitgesamtschuldner die Geldbuße vollständig gezahlt worden ist.

61        Zudem enthält weder die Verordnung Nr. 1/2003 noch das Unionsrecht im Allgemeinen Regeln zur Lösung eines solchen Streitfalls, der die interne Aufteilung der Schuld betrifft, für deren Zahlung die betreffenden Gesellschaften gesamtschuldnerisch haften (vgl. entsprechend Urteil Berel, Rn. 42 und 43).

62        Unter diesen Umständen ist es, mangels vertraglicher Festlegung der Anteile der Schuldner einer ihnen als Gesamtschuldner auferlegten Geldbuße, daher Sache der nationalen Gerichte, diese Anteile unter Beachtung des Unionsrechts durch Anwendung des auf den Rechtsstreit anwendbaren nationalen Rechts zu bestimmen.

63        In diesem Zusammenhang besteht im Rahmen von Regressklagen vor den nationalen Gerichten die der Kommission nach Art. 4 EUV obliegende Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den Gerichten der Mitgliedstaaten ungeachtet dessen, dass grundsätzlich auf der Grundlage des einschlägigen nationalen Rechts über diese Klagen zu entscheiden ist. Denn zum einen wird in der Entscheidung der Kommission, mit der die Verpflichtung zur gesamtschuldnerischen Zahlung einer Geldbuße ausgesprochen wird, durch die Angabe der Mitgesamtschuldner und des Höchstbetrags, den die Kommission von jedem von ihnen verlangen kann, der rechtliche Rahmen festgelegt, innerhalb dessen über diese Klagen zu entscheiden ist. Zum anderen kann die Kommission über Anhaltspunkte verfügen, die für die Bestimmung der Anteile der Mitgesamtschuldner relevant sind.

64        Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Gericht mit seinen Ausführungen in Rn. 157 des angefochtenen Urteils, wonach es im Rahmen der Ausübung der Befugnis zur Verhängung von Geldbußen nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ausschließlich der Kommission obliege, „den jeweiligen Anteil der einzelnen Gesellschaften an den Beträgen zu bestimmen, die gegen sie als Gesamtschuldner festgesetzt worden sind, soweit sie zu ein und demselben Unternehmen gehörten“, und dass diese Aufgabe „nicht den nationalen Gerichten überlassen werden [kann]“, einen Rechtsfehler begangen hat.

65        Daraus folgt auch, dass das Gericht weitere Rechtsfehler begangen hat, und zwar erstens dadurch, dass es in den Rn. 153 bis 159 des angefochtenen Urteils bestimmte Grundsätze zum Innenverhältnis der Gesamtschuld aufgestellt hat.

66        Zunächst hat das Gericht, da der Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung, wie in Rn. 56 des vorliegenden Urteils bereits ausgeführt, nur das Unternehmen als solches und nicht die ihm angehörenden natürlichen oder juristischen Personen betrifft, mit seiner Feststellung in Rn. 153 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, dass nach diesem Grundsatz jede Gesellschaft einer Entscheidung, mit der ihr eine Geldbuße auferlegt werde, für deren Zahlung sie gesamtschuldnerisch mit einer oder mehreren anderen Gesellschaften hafte, entnehmen können müsse, welchen Anteil sie nach Befriedigung des Anspruchs der Kommission im Verhältnis zu ihren Mitgesamtschuldnern zu tragen habe.

67        Sodann hat das Gericht, da es, wie bereits in Rn. 62 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Sache der nationalen Gerichte ist, die Anteile der Schuldner einer ihnen als Gesamtschuldner auferlegten Geldbuße unter Beachtung des Unionsrechts durch Anwendung des auf den Rechtsstreit anwendbaren nationalen Rechts zu bestimmen, einen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 155 des angefochtenen Urteils zum einen entschieden hat, dass der Begriff der gesamtschuldnerischen Haftung für die Zahlung von Geldbußen ein autonomer Begriff sei, der nach den Zwecken und dem System des Wettbewerbsrechts, zu dem er gehöre, sowie gegebenenfalls nach den allgemeinen Grundsätzen, die aus der Gesamtheit der nationalen Rechtssysteme flössen, auszulegen sei, und zum anderen, dass es insbesondere geboten sei, sich von der Rechtsfigur der Gesamtschuld leiten zu lassen, auch wenn sich die Natur der Zahlungsverpflichtung, die auf den Gesellschaften laste, gegen die von der Kommission wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union als Gesamtschuldner Geldbußen verhängt worden seien, von der Zahlungsverpflichtung der Mitgesamtschuldner bei einer privatrechtlichen Verpflichtung unterscheide.

68        Da die Sanktionsbefugnis der Kommission nur die Bestimmung des Außenverhältnisses der Gesamtschuld betrifft, hat das Gericht im Übrigen einen weiteren Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 156 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Entscheidung, mit der die Kommission feststelle, dass mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner für die Zahlung einer Geldbuße hafteten, notwendig alle Wirkungen erzeuge, die sich von Rechts wegen aus der rechtlichen Regelung der Zahlung von Geldbußen im Wettbewerbsrecht ergäben, und zwar sowohl in den Beziehungen zwischen dem Gläubiger und den Gesamtschuldnern als auch in den Beziehungen zwischen den Gesamtschuldnern untereinander.

69        Schließlich enthalten die Rn. 158 und 159 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler, weil das Gericht dort im Wesentlichen entschieden hat, dass in Ermangelung einer in der Entscheidung der Kommission, mit der gegen mehrere Gesellschaften eine gesamtschuldnerisch zu zahlende Geldbuße verhängt werde, getroffenen Feststellung, dass bestimmte Gesellschaften innerhalb des Unternehmens für dessen Beteiligung am Kartell in einem bestimmten Zeitraum mehr Verantwortung trügen als andere, anzunehmen sei, dass ihr Verantwortungsbeitrag und damit auch ihr Anteil an den ihnen als Gesamtschuldner auferlegten Beträgen gleich hoch sei.

70        Das Unionsrecht enthält nämlich keine solche Auffangregel der Haftung zu gleichen Teilen, denn die Anteile der Schuldner einer ihnen als Gesamtschuldner auferlegten Geldbuße sind, wie bereits in Rn. 62 des vorliegenden Urteils ausgeführt, vorbehaltlich der Beachtung des Unionsrechts durch Anwendung des nationalen Rechts zu bestimmen.

71        Allerdings ist hervorzuheben, dass das Unionsrecht grundsätzlich der internen Aufteilung einer solchen Geldbuße anhand einer Regel des nationalen Rechts nicht entgegensteht, nach der die Anteile der Mitgesamtschuldner unter Berücksichtigung ihrer Verantwortung oder ihrer relativen Schuld für die Begehung der dem Unternehmen, dem sie angehörten, angelasteten Zuwiderhandlung bestimmt und gegebenenfalls von einer Auffangregel flankiert wird, die vorsieht, dass die betreffenden Gesellschaften zu gleichen Teilen haftbar zu machen sind, wenn die Gesellschaften, die eine Aufteilung zu ungleichen Teilen verlangen, nicht nachweisen können, dass bestimmte Gesellschaften für die Beteiligung des Unternehmens am Kartell in einem bestimmten Zeitraum mehr Verantwortung tragen als andere.

72        Zweitens enthalten die von der Kommission gerügten Rn. 245, 247, 262 und 263 des angefochtenen Urteils ebenfalls einen Rechtsfehler, weil das Gericht dort in Ausübung der ihm im Einklang mit Art. 261 AEUV durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 zuerkannten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den Anteil des Bußgeldbetrags bestimmt hat, den jede der zu dem in Rede stehenden Unternehmen gehörenden Gesellschaften für den betreffenden Zeitraum der Zuwiderhandlung zu tragen hat.

73        Als das Gericht in den genannten Randnummern des angefochtenen Urteils diese Aufteilung der Geldbuße im Innenverhältnis vorgenommen hat, hat es sich nämlich ausdrücklich auf die in den Rn. 158 und 159 des Urteils dargelegten Erwägungen gestützt. Wie bereits in Rn. 70 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, enthalten diese Erwägungen jedoch einen Rechtsfehler, da mit ihnen eine Auffangregel der Haftung zu gleichen Teilen aufgestellt wird, die im Unionsrecht vorgesehen sein soll.

74        Da im Übrigen – wie sich aus dem vorliegenden Urteil ergibt – die der Kommission durch Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehene Sanktionsbefugnis sie nicht dazu ermächtigt, die verhängte Geldbuße im Innenverhältnis unter den Mitgesamtschuldnern aufzuteilen, nachdem die Geldbuße vollständig gezahlt und infolgedessen der Anspruch der Kommission befriedigt wurde, kann auch das Gericht, wenn es im Rahmen seiner ihm durch Art. 31 der Verordnung zuerkannten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Geldbuße aufhebt, herabsetzt oder erhöht, nicht zu einer solchen Aufteilung befugt sein.

75        Nach ständiger Rechtsprechung ermächtigt nämlich die dem Gericht verliehene Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung das Gericht dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene zu ersetzen (vgl. u. a. Urteil vom 26. September 2013, Alliance One International/Kommission, C679/11 P, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung), so dass sich diese Befugnis nicht auf Beurteilungen erstrecken kann, die von der Sanktionsbefugnis der Kommission nicht umfasst sind.

76        Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die ersten drei Rechtsmittelgründe der Kommission durchgreifen, während der siebte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

77        Daher ist dem Rechtsmittel der Kommission stattzugeben, ohne dass der Gerichtshof den vierten, den fünften und den sechsten Rechtsmittelgrund zu prüfen braucht. Diese Rechtsmittelgründe haben nämlich gegenüber den ersten drei Rechtsmittelgründen rein hilfsweisen Charakter, da sie auf der Prämisse beruhen, dass Letztere vom Gerichtshof zurückgewiesen werden. Zudem könnten diese Rechtsmittelgründe, wenn sie durchgriffen, nicht zu einer weiter gehenden Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, als sie sich aus der Begründetheit der ersten drei Rechtsmittelgründe ergibt.

2.     Zu den Konsequenzen, die aus der Begründetheit des Rechtsmittels der Kommission zu ziehen sind

78        Vorab ist festzustellen, dass die Begründetheit des Rechtsmittels der Kommission nicht zu der von ihr in erster Linie beantragten Aufhebung von Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils führen kann.

79        Aus den Rn. 137 bis 167 und aus Rn. 237 des angefochtenen Urteils geht nämlich hervor, dass das Gericht Art. 2 der streitigen Entscheidung, soweit er die Bemessung der gegen SEHV und Magrini zu verhängenden Geldbuße und die Festsetzung der Beträge betrifft, für deren Zahlung die Klägerinnen als Gesamtschuldner haften sollen, mit der dreifachen Begründung für nichtig erklärt hat, dass die Kommission durch die gesamtschuldnerische Heranziehung von Reyrolle, SEHV und Magrini für die Zahlung einer Geldbuße, deren Betrag ihre gemeinsame Verantwortung klar übersteige, durch die mangelnde gesamtschuldnerische Heranziehung von Siemens Österreich und KEG für die Zahlung eines Teils der gegen SEHV und Magrini verhängten Geldbuße und dadurch, dass sie Reyrolle nicht einen Teil der gegen sie verhängten Geldbuße als Alleinschuldner auferlegt hat, gegen den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verstoßen habe.

80        Wie auch der Generalanwalt in Nr. 27 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ergibt sich jedoch diese dreifache und von der Kommission vor dem Gerichtshof im Übrigen nicht bestrittene Begründung, auf die sich das Gericht bei der Nichtigerklärung von Art. 2 der streitigen Entscheidung gestützt hat, nicht aus der Anwendung der in den Rn. 153 bis 159 des angefochtenen Urteils angeführten Grundsätze zum Innenverhältnis der Gesamtschuld, die Gegenstand des Rechtsmittels der Kommission sind.

81        Diese Begründung ergibt sich vielmehr aus der Anwendung der für das Außenverhältnis der Gesamtschuld geltenden Grundsätze, d. h. der Haftung jeder der Gesellschaften gegenüber der Kommission für die vollständige Zahlung der Geldbuße, die gegen das Unternehmen verhängt wurde, dem sie zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung angehörten. Auf diese Grundsätze hat das Gericht in den Rn. 148 bis 152, im ersten Satz von Rn. 153 und in Rn. 154 des angefochtenen Urteils hingewiesen, die keinen Rechtsfehler enthalten, wie aus den Rn. 49, 54, 57 und 59 des vorliegenden Urteils hervorgeht.

82        Dagegen führt die Begründetheit der ersten drei von der Kommission angeführten Rechtsmittelgründe zu der von ihr ebenfalls beantragten Aufhebung von Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Urteils, da sich aus dessen Rn. 245, 247, 262 und 263 ausdrücklich ergibt, dass die Bestimmung der Anteile der in Rede stehenden Gesellschaften im Innenverhältnis, die das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf der Grundlage der in den Rn. 158 und 159 des Urteils angeführten Grundsätze für die interne Aufteilung der Gesamtschuld vorgenommen hat, zu den Erwägungen gehört, auf die sich das Gericht gestützt hat, um die in Nr. 3 des Urteilstenors aufgezählten Geldbußen abzuändern und sodann festzusetzen.

83        Folglich ist Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Urteils insofern aufzuheben, als darin die Anteile der Bußgeldbeträge festgesetzt werden, zu deren Zahlung die Klägerinnen im ersten Rechtszug als Gesamtschuldner verurteilt worden sind.

84        Da die Abweisung der Klagen im Übrigen, auf die in Nr. 4 des Tenors des angefochtenen Urteils erkannt wird, unangetastet bleibt, ist dem Antrag der Kommission auf Abweisung der Klagen in den Rechtssachen T122/07, T123/07 und T124/07 in Bezug auf die von den Klägerinnen im ersten Rechtszug beantragte Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. j, k und l der streitigen Entscheidung nicht stattzugeben.

B –  Zum Rechtsmittel von Reyrolle

85        Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht Reyrolle zwei Gründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung und zweitens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit rügt.

1.     Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung

a)     Vorbringen der Parteien

86        Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Reyrolle geltend, das Gericht habe gegen den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verstoßen, da es bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung dadurch gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen habe, dass es die Geldbuße gegen das aus Rolls-Royce und Reyrolle bestehende Unternehmen für den Zeitraum von 1988 bis 1998 nicht auf der Grundlage der Situation dieses Unternehmens verhängt habe, sondern anhand der Wirtschaftskraft einer wirtschaftlichen Einheit, die erst einige Jahre später, durch den Verkauf von Reyrolle an VA Technologie, entstanden sei.

87        Das Gericht hätte nicht nur einen Ausgangsbetrag unter Berücksichtigung des Umsatzes und des Marktanteils des von der VA-Tech-Gruppe gebildeten Unternehmens berechnen dürfen, sondern hätte in Bezug auf den früheren Zeitraum, zu dem Reyrolle – wie in Rn. 6 des vorliegenden Urteils ausgeführt – eine Tochtergesellschaft von Rolls-Royce gewesen sei, d. h. den Zeitraum vom 15. April 1988 bis zum 20. September 1998, einen gesonderten Ausgangsbetrag für sie ermitteln müssen.

88        Für den Zeitraum vor dem Verkauf von Reyrolle an VA Technologie hätte der Ausgangsbetrag auf der Grundlage des Marktanteils des aus Rolls-Royce und Reyrolle bestehenden Unternehmens und des Umsatzes allein dieses Unternehmens ermittelt werden müssen. Auf diese Weise hätte die gegen Reyrolle insgesamt verhängte Geldbuße höchstens 2,05 Mio. Euro betragen dürfen.

89        Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unbegründet. Sie macht geltend, es sei nicht gerechtfertigt, einen gesonderten Ausgangsbetrag für den Zeitraum der Zugehörigkeit von Reyrolle zum Unternehmen Rolls-Royce zu ermitteln, da der Muttergesellschaft dieses Unternehmens keine Zuwiderhandlung vorgeworfen werden könne. Selbst wenn ein solcher gesonderter Ausgangsbetrag zugrunde gelegt würde, wäre die Geldbuße nach den verfügbaren Angaben jedenfalls zu erhöhen und nicht herabzusetzen.

b)     Würdigung durch den Gerichtshof

90        Reyrolle trägt vor, der Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verlange aufgrund dessen, dass sie im Zeitraum ihrer Beteiligung an dem in Rede stehenden Kartell nacheinander zwei Unternehmen, nämlich dem Unternehmen Rolls-Royce und dann dem von der VA-Tech-Gruppe gebildeten Unternehmen, angehört habe, dass die individuelle Geldbuße von 9 450 000 Euro, die das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Nr. 3 letzter Gedankenstrich des Tenors des angefochtenen Urteils gegen sie verhängt habe, auf der Grundlage von zwei gesonderten Ausgangsbeträgen für die beiden in Rede stehenden Unternehmen hätte berechnet werden müssen, die sich auf die beiden aufeinanderfolgenden Zeiträume der Zuwiderhandlung erstreckten, während denen sie diesen Unternehmen jeweils angehört habe.

91        Wie bereits in Rn. 52 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verlangt der Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung, dass der Betrag der verhängten Geldbuße in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 anhand der Schwere der dem betroffenen Unternehmen individuell zur Last gelegten Zuwiderhandlung und ihrer Dauer bestimmt wird. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Betrag der Geldbuße, wie im vorliegenden Fall, vom Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgesetzt wird.

92        Wie der Generalanwalt in den Nrn. 131 bis 134 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, ist aber den Rn. 140, 144 und 164 des angefochtenen Urteils zu entnehmen, dass sich das Gericht bei der Festsetzung der getrennt gegen Reyrolle für den Zeitraum ihrer Zugehörigkeit zur Rolls-Royce-Gruppe zu verhängenden Geldbuße auf die Erwägung gestützt hat, dass die Zuwiderhandlung in diesem Zeitraum autonom von Reyrolle begangen worden sei, da nach den Feststellungen der Kommission die Zuwiderhandlung hinsichtlich der Muttergesellschaft des Unternehmens Rolls-Royce verjährt gewesen sei. Im Übrigen steht fest, dass Reyrolle im folgenden Zeitraum der Zuwiderhandlung ihre Beteiligung am Kartell als Teil des von der VA-Tech-Gruppe gebildeten Unternehmens fortsetzte, dessen Dachgesellschaft VA Technologie ebenfalls für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen worden ist.

93        Da im vorliegenden Fall dem Unternehmen Rolls-Royce individuell keine Zuwiderhandlung vorgeworfen worden war, war nach dem Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung der Betrag der Geldbuße nicht anhand der Merkmale dieses Unternehmens, sondern anhand der Merkmale eines einzigen Unternehmens festzusetzen, das vor seinem Erwerb durch VA Technologie ausschließlich aus Reyrolle und nach diesem Erwerb aus Reyrolle und den übrigen am Kartell beteiligten Gesellschaften der VA-Tech-Gruppe bestand.

94        Infolgedessen durfte das Gericht einen einzigen Ausgangsbetrag für das von der VA-Tech-Gruppe gebildete Unternehmen auf der Grundlage seines Umsatzes des Jahres 2003, des letzten vollen Jahres der Zuwiderhandlung, festsetzen und sodann die Verantwortung für die begangene Zuwiderhandlung zwischen den verschiedenen Gesellschaften für die Zeiträume ihrer Beteiligung am Kartell aufteilen.

95        Daher ist der erste Rechtsmittelgrund von Reyrolle zurückzuweisen.

2.     Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit

a)     Vorbringen der Parteien

96        Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft Reyrolle dem Gericht vor, gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen zu haben, indem es im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung andere Berechnungsmethoden als bei anderen Gesellschaften angewandt habe, die sie gegenüber Letzteren erheblich benachteiligten.

97        Erstens gehe in Bezug auf SEHV und Magrini, die nacheinander dem Unternehmen Schneider und dem Unternehmen VA Tech angehört hätten, aus Rn. 241 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht gesonderte Ausgangsbeträge für jeden Zeitraum der Zugehörigkeit dieser Gesellschaften zu einem anderen Unternehmen ermittelt habe. Bei Reyrolle habe das Gericht dagegen eine ganz andere Methode angewandt, da es die Geldbuße auf der Grundlage eines einheitlichen Ausgangsbetrags festgesetzt habe, obwohl sie während des Zeitraums der Zuwiderhandlung verschiedenen Unternehmen angehört habe; dies habe dazu geführt, dass ihr eine unverhältnismäßig hohe Geldbuße auferlegt worden sei.

98        Zweitens werde die ihr zugefügte Diskriminierung noch deutlicher, wenn die Methode zur Berechnung der ihr auferlegten Geldbuße mit der verglichen werde, die die Kommission bei bestimmten japanischen Unternehmen angewandt habe, die sich in einer mit ihr vergleichbaren Situation befunden hätten. Bei diesen Unternehmen habe sich das Gericht auf gesonderte Ausgangsbeträge für den Zeitraum vor der Eingliederung ihrer Tätigkeiten in der GIS-Branche in ein gemeinsames Unternehmen gestützt.

99        Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig, da er vor dem Gericht nicht geltend gemacht worden sei und infolgedessen ein neues Angriffsmittel darstelle. Er sei jedenfalls unbegründet.

b)     Würdigung durch den Gerichtshof

100       Was die Zulässigkeit des zweiten Rechtsmittelgrundes angeht, ist die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

101       Zwar hat Reyrolle die mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund angeführten Diskriminierungen nicht im ersten Rechtszug geltend gemacht, doch ist dieser Umstand nicht geeignet, die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittelgrundes herbeizuführen.

102       Es ist nämlich zulässig, dass Reyrolle ein Rechtsmittel einlegt, mit dem sie vor dem Gerichtshof Rechtsmittelgründe geltend macht, die sich aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben und mit denen dessen Begründetheit aus rechtlichen Erwägungen gerügt wird (Urteil vom 29. November 2007, Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission, C176/06 P, Rn. 17).

103       Im vorliegenden Fall wirft Reyrolle dem Gericht vor, sie benachteiligt zu haben, als es in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den Betrag der ihr aufzuerlegenden Geldbuße festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass das Gericht bei der Berechnung der Geldbußen dieselbe Methode wie die Kommission angewandt hat, doch hat es sich damit diese Methode zu eigen gemacht, so dass sich die von Reyrolle geltend gemachte Diskriminierung aus der neuen Berechnung der Geldbuße durch das Gericht ergibt und infolgedessen auf das angefochtene Urteil zurückgeht.

104       Im Übrigen kann dieser Rechtsmittelgrund, soweit er die vom Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vorgenommene Berechnung der Geldbuße betrifft, nicht als unzulässig angesehen werden, da er schon seinem Wesen nach nicht im ersten Rechtszug hätte geltend gemacht werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil Alliance One International/Kommission, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105       Zur Prüfung der Stichhaltigkeit dieses Rechtsmittelgrundes ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht dazu führen darf, dass Unternehmen, die an einer gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßenden Vereinbarung beteiligt waren, bei der Ermittlung der Höhe ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden (vgl. u. a. Urteil vom 30. Mai 2013, Quinn Barlo u. a./Kommission, C70/12 P, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106       Ferner ist nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung nur verletzt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (vgl. u. a. Urteil vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C76/06 P, I4405, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107       Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht verletzt worden ist, da sich Reyrolle nicht in einer vergleichbaren Situation wie die Schneider-Gruppe oder die japanischen Hersteller befand.

108       Was zunächst das Vorbringen angeht, dass Reyrolle gegenüber SEHV und Magrini diskriminiert worden sei, ist bereits in den Rn. 92 und 93 des vorliegenden Urteils festgestellt worden, dass Reyrolle als Teil eines einzigen Unternehmens, nämlich des von der VA-Tech-Gruppe gebildeten Unternehmens, dessen Zusammensetzung sich im Laufe des Zeitraums der Zuwiderhandlung änderte, an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung beteiligt war.

109       Diese Situation unterscheidet sich von der, in der sich SEHV und Magrini befanden. Diese Gesellschaften waren nämlich an dem in Rede stehenden Kartell nacheinander als Teil zweier verschiedener Unternehmen beteiligt, und zwar zunächst als Teil des Unternehmens, dessen Muttergesellschaft Schneider war, und dann, nach ihrem Verkauf an VA Technologie, als Teil des von der VA-Tech-Gruppe gebildeten Unternehmens. Im Übrigen sind sowohl Schneider als auch VA Technologie persönlich für ihre Beteiligung an diesem Kartell haftbar gemacht worden.

110       Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass sich Reyrolle und die japanischen Hersteller in einer vergleichbaren Situation befanden. Es steht nämlich fest, dass sich die fraglichen japanischen Hersteller, zum einen Fuji und Hitachi und zum anderen Mitsubishi und Toshiba, zuerst unabhängig an dem Kartell beteiligten. Sie gliederten zwar am 1. Oktober 2002 ihre GIS-Aktivitäten in zwei gemeinsame Unternehmen, nämlich JAEPS und TM T&D Corp., ein, doch bestanden sie als unabhängige und selbständige Unternehmen weiter. Dagegen ist dies bei Reyrolle nicht der Fall, da sie nach ihrem Verkauf an VA Technologie und ihrer Eingliederung in das von der VA-Tech-Gruppe gebildete Unternehmen nicht mehr als unabhängiges und selbständiges Unternehmen fortbestand.

111       Was schließlich den geltend gemachten Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anbelangt, geht aus einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es nicht seine Sache ist, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Würdigung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über den Betrag der gegen Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Würdigung zu ersetzen. Nur wenn der Gerichtshof der Ansicht wäre, dass die Höhe der Sanktion nicht nur unangemessen, sondern auch dermaßen überhöht ist, dass sie unverhältnismäßig wird, wäre ein Rechtsfehler des Gerichts wegen der unangemessenen Höhe einer Geldbuße festzustellen (vgl. u. a. Urteil Quinn Barlo u. a./Kommission, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

112       Reyrolle hat jedoch zur Untermauerung ihres Vorwurfs der Unverhältnismäßigkeit der ihr vom Gericht auferlegten Geldbuße lediglich vorgebracht, dass sie diskriminiert worden sei, was sich als unbegründet erwiesen hat. Eine weiter gehende spezifische Argumentation, die geeignet wäre, die übermäßige Höhe des absoluten Betrags dieser Geldbuße darzutun, hat sie aber nicht vorgebracht. Daher ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zurückzuweisen.

113       Daraus folgt, dass auch der zweite Rechtsmittelgrund von Reyrolle zurückzuweisen ist.

114       Da keiner der von Reyrolle zur Stützung ihres Rechtsmittels geltend gemachten Gründe durchgreift, ist ihr Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

C –  Zum Rechtsmittel von SEHV und Magrini

115       Zunächst sind die ersten beiden von SEHV und Magrini zur Stützung ihres Rechtsmittels geltend gemachten Gründe gemeinsam zu prüfen.

1. Zu den ersten beiden Rechtsmittelgründen: Verstoß gegen den Grundsatz ne ultra petita und Nichtbeachtung der Bestandskraft

a)     Vorbringen der Parteien

116       SEHV und Magrini tragen zum einen vor, ihre Klage vor dem Gericht habe sich auf die gemäß Art. 2 Buchst. k der streitigen Entscheidung von ihnen gesamtschuldnerisch mit Schneider zu zahlende Geldbuße von 4 500 000 Euro bezogen und nicht auch auf die gemäß Art. 2 Buchst. j der Entscheidung allein von Schneider zu zahlende Geldbuße von 3 600 000 Euro. Zum anderen weisen diese Gesellschaften darauf hin, dass Schneider, die allein die letztgenannte Geldbuße hätte anfechten können, keine Klage vor dem Gericht erhoben habe.

117       Folglich habe das Gericht dadurch, dass es die in Art. 2 Buchst. j der streitigen Entscheidung verhängte Geldbuße für nichtig erklärt und ihren Betrag in die Geldbuße einbezogen habe, für deren Zahlung Schneider, SEHV und Magrini gesamtschuldnerisch hafteten, nicht nur gegen den Grundsatz ne ultra petita verstoßen, sondern auch verkannt, dass die Entscheidung gegenüber Schneider bestandskräftig geworden sei.

118       Die Kommission hält dieses Rechtsmittel insgesamt für unzulässig, da die darin gestellten Anträge das genaue Gegenteil der Klageanträge vor dem Gericht seien. Jedenfalls habe das Gericht, da ihm die Frage nach dem Betrag der den nacheinander zu den Unternehmen Schneider und VA Tech gehörenden Gesellschaften als Gesamtschuldner auferlegten Geldbuße im Rahmen der im ersten Rechtszug erhobenen Klage vorgelegt worden sei, den Betrag dieser Geldbuße im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung abändern können, ohne gegen den Grundsatz ne ultra petita zu verstoßen oder die Bestandskraft zu verkennen.

b) Würdigung durch den Gerichtshof

119       Einleitend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmittelanträge, wie Art. 113 § 1 der Verfahrensordnung in der zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels geltenden Fassung bestätigt, die vollständige oder teilweise Aufrechterhaltung der im ersten Rechtszug gestellten Anträge zum Gegenstand haben müssen.

120       Folglich ist das vorliegende Rechtsmittel, wie der Generalanwalt in Nr. 150 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, unzulässig, soweit die Rechtsmittelführerinnen beantragen, Art. 2 Buchst. k der streitigen Entscheidung zu bestätigen, dessen Nichtigerklärung sie im ersten Rechtszug beantragt hatten.

121       Sodann ist das Rechtsmittel von SEHV und Magrini, wie der Generalanwalt in Nr. 150 seiner Schlussanträge weiter ausgeführt hat, außerdem unzulässig, soweit beantragt wird, Art. 2 Buchst. j der streitigen Entscheidung zu bestätigen, da diese Bestimmung eine Geldbuße betrifft, die allein die Gesellschaft Schneider anfechten konnte. Letztere hat jedoch beim Gericht keine Klage erhoben.

122       Das Rechtsmittel ist schließlich auch unzulässig, soweit SEHV und Magrini den Gerichtshof ersuchen, in Bezug auf Art. 2 Buchst. k der streitigen Entscheidung festzustellen, dass jeder der Gesamtschuldner im Verhältnis zu seinen Mitgesamtschuldnern ein Drittel des Betrags von 4 500 000 Euro zu tragen hat. Aus Rn. 74 des vorliegenden Urteils geht nämlich hervor, dass der Unionsrichter bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht befugt ist, die Geldbuße im Innenverhältnis unter den Mitgesamtschuldnern aufzuteilen.

123       Die Kommission kann jedoch nicht einwenden, dass die auf die teilweise Aufhebung von Nr. 2 und Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Urteils gerichteten Anträge von SEHV und Magrini unzulässig seien.

124       Es ist darauf hinzuweisen, dass SEHV und Magrini im Rahmen ihres Rechtsmittels geltend machen, das Gericht habe ultra petita entschieden, als es in Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils Art. 2 Buchst. j der streitigen Entscheidung und deren Art. 2 Buchst. k für nichtig erklärt habe, da die letztgenannte Bestimmung Schneider betreffe. Schneider habe beim Gericht keine Klage auf Nichtigerklärung erhoben, so dass die streitige Entscheidung ihr gegenüber bestandskräftig geworden sei. Die vom Gericht in Nr. 3 erster Gedankenstrich des Urteilstenors im Anschluss an die Nichtigerklärung von Art. 2 der streitigen Entscheidung, soweit er Schneider betreffe, abgeänderte Geldbuße sei für sie besonders nachteilig.

125       Da SEHV und Magrini zur Stützung ihrer Anträge auf teilweise Aufhebung der Nrn. 2 und 3 des Tenors des angefochtenen Urteils Rechtsmittelgründe geltend machen, die durch das Urteil selbst entstanden sind, sind diese Anträge in Ansehung der in Rn. 102 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung für zulässig zu erklären.

126       In Bezug auf die Prüfung der Stichhaltigkeit der ersten beiden Rechtsmittelgründe ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausüben kann, wenn ihm die Frage nach der Höhe der Geldbuße zur Beurteilung vorgelegt worden ist (vgl. u. a. Urteil Alliance One International/Kommission, Rn. 105).

127       Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Frage nach der Höhe der Geldbuße, die in Art. 2 Buchst. j der streitigen Entscheidung individuell gegen Schneider verhängt wurde, dem Gericht nicht zur Beurteilung vorgelegt worden ist.

128       Da Schneider nämlich keine Klage erhoben hat, mit der die Höhe dieser Geldbuße in Frage gestellt würde, konnte sie nicht Gegenstand der Klage von SEHV und Magrini sein, gegen die sie nicht verhängt worden war.

129       Daher ist festzustellen, dass das Gericht ultra petita entschieden hat, als es in Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils Art. 2 Buchst. j und k der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt hat und in Nr. 3 erster Gedankenstrich des Tenors die mit diesen Bestimmungen verhängten Geldbußen dadurch abgeändert hat, dass es sie in einen einzigen, von Schneider, SEHV und Magrini gesamtschuldnerisch zu zahlenden Betrag einbezogen hat.

130       Zwar hat diese Abänderung der Geldbuße, wie das Gericht in Rn. 248 des angefochtenen Urteils ausführt, keine Auswirkung auf den Gesamtbetrag der Geldbuße, die die Kommission von Schneider im Außenverhältnis der Gesamtschuld verlangen kann, doch ist die Abänderung für Schneider hinsichtlich des Betrags der Geldbuße von Vorteil, der von ihr im Rahmen der internen Aufteilung der Geldbuße letztlich zu tragen ist. Gleichwohl durfte das Gericht diese Abänderung, die für SEHV und für Magrini sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis der Gesamtschuld von Nachteil sein kann, nicht vornehmen. Da das Gericht nämlich erstens nicht die Rechtswidrigkeit der Verhängung der in Rede stehenden Geldbuße feststellen konnte, ohne gegen den Grundsatz ne ultra petita zu verstoßen, war es ihm zweitens verwehrt, in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung diese Geldbuße aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen.

131       Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die ersten beiden Rechtsmittelgründe von SEHV und Magrini durchgreifen.

132       Daher ist dem Rechtsmittel von SEHV und Magrini stattzugeben, ohne dass der Gerichtshof den dritten Rechtsmittelgrund zu prüfen braucht, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens gerügt wird. Dieser Rechtsmittelgrund hat nämlich gegenüber den ersten beiden Rechtsmittelgründen rein hilfsweisen Charakter, da mit ihm für den Fall, dass die ersten beiden Rechtsmittelgründe vom Gerichtshof zurückgewiesen werden sollten, dem Gericht vorgeworfen wird, dass es jedenfalls dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass es in Nr. 3 erster Gedankenstrich des Tenors des angefochtenen Urteils die Geldbuße abgeändert habe, ohne den in Rede stehenden Gesellschaften die Möglichkeit zu geben, zu dieser neuen Festsetzung der Geldbuße Stellung zu nehmen. Im Übrigen könnte dieser Rechtsmittelgrund, wenn er durchgriffe, nicht zu einer weiter gehenden Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, als sie sich aus der Begründetheit der geprüften ersten beiden Rechtsmittelgründe ergibt.

2. Zu den Konsequenzen, die aus der Begründetheit des von SEHV und Magrini eingelegten Rechtsmittels zu ziehen sind

133       In Anbetracht der in den Rn. 119 bis 122 des vorliegenden Urteils festgestellten teilweisen Unzulässigkeit der Anträge ihres Rechtsmittels führt die Begründetheit der ersten beiden von SEHV und Magrini geltend gemachten Rechtsmittelgründe zur Aufhebung von Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils, soweit darin Art. 2 Buchst. j und k der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt wird, sowie zur Aufhebung von Nr. 3 erster Gedankenstrich des Tenors des angefochtenen Urteils.

134       Da SEHV und Magrini im Rahmen ihres Rechtsmittels im Übrigen nicht beantragt haben, den Klagen in den Rechtssachen T122/07 bis T124/07 stattzugeben, bleibt es bei ihrer Abweisung durch Nr. 4 des Tenors des angefochtenen Urteils.

VI –  Kosten

135       Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist oder wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

136       Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

137       Die durch das Rechtsmittel von Reyrolle (C232/11 P) entstandenen Kosten sind, da sie mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission ihre Verurteilung beantragt hat, dieser Gesellschaft aufzuerlegen.

138       Die durch das Rechtsmittel der Kommission (C231/11 P) entstandenen Kosten sind, da ihrem Rechtsmittel stattzugeben ist und sie die Verurteilung der Klägerinnen beantragt hat, Letzteren aufzuerlegen.

139       Die durch das Rechtsmittel von SEHV und Magrini (C233/11 P) entstandenen Kosten sind, da ihrem Rechtsmittel ebenfalls stattzugeben ist und sie die Verurteilung der Kommission beantragt haben, der Kommission aufzuerlegen.

140       Im Übrigen ist die in den Nrn. 5 bis 7 des Tenors des angefochtenen Urteils festgelegte Verteilung der durch das Verfahren im ersten Rechtszug entstandenen Kosten nicht zu ändern.

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