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17.09.2015
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Haftung und Aufsicht
EuGH: Gerichtliche Zuständigkeit bei Schadensersatzklage gegen Geschäftsführer

EuGH, Urteil vom 10.9.2015 – C47/14, Holterman Ferho Exploitatie BV, Ferho Bewehrungsstahl GmbH, Ferho Vechta GmbH, Ferho Frankfurt GmbH / Friedrich Leopold Freiherr Spies von Büllesheim, ECLI:EU:C:2015:574

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2015-2305-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

1. Die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sind dahin auszulegen, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der eine Gesellschaft eine Person, die als ihr Direktor und Geschäftsführer tätig war, verklagt, um die von dieser Person in Wahrnehmung ihrer Aufgaben begangenen Fehler feststellen zu lassen und Schadensersatz zu erlangen, der Anwendung von Art. 5 Nrn. 1 und 3 der Verordnung entgegenstehen, sofern diese Person in ihrer Eigenschaft als Direktor und Geschäftsführer während einer bestimmten Zeit der Gesellschaft nach deren Weisung Leistungen erbrachte und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhielt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

2. Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass eine Klage, die eine Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer erhebt, weil er die ihm obliegenden gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen verletzt haben soll, unter den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ fällt. Mangels abweichender Angaben in der Satzung der Gesellschaft oder in einem anderen Dokument ist es Sache des vorlegenden Gerichts, den Ort zu bestimmen, an dem der Geschäftsführer seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend erbrachte, sofern die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort nicht dem Willen der Parteien, wie er sich aus den zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen ergibt, zuwiderlief.

3. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, die darin bestehen, dass eine Gesellschaft ihren ehemaligen Geschäftsführer wegen einer ihm zur Last gelegten unerlaubten Handlung verklagt, ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass eine solche Klage eine unerlaubte Handlung oder eine ihr gleichgestellte Handlung betrifft, wenn das dem Geschäftsführer zur Last gelegte Verhalten nicht als Verletzung seiner gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen angesehen werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Das vorlegende Gericht hat auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände der Rechtssache den engsten Anknüpfungspunkt mit dem Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens und dem Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs zu ermitteln.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nrn. 1 und 3 sowie von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) und von Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Holterman Ferho Exploitatie BV (im Folgenden: Holterman Ferho Exploitatie), der Ferho Bewehrungsstahl GmbH (im Folgenden: Ferho Bewehrungsstahl), der Ferho Vechta GmbH (im Folgenden: Ferho Vechta) sowie der Ferho Frankfurt GmbH (im Folgenden: Ferho Frankfurt) (im Folgenden gemeinsam: vier Gesellschaften) einerseits und Herrn Spies von Büllesheim andererseits wegen dessen Haftung als Geschäftsführer dieser Gesellschaften und einer gegen ihn gerichteten Klage auf Zahlung von Schadensersatz.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Brüsseler Übereinkommen

3          Art. 5 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der Fassung der Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden:

1.         wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem das Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; wenn ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet; verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, so kann der Arbeitgeber auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, in dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand;

…“

Verordnung Nr. 44/2001

4          Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.“

5          Art. 5 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.         a)         wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b)         im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

– für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

– für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

c)         ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a);

2          …

3.         wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

…“

6          Art. 18, der zu Abschnitt 5 („Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge“) von Kapitel II der Verordnung Nr. 44/2001 gehört, sieht in Abs. 1 vor:

„Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt.“

7          Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Die Klage des Arbeitgebers kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat.“

8          Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Gesellschaften und juristische Personen haben für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich

a)         ihr satzungsmäßiger Sitz,

b)         ihre Hauptverwaltung oder

c)         ihre Hauptniederlassung

befindet.“

Niederländisches Recht

9          Das Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch, im Folgenden: BW) enthält im Zweiten Buch („Juristische Personen“) den Art. 2:9, der bestimmt:

„1. Jeder Geschäftsführer ist gegenüber der juristischen Person verpflichtet, seine Aufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen. Zur Aufgabe des Geschäftsführers gehören alle Geschäftsführungstätigkeiten, die nicht kraft Gesetzes oder aufgrund der Satzung einem oder mehreren anderen Geschäftsführern zugewiesen sind.

2. Jeder Geschäftsführer ist für den allgemeinen Geschäftsgang verantwortlich. Er haftet im Fall von unzulänglicher Geschäftsführung umfassend, es sei denn, dass ihm u. a. in Anbetracht der anderen Geschäftsführern zugewiesenen Aufgaben kein ernsthafter Vorwurf gemacht werden kann und dass ihm bei der Ergreifung der Maßnahmen zur Abwendung der Folgen unzulänglicher Geschäftsführung keine Nachlässigkeit vorzuwerfen ist.“

10        Das Sechste Buch („Allgemeiner Teil des Schuldrechts“) des BW enthält in Titel 3 („Unerlaubte Handlung“) folgenden Art. 6:162:

„1. Wer gegenüber einem anderen eine unerlaubte Handlung vornimmt, die ihm zugerechnet werden kann, ist verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der dem anderen hieraus entsteht.

2. Als unerlaubte Handlung ist jeder Verstoß gegen ein Recht und jede Handlung oder Unterlassung anzusehen, die gegen eine gesetzliche Pflicht oder gegen eine nach der Verkehrssitte bestehende ungeschriebene Rechtsvorschrift verstößt, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

3. Eine unerlaubte Handlung ist dem Handelnden zuzurechnen, wenn sie durch ihn verschuldet wurde oder auf eine Ursache zurückzuführen ist, die ihm nach dem Gesetz oder den im Verkehr geltenden Auffassungen zuzurechnen ist.“

11        In Titel 10 („Arbeitsvertrag“) des Siebten Buchs („Besondere Verträge“) des BW bestimmt Art. 7:661:

„1. Fügt ein Arbeitnehmer bei der Durchführung des Vertrags dem Arbeitgeber oder einem Dritten, dem der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet ist, einen Schaden zu, so haftet er dem Arbeitgeber nicht, es sei denn, der Schaden ist die Folge seines Vorsatzes oder seiner bewussten Fahrlässigkeit. Aufgrund der Umstände des Falles kann, auch unter Berücksichtigung der Art des Vertrags, etwas anders gelten als das, was Satz 1 bestimmt.

2. Eine Abweichung von Abs. 1 und von Art. 170 Abs. 3 des Sechsten Buchs zum Nachteil des Arbeitnehmers ist nur aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung möglich und nur soweit der Arbeitnehmer in dieser Hinsicht versichert ist.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12        Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich, dass Holterman Ferho Exploitatie eine Holdinggesellschaft mit Sitz in den Niederlanden ist. Sie hat drei Tochtergesellschaften nach deutschem Recht, nämlich Ferho Bewehrungsstahl, Ferho Vechta und Ferho Frankfurt, die alle in Deutschland ansässig sind.

13        Mit Beschluss vom 25. April 2001 ernannte die Gesellschafterversammlung von Holterman Ferho Exploitatie Herrn Spies von Büllesheim, einen deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland, der auch Geschäftsführer und Prokurist der drei deutschen Tochtergesellschaften war, zu ihrem Direktor.

14        Am 7. Mai 2001 unterzeichneten Holterman Ferho Exploitatie und Herr Spies von Büllesheim einen auf Deutsch abgefassten Vertrag, in dem seine Ernennung zum Direktor bestätigt wurde und seine damit verbundenen Rechte und Pflichten beschrieben wurden (im Folgenden: Vertrag vom 7. Mai 2001).

15        Am 20. Juli 2001 wurde Herr Spies von Büllesheim Geschäftsführer von Holterman Ferho Exploitatie.

16        Wie sich aus den von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Informationen ergibt, besaß Herr Spies von Büllesheim auch Anteile an Holterman Ferho Exploitatie; die Mehrheit der Anteile an dieser Gesellschaft wurde jedoch von Herrn Holterman gehalten.

17        Das Vertragsverhältnis zwischen Herrn Spies von Büllesheim und Ferho Frankfurt endete am 31. Dezember 2005, die Vertragsverhältnisse zwischen ihm und Holterman Ferho Exploitatie, Ferho Bewehrungsstahl und Ferho Vechta am 31. Dezember 2006.

18        Da die vier Gesellschaften Herrn Spies von Büllesheim schwere Fehler bei der Erfüllung seiner Aufgaben zur Last legten, erhoben sie bei der Rechtbank Almelo (Niederlande) gegen ihn eine Klage auf Feststellung und auf Schadensersatz.

19        Sie trugen in erster Linie vor, Herr Spies von Büllesheim habe seine Aufgaben als Geschäftsführer nicht ordnungsgemäß erfüllt, so dass er ihnen gegenüber nach Art. 2:9 BW hafte. Er habe bei der Erfüllung seines Arbeitsvertrags vorsätzlich oder bewusst fahrlässig im Sinne von Art. 7:661 BW gehandelt. Hilfsweise machten sie geltend, dass die von Herrn Spies von Büllesheim bei der Ausführung seiner Aufgaben begangenen Fehler eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 6:162 BW darstellten.

20        Herr Spies von Büllesheim wandte ein, dass die niederländischen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig seien.

21        Die Rechtbank Almelo entschied, dass sie weder nach Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 noch nach deren Art. 5 Nr. 3 zuständig sei.

22        Der Gerechtshof te Arnhem bestätigte das Urteil der Rechtbank Almelo.

23        Soweit sich die Klage von Holterman Ferho Exploitatie auf die nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung dieser Gesellschaft durch Herrn Spies von Büllesheim stützte, stellte der Gerechtshof te Arnhem fest, dass sich aus der Verordnung Nr. 44/2001 kein besonderer Gerichtsstand ergebe, so dass im Prinzip die Grundregel in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung zum Tragen komme. Daher könne Herr Spies von Büllesheim nur vor einem deutschen Gericht verklagt werden.

24        Soweit sich die Klage von Holterman Ferho Exploitatie auf die Haftung von Herrn Spies von Büllesheim für die unzulängliche Erfüllung des Vertrags vom 7. Mai 2001 stützte, führte der Gerechtshof te Arnhem aus, dass dieser Vertrag als „individueller Arbeitsvertrag“ im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 zu qualifizieren sei. Eine Klage des Arbeitgebers könne daher gemäß Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz habe. Da Herr Spies von Büllesheim seinen Wohnsitz in Deutschland habe, seien die niederländischen Gerichte für die erhobenen Klagen nicht zuständig.

25        Dies gelte auch, soweit die Klage von Holterman Ferho Exploitatie eine unerlaubte Handlung oder eine ihr gleichgestellte Handlung betreffe. Eine Klage aus unerlaubter Handlung oder einer ihr gleichgestellten Handlung, die mit einer auf einen „individuellen Arbeitsvertrag“ im Sinne von Art. 18 der Verordnung Nr. 44/2001 gestützten Klage zusammenhänge, könne nicht zur Zuständigkeit der niederländischen Gerichte führen, da Kapitel II Abschnitt 5 dieser Verordnung eine besondere Zuständigkeitsregel enthalte, die von den in Art. 5 Nrn. 1 und 3 der Verordnung vorgesehenen Regeln abweiche.

26        Die vier Gesellschaften legten gegen das Urteil des Gerechtshof te Arnhem beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde ein.

27        Mit ihrer Beschwerde machen sie geltend, dass der Gerechtshof te Arnhem einen Rechtsfehler begangen oder sein Urteil unzureichend begründet habe. Sie rügen die Auslegung und Anwendung der hier relevanten Zuständigkeitsregeln der Verordnung Nr. 44/2001, nämlich der Art. 5 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 3, 18 Abs. 1 und 20 Abs. 1 in ihrem wechselseitigen Zusammenhang. Sie werfen dem Gerechtshof te Arnhem insbesondere vor, dass er die niederländischen Gerichte für unzuständig erklärt habe, über ihre auf die Nichteinhaltung der Verpflichtungen von Herrn Spies von Büllesheim im Rahmen seiner Aufgaben als Geschäftsführer von Holterman Ferho Exploitatie gestützten Klagen zu entscheiden.

28        Der Hoge Raad der Nederlanden weist darauf hin, dass im niederländischem Recht zwischen der Haftung einer Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer einer Gesellschaft wegen Verletzung ihrer gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben nach Art. 2:9 BW oder wegen unerlaubter Handlung im Sinne von Art. 6:162 BW einerseits und ihrer unabhängig von dieser Eigenschaft bestehenden Haftung als Arbeitnehmer dieser Gesellschaft wegen Vorsatzes oder bewusster Fahrlässigkeit bei der Erfüllung des Arbeitsvertrags im Sinne von Art. 7:661 BW andererseits unterschieden werde.

29        Um zu klären, ob die niederländischen Gerichte für die Entscheidung der Rechtssache zuständig seien, müsse das Verhältnis zwischen den Zuständigkeitsregeln in Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung Nr. 44/2001 einerseits und den Zuständigkeitsregeln in Art. 5 Nrn. 1 Buchst. a und 3 der Verordnung andererseits geprüft werden. Insbesondere stelle sich die Frage, ob Abschnitt 5 der Anwendung von Art. 5 Nrn. 1 Buchst. a und 3 in einem Fall wie dem vorliegenden entgegenstehe, in dem der Beklagte von einer Gesellschaft nicht nur in seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung seiner Aufgaben oder wegen unerlaubter Handlung in Haftung genommen werde, sondern auch unabhängig von dieser Eigenschaft wegen Vorsatzes oder bewusster Fahrlässigkeit bei der Erfüllung des zwischen ihm und der Gesellschaft geschlossenen Arbeitsvertrags.

30        Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.         Sind die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass sie der Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a oder Art. 5 Nr. 3 dieser Verordnung in einem Fall wie dem vorliegenden entgegenstehen, in dem der Beklagte von einer Gesellschaft nicht nur in seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung seiner Aufgaben oder wegen unerlaubter Handlung, sondern auch unabhängig von dieser Eigenschaft wegen Vorsatzes oder bewusster Fahrlässigkeit bei der Erfüllung des zwischen ihm und der Gesellschaft geschlossenen Arbeitsvertrags in Haftung genommen wird?

2.         a) Ist, wenn Frage 1 zu verneinen ist, der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er auch einen Fall wie den vorliegenden erfasst, in dem eine Gesellschaft eine Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen Verletzung ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgabe in Haftung nimmt?

b) Ist, wenn Frage 2 a zu bejahen ist, der Begriff „Ort, an dem die [der Klage zugrunde liegende] Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ in Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er den Ort meint, an dem der Geschäftsführer seine gesellschaftsrechtliche Aufgabe erfüllt hat oder zu erfüllen gehabt hätte, was in der Regel der Ort der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung der betreffenden Gesellschaft im Sinne von Art. 60 Abs. 1 Buchst. b bzw. c dieser Verordnung sein wird?

3.         a) Ist, wenn Frage 1 zu verneinen ist, der Begriff „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er auch einen Fall wie den vorliegenden erfasst, in dem eine Gesellschaft eine Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgabe oder wegen unerlaubter Handlung in Haftung nimmt?

b) Ist, wenn Frage 3 a zu bejahen ist, der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er den Ort meint, an dem der Geschäftsführer seine gesellschaftsrechtliche Aufgabe erfüllt hat oder zu erfüllen gehabt hätte, was in der Regel der Ort der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung der betreffenden Gesellschaft im Sinne von Art. 60 Abs. 1 Buchst. b bzw. c dieser Verordnung sein wird?

Zu den Vorlagefragen

31        Zunächst ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht, da bei ihm im Einklang mit den Regeln des nationalen Rechts eine Klage erhoben wurde, mit der eine Person sowohl in ihrer Eigenschaft als Direktor als auch in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Gesellschaft sowie wegen unerlaubter Handlung in Haftung genommen wird, den Gerichtshof um die Auslegung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge im Sinne von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung, für Klagen, bei denen „ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ den Gegenstand des Verfahrens bilden, im Sinne von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung und für Klagen, bei denen „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ den Gegenstand des Verfahrens bilden, im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ersucht.

32        Insoweit bedeutet der bloße Umstand, dass sich ein Kläger in seiner Klageschrift auf mehrere haftungsbegründende Anspruchsgrundlagen stützt, noch nicht, dass diese Klage unter jede der angeführten Bestimmungen fallen kann. Dies ist nur dann so, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die diesen Bestimmungen zu entnehmenden Verpflichtungen angesehen werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (vgl. entsprechend Urteil Brogsitter, C548/12, EU:C:2014:148, Rn. 24).

Zur ersten Frage

33        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen sind, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der eine Gesellschaft eine Person, die als ihr Direktor und Geschäftsführer tätig war, verklagt, um die von dieser Person in Wahrnehmung ihrer Aufgaben begangenen Fehler feststellen zu lassen und Schadensersatz zu erlangen, der Anwendung von Art. 5 Nrn. 1 und 3 der Verordnung entgegenstehen.

34        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Frage der Anwendung der in Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehenen besonderen Zuständigkeitsregeln im vorliegenden Fall nur dann stellt, wenn davon ausgegangen werden kann, dass Herr Spies von Büllesheim durch einen „individuellen Arbeitsvertrag“ im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung mit der Gesellschaft, deren Direktor und Geschäftsführer er war, verbunden war und daher als „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 18 Abs. 2 eingestuft werden kann.

35        Zum einen ist festzustellen, dass in der Verordnung Nr. 44/2001 weder der Begriff „individueller Arbeitsvertrag“ noch der Begriff „Arbeitnehmer“ definiert wird.

36        Zum anderen lässt sich die Frage der Einstufung der Beziehung zwischen Herrn Spies von Büllesheim und der genannten Gesellschaft nicht auf der Grundlage des nationalen Rechts lösen (vgl. entsprechend Urteil Kiiski, C116/06, EU:C:2007:536, Rn. 26).

37        Um die volle Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001 und insbesondere ihres Art. 18 zu gewährleisten, sind nämlich die darin enthaltenen Rechtsbegriffe in autonomer, allen Mitgliedstaaten gemeinsamer Weise auszulegen (Urteil Mahamdia, C154/11, EU:C:2012:491, Rn. 42).

38        Da die Verordnung Nr. 44/2001 das Brüsseler Übereinkommen ersetzt hat, gilt die Auslegung der Bestimmungen dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof auch für die Verordnung, soweit die Bestimmungen dieser Gemeinschaftsrechtsakte als gleichbedeutend angesehen werden können (Urteil Zuid-Chemie, C189/08, EU:C:2009:475, Rn. 18).

39        Der Gerichtshof hat zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens, der die Grundlage für den Erlass der Art. 18 bis 21 der Verordnung Nr. 44/2001 bildete, bereits entschieden, dass Arbeitsverträge insofern bestimmte Besonderheiten aufweisen, als sie eine dauerhafte Beziehung begründen, durch die der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise in den Betrieb des Unternehmens oder des Arbeitgebers eingegliedert wird, und als ihr räumlicher Bezugspunkt der Ort der Tätigkeit als der für die Anwendung von Vorschriften zwingenden Rechts und von Tarifverträgen maßgebliche Ort ist (Urteil Shenavai, 266/85, EU:C:1987:11, Rn. 16).

40        Diese Auslegung wird durch Nr. 41 des Berichts von Herrn Jenard und Herrn Möller über das am 16. September 1988 in Lugano unterzeichnete Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1990, C 189, S. 57) bestätigt, wonach in Bezug auf den autonomen Begriff des Arbeitsvertrags angenommen werden kann, dass dieser eine Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraussetzt.

41        Überdies hat der Gerichtshof zum Begriff des Arbeitnehmers bei der Auslegung von Art. 45 AEUV sowie mehrerer Rechtsakten der Union wie der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) entschieden, dass das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin besteht, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl., im Zusammenhang mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Urteil Lawrie-Blum, 66/85, EU:C:1986:284, Rn. 16 und 17, sowie, im Zusammenhang mit der Richtlinie 92/85, Urteil Danosa, C232/09, EU:C:2010:674, Rn. 39).

42        Diese Gesichtspunkte sind auch beim Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Art. 18 der Verordnung Nr. 44/2001 zu berücksichtigen.

43        Was die Zielsetzung von Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung Nr. 44/2001 angeht, genügt der Hinweis, dass die Verordnung, wie sich aus ihrem 13. Erwägungsgrund ergibt, den schwächeren Parteien von Verträgen, u. a. von Arbeitsverträgen, abweichend von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften besonderen Schutz gewähren soll.

44        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen von Abschnitt 5 nicht nur besonderen, sondern auch abschließenden Charakter haben (Urteil Glaxosmithkline und Laboratoires Glaxosmithkline, C462/06, EU:C:2008:299, Rn. 18).

45        Im Licht der vorstehenden Erwägungen wird das vorlegende Gericht anhand der in den Rn. 39 und 41 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Kriterien zu prüfen haben, ob Herr Spies von Büllesheim im vorliegenden Fall in seiner Eigenschaft als Direktor und Geschäftsführer von Holterman Ferho Exploitatie während einer bestimmten Zeit für diese Gesellschaft und nach deren Weisung Leistungen erbrachte, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhielt, und zu dieser Gesellschaft in einer dauerhaften Beziehung stand, durch die er in einer bestimmten Weise in ihren Betrieb eingegliedert wurde.

46        Das Vorliegen speziell des Unterordnungsverhältnisses muss in jedem Einzelfall anhand aller Gesichtspunkte und aller Umstände, die die Beziehungen zwischen den Beteiligten kennzeichnen, geprüft werden (Urteil Balkaya, C229/14, EU:C:2015:455, Rn. 37).

47        Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, inwieweit Herr Spies von Büllesheim in seiner Eigenschaft als Anteilseigner von Holterman Ferho Exploitatie in der Lage war, auf die Willensbildung des Verwaltungsorgans dieser Gesellschaft, deren Geschäftsführer er war, Einfluss zu nehmen. In diesem Fall wird festzustellen sein, wer befugt war, ihm Weisungen zu erteilen und deren Umsetzung zu kontrollieren. Sollte sich herausstellen, dass die Einflussmöglichkeit von Herrn Spies von Büllesheim auf dieses Organ nicht unerheblich war, läge kein Unterordnungsverhältnis im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Arbeitnehmerbegriff vor.

48        Sollte das vorlegende Gericht nach der Prüfung aller oben genannten Gesichtspunkte feststellen, dass Herr Spies von Büllesheim in seiner Eigenschaft als Direktor und Geschäftsführer mit Holterman Ferho Exploitatie durch einen „individuellen Arbeitsvertrag“ im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 verbunden war, hätte es die in Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitsregeln anzuwenden.

49        Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen sind, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der eine Gesellschaft eine Person, die als ihr Direktor und Geschäftsführer tätig war, verklagt, um die von dieser Person in Wahrnehmung ihrer Aufgaben begangenen Fehler feststellen zu lassen und Schadensersatz zu erlangen, der Anwendung von Art. 5 Nrn. 1 und 3 dieser Verordnung entgegenstehen, sofern diese Person in ihrer Eigenschaft als Direktor und Geschäftsführer während einer bestimmten Zeit der Gesellschaft nach deren Weisung Leistungen erbrachte und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhielt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Zur zweiten Frage

50        Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass eine Klage, die eine Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer erhebt, weil er die ihm obliegenden gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen verletzt haben soll, unter den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ fällt. Sollte dies zu bejahen sein, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Ort, an dem die der Klage zugrunde liegende Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, dem in Art. 60 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung genannten Ort entspricht.

51        Diese Frage ist für die Entscheidung im Ausgangsverfahren von Bedeutung, falls das vorlegende Gericht nach einer Prüfung der zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage angeführten Gesichtspunkte feststellen sollte, dass Herr Spies von Büllesheim seine Aufgaben nicht als Arbeitnehmer von Holterman Ferho Exploitatie erfüllte.

52        Zur Beantwortung des ersten Teils der zweiten Frage ist darauf hinzuweisen, dass der in Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 enthaltene Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer zwischen den Parteien aus freiem Willen eingegangenen Verpflichtung voraussetzt (vgl. Urteil Česká spořitelna, C419/11, EU:C:2013:165, Rn. 46).

53        Wie der Generalanwalt in Nr. 46 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind Herr Spies von Büllesheim und Holterman Ferho Exploitatie insofern gegenseitige freiwillige Verpflichtungen eingegangen, als sich Herr Spies von Büllesheim verpflichtete, die Gesellschaft zu leiten und zu verwalten, während diese sich verpflichtete, dafür eine Vergütung zu zahlen, so dass von einer vertraglichen Natur ihres Verhältnisses ausgegangen werden kann; folglich fällt die Klage der Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer wegen der ihm zur Last gelegten Verletzung seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner gesellschaftsrechtlichen Aufgabe unter den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001.

54        Insoweit schafft die Tätigkeit eines Geschäftsführers nämlich enge Verbindungen, die von derselben Art sind wie jene, die zwischen den Parteien eines Vertrags bestehen, so dass die Annahme berechtigt ist, dass die Klage der Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer wegen der ihm zur Last gelegten Verletzung seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner gesellschaftsrechtlichen Aufgabe unter den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 fällt (vgl. entsprechend Urteil Peters Bauunternehmung, 34/82, EU:C:1983:87, Rn. 13).

55        Hinsichtlich der Frage des „Ortes“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, an dem die der Klage zugrunde liegende Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, ist danach zu unterscheiden, ob die Klage unter Art. 5 Nr. 1 Buchst. a oder unter Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung fällt.

56        Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der in Art. 5 Nr. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Rangordnung zwischen Buchst. a und Buchst. b die Zuständigkeitsregel in Art. 5 Nr. 1 Buchst. a nur alternativ und nur dann greift, wenn die Zuständigkeitsregeln in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b nicht einschlägig sind (Urteil Corman-Collins, C9/12, EU:C:2013:860, Rn. 42).

57        Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass ein Vertrag, dessen charakteristische Verpflichtung eine Dienstleistung ist, als „Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 einzustufen sein wird (Urteil Car Trim, C381/08, EU:C:2010:90, Rn. 32). Der Begriff Dienstleistungen bedeutet zumindest, dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt (Urteil Falco Privatstiftung und Rabitsch, C533/07, EU:C:2009:257, Rn. 29).

58        Im Rahmen des Gesellschaftsrechts ist, soweit die charakteristische Verpflichtung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit gegen Entgelt impliziert, diese Tätigkeit als „Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 einzustufen.

59        Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, an welchem Ort die der Klage zugrunde liegende Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

60        In Anbetracht des Wortlauts von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001, wonach maßgebend ist, an welchem Ort in einem Mitgliedstaat die Dienstleistungen „nach dem Vertrag“ erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen, ist der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung nach Möglichkeit aus den Bestimmungen des Vertrags selbst abzuleiten (Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, C19/09, EU:C:2010:137, Rn. 38).

61        Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass der Vertrag vom 7. Mai 2001 keine Klausel enthielt, nach der Herr Spies von Büllesheim seine Tätigkeiten zwingend an einem bestimmten Ort auszuüben hatte.

62        Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der Satzung von Holterman Ferho Exploitatie oder aller anderen Dokumente, in denen die Verpflichtungen des Geschäftsführers gegenüber dieser Gesellschaft festgelegt sind, zu prüfen, ob daraus der Ort abgeleitet werden kann, an dem Herr Spies von Büllesheim seine Dienstleistungen hauptsächlich erbrachte.

63        Lässt sich weder aus den Bestimmungen der Satzung von Holterman Ferho Exploitatie noch aus einem anderen Dokument, in dem die Verpflichtungen des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft festgelegt sind, der Ort bestimmen, an dem die Dienstleistungen von Herrn Spies von Büllesheim hauptsächlich erbracht wurden, ist zu berücksichtigen, dass die Dienstleistungen für Rechnung dieser Gesellschaft erbracht wurden.

64        Wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist es mangels abweichender Angaben in der Satzung der Gesellschaft oder in einem anderen Dokument Sache des vorlegenden Gerichts, den Ort zu bestimmen, an dem Herr Spies von Büllesheim seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend erbrachte, sofern die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort nicht dem Willen der Parteien, wie er sich aus den zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen ergibt, zuwiderlief. Dabei können insbesondere die an den betreffenden Orten verbrachte Zeit und die Bedeutung der dort entfalteten Tätigkeiten berücksichtigt werden, wobei es dem nationalen Gericht obliegt, seine Zuständigkeit anhand der ihm vorgelegten Beweise zu bestimmen.

65        Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass eine Klage, die eine Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer erhebt, weil er die ihm obliegenden gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen verletzt haben soll, unter den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ fällt. Mangels abweichender Angaben in der Satzung der Gesellschaft oder in einem anderen Dokument ist es Sache des vorlegenden Gerichts, den Ort zu bestimmen, an dem der Geschäftsführer seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend erbrachte, sofern die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort nicht dem Willen der Parteien, wie er sich aus den zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen ergibt, zuwiderlief.

Zur dritten Frage

66        Mit seiner dritten Frage möchte der Hoge Raad der Nederlanden wissen, ob Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung – sofern das anwendbare nationale Recht es gestattet, zugleich auf der Grundlage einer vertraglichen Beziehung und einer unerlaubten Handlung oder einer ihr gleichgestellten Handlung Klage zu erheben – einen Fall wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfasst, in dem eine Gesellschaft eine Person sowohl in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft als auch wegen unerlaubter Handlung verklagt. Sollte dies zu bejahen sein, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, dem in Art. 60 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung genannten Ort entspricht.

67        Die dritte Frage ist ebenso wie die zweite Frage für die Entscheidung im Ausgangsverfahren von Bedeutung, falls das vorlegende Gericht nach einer Prüfung der zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage angeführten Gesichtspunkte feststellen sollte, dass Herr Spies von Büllesheim seine Aufgaben nicht als Arbeitnehmer von Holterman Ferho Exploitatie erfüllte.

68        Nach ständiger Rechtsprechung ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 auf jede Klage anwendbar, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung anknüpft (vgl. u. a. Urteil Brogsitter, C548/12, EU:C:2014:148, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69        Wie sich aus der Antwort auf die zweite Frage ergibt, ist das Rechtsverhältnis zwischen einer Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer als „Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 einzustufen.

70        Soweit das nationale Recht es gestattet, eine Klage der Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer auf eine ihm zur Last gelegte unerlaubte Handlung zu stützen, kann eine solche Klage folglich nur dann eine unerlaubte Handlung oder eine ihr gleichgestellte Handlung im Sinne der Zuständigkeitsregel in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 betreffen, wenn sie nicht an das vertragliche Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer anknüpft.

71        Kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, das dem Geschäftsführer zur Last gelegte Verhalten als Verletzung seiner vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden, ist daher das in Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bezeichnete Gericht für die Entscheidung über dieses Verhalten zuständig. Im umgekehrten Fall kommt die Zuständigkeitsregel in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung zur Anwendung (vgl. entsprechend Urteil Brogsitter, C548/12, EU:C:2014:148, Rn. 24 bis 27).

72        Insoweit ist festzustellen, dass Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 autonom und eng auszulegen ist (Urteil CDC Hydrogen Peroxide, C352/13, EU:C:2015:335, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Mit der Wendung Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (Urteil Coty Germany, C360/12, EU:C:2014:1318, Rn. 46).

73        Nach ständiger Rechtsprechung beruht die Zuständigkeitsregel in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 darauf, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses die Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (Urteil CDC Hydrogen Peroxide, C352/13, EU:C:2015:335, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74        Bei unerlaubten Handlungen oder ihnen gleichgestellten Handlungen ist nämlich das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage, den Rechtsstreit zu entscheiden (Urteil CDC Hydrogen Peroxide, C352/13, EU:C:2015:335, Rn. 40).

75        Da die Ermittlung eines der Anknüpfungspunkte, die in der in Rn. 72 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung anerkannt sind, es erlauben muss, die Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, das objektiv am besten beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten vorliegen, ist demnach nur die Anrufung des Gerichts zulässig, in dessen Zuständigkeitsbereich der relevante Anknüpfungspunkt liegt (Urteil CDC Hydrogen Peroxide, C352/13, EU:C:2015:335, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76        Hinsichtlich des Ortes des für den Schaden ursächlichen Geschehens ist, wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, zu berücksichtigen, dass dieser sich dort befinden kann, wo Herr Spies von Büllesheim seine Aufgaben als Geschäftsführer der Gesellschaft Holterman Ferho Exploitatie erfüllte.

77        Der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Ort, an dem sich der von der Gesellschaft behauptete Schaden konkret zeigt (in diesem Sinne Urteil CDC Hydrogen Peroxide, C352/13, EU:C:2015:335, Rn. 52).

78        Im vorliegenden Fall wird das vorlegende Gericht zur Klärung der Frage, wo die unerlaubte Handlung von Herrn Spies von Büllesheim bei der Ausübung seiner Funktionen als Geschäftsführer den Schaden herbeiführen konnte, auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Angaben zu berücksichtigen haben, dass der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ nicht so weit ausgelegt werden darf, dass er jeden Ort erfasst, an dem die nachteiligen Folgen eines Umstands spürbar sind, der bereits einen tatsächlich an einem anderen Ort eingetretenen Schaden verursacht hat.

79        Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, die darin bestehen, dass eine Gesellschaft ihren ehemaligen Geschäftsführer wegen einer ihm zur Last gelegten unerlaubten Handlung verklagt, Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass eine solche Klage eine unerlaubte Handlung oder eine ihr gleichgestellte Handlung betrifft, wenn das dem Geschäftsführer zur Last gelegte Verhalten nicht als Verletzung seiner gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen angesehen werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Das vorlegende Gericht hat auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände der Rechtssache den engsten Anknüpfungspunkt mit dem Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens und dem Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs zu ermitteln.

Kosten

80        Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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