LG München: Die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems gehört zur Gesamtverantwortung des Vorstands
LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, n. rkr. (Az. OLG München 7 U 113/14)
amtliche Leitsätze
1. Im Rahmen seiner Legalitätspflicht hat ein Vorstandsmitglied dafür Sorge zu tragen, dass Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Gesetzesverstöße wie Schmiergeldzahlungen an Amtsträger eines ausländischen Staates oder an ausländische Privatpersonen erfolgen. Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet. Entscheidend für den Umfang im Einzelnen sind dabei Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz wie auch Verdachtsfälle aus der Vergangenheit. 2. Die Einhaltung des Legalitätsprinzips und demgemäß die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems gehört zur Gesamtverantwortung des Vorstands. 3. Liegt die Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds in einem Unterlassen, beginnt die Verjährung im Falle der Nachholbarkeit der unterlassenen Handlung nicht schon dann, wenn die Verhinderungshandlung spätestens hätte erfolgen müssen, sondern erst dann, wenn die Nachholbarkeit endet. 4. Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB betreffen einen bestimmten Lebenssachverhalt, aus dem die eine Seite Rechte herleitet, wobei der Lebenssachverhalt grundsätzlich in seiner Gesamtheit verhandelt wird. Die Aufnahme von Verhandlungen führt dazu, dass dieser Umstand auf den Zeitpunkt des ersten Anspruchsschreibens zurückwirkt.
§ 93 Abs. 2 S. 1 AktG
Sachverhalt
Die Parteien streiten mittels offener Teilklage und Widerklage um das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Klägerin sowie Vergütungsansprüchen des Beklagten aus dessen Tätigkeit als Vorstand der Klägerin.
I. 1. Der Beklagte begann seine Tätigkeit bei der Klägerin – einem weltweit tätigen Unternehmen mit rund 400 000 Mitarbeitern und Aktivitäten in den Gebieten Industrie, Energie und Gebäudetechnik, dessen Aktien unter anderem an der Frankfurter Wertpapierbörse und seit März 2001 auch an der New York Stock Exchange notiert sind – im Jahr 1989 und wurde in der Folgezeit stellvertretender Leiter der Zentralabteilung Finanzen sowie stellvertretendes Mitglied des Vorstands der Klägerin. Mit Wirkung zum Februar 1998 rückte er zum Leiter der Zentralabteilung Corporate Finance auf und wurde damit zugleich ordentliches Vorstandsmitglied der Klägerin sowie Mitglied des Zentralvorstandes, aus dem er im April 2006 ausschied.
Der Gesamtvorstand der Klägerin nahm nach § 5 Ziff. 1 der Geschäftsordnung des Vorstandes die nach dem Aktiengesetz festgelegten Rechte und Pflichten des Vorstandes wahr. Er entwickelte die strategische Ausrichtung des Unternehmens und sorgte für ihre Umsetzung. Zudem hatte er nach § 2 Ziff. 2 der Geschäftsordnung die Aufgabe, für ein angemessenes Risikomanagement und -controlling Sorge zu tragen. Die übrigen nicht durch Gesetz oder Satzung dem Gesamtvorstand zugewiesenen Aufgaben nahm der Zentralvorstand der Klägerin aufgrund von § 5 Ziff. 2 der Geschäftsordnung wahr. Dabei war der Zentralvorstand der Klägerin ein Ausschuss des Gesamtvorstandes; er hatte die Aufgabe, das in den Geschäftsbereichen der Klägerin geführte operative Geschäft zu überwachen. Ihm gehörten neben dem Vorstandsvorsitzenden und den Leitern der Zentralabteilungen Finanzen und Personal weitere Vorstandsmitglieder an, die mit Zustimmung des Aufsichtsrats vom Vorstand gewählt wurden. Mitglieder des Gesamtvorstandes, die nicht zugleich auch Mitglied des Zentralvorstandes waren, wurden innerhalb der Klägerin auch als „stellvertretende Vorstände“ bezeichnet. Den einzelnen Zentralvorständen waren nach § 10 Ziff. 1 der Geschäftsordnung einzelne Geschäftsbereich sowie bestimmte Regionen der Welt zur Betreuung zugeordnet. Die Zentralabteilungen der Klägerin wurden entweder von Zentralvorständen selbst geführt oder wurden ihnen zur Überwachung zugewiesen. Die Geschäftsbereiche der Klägerin waren eigenständige unternehmerische Einheiten, die von sogenannten Bereichsvorständen geleitet wurden, die im Rahmen der Unternehmenspolitik und der Geschäftspolitik der Klägerin selbständig handelten. Den Bereichsvorständen kam indes keine Organeigenschaft im aktienrechtlichen Sinne zu; sie unterlagen der Überwachung durch den Zentralvorstand und hatten diesem gemäß § 10 Ziff. 2 der Geschäftsordnung zu berichten.
Die vom Beklagten geführte Zentralabteilung Finanzen umfasste die Hauptabteilung Treasury (zuständig für das Disponieren und Anlegen der vorhandenen oder zufließenden finanziellen Mittel sowie die Sicherung finanzieller Risiken), das Reporting sowie die Rechtsabteilung. Zusätzlich gehörte zur Zuständigkeit des Beklagten im Zentralvorstand die Betreuung der S...Financial Services und der S...Real Estate. …
2. Vor allem in den Bereichen ICN (Information & Communications Network) und ICM (Information & Communication Mobile), die ab September 2005 unter der Bezeichnung Com (Communication) zusammengefasst wurden, hatte sich – beginnend in den 80erJahren im Bereich ICN bzw. dessen Vorgängerbereich ÖN (Öffentliche Netze) – ein System „schwarzer Kassen“ entwickelt, aus denen mit den dort geparkten finanziellen Mitteln Korruptionszahlungen geleistet wurden. Nachdem bis in die Jahre 2001 bzw. 2002 Gelder über Bargeldabhebungen oder durch Verwendung von Barschecks von deutschen Banken der Klägerin entzogen und nach Österreich geschleust wurden, installierten mehrere Mitarbeiter der Klägerin danach ein neues System, wonach Gelder der Klägerin über Scheinberaterverträge abgezogen wurden. Dieses neue System, das vor allem von dem mittlerweile strafrechtlich verurteilten Mitarbeiter, Herrn ... Si..., aus dem Bereich ICN entwickelt wurde, funktionierte im Wesentlichen dergestalt, dass Herr Si... Scheinberaterverträge mit verschiedenen Firmen von Herrn H... A... vereinbarte, auf deren Grundlage Scheinrechnungen gestellt wurden. Ein weiteres System mit Herrn P... F... wies eine dritte Ebene auf. Hier wurden wiederum zwischen der Klägerin und Drittgesellschaften von Herrn Paolo F... Scheinberaterverträge geschlossen und Scheinrechnungen gestellt. Zur weiteren Verschleierung wurden sodann durch Herrn P... F... zwischen dessen Gesellschafter und anderen auf den British Virgin Islands registrierte Briefkastenfirmen Kommissionsverträge abgeschlossen, die zur Weiterleitung der Geldflüsse dienten. Keine dieser Firmen wurde für die Klägerin tätig. Nach dem Entzug der Gelder aus dem Verantwortungsbereich der Klägerin hatte diese keine Kontrolle mehr über die entsprechenden finanziellen Mittel. Dieses System wurde vor allem bei einem Treffen im Restaurant „A... “ in M...F... beraten, bei dem außer Herrn Si... vor allem Herr H... H... als Leiter des Rechnungswesens, Herr A... K... als Leiter Audit, Herrn C... St... als kaufmännischer Leiter Carrier Networks sowie Herr M... K... teilnahmen.
3. Bereits bei einer Sitzung des Gesamtvorstands am 16.4.1999, an der ausweislich der Niederschrift auch der Beklagte teilnahm, wurden die Auswirkungen des Inkrafttretens des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Rechtsverkehr diskutiert. Der damalige Vorstandsvorsitzende der Klägerin, Herr H... P..., bezeichnete die Vielzahl von Ermittlungsverfahren als besorgniserregend. Der Vorstand wiederholte dann in einem einstimmig gefassten Beschluss die Anweisung an alle Mitarbeiter und Dienststellen, die jeweiligen örtlichen Gesetze und Rechtsvorschriften zu beachten; zugleich wies der Vorstand in dem Beschluss die Führungskräfte an, im Rahmen ihres Verantwortungsbereichs und ihrer Aufsichtspflicht für die Einhaltung der gesetzlichen und innerdienstlichen Vorschriften zu sorgen.
Am 19.7.1999 zirkulierte der Beklagte ein Memorandum (Anlage K 8) an die Mitglieder des Gesamtvorstandes; darin wies er auf den vom US-amerikanischen Gesetzgeber erlassenen Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) hin, wonach dieser für alle an einer US-Börse notierten Gesellschaften gelte und neben dem Verbot der Bestechung ausländischer Amtsträger auch Buchführungsvorschriften enthalte, die das Erzeugen und Verbergen von Schmiergeldern verhindern sollten. Unter dem 20.3.2000 bejahte der damalige Mitarbeiter der Rechtsabteilung, Herr Dr. ... W..., die Frage des Beklagten ob alles unternommen worden sei, um auf die Regeln des FCPA und der amerikanischen Börsenaufsicht hinzuweisen; zugleich verwies Herr Dr. W... aber auch darauf, dass es im Falle einer Anklage wegen Verstößen gegen den FCPA maßgeblich auf die Effizienz des gesamten Compliance-Systems, insbesondere auf die Erfüllung der Kontrollpflichten ankomme. In einem weiteren Memorandum vom 22.5.2000 (Anlage K 10) verwies Herr Dr. W... darauf, dass die Verletzung des FCPA in Betracht komme, wenn es Anhaltspunkte gebe, dass Gelder von einem nicht in den Büchern des Unternehmens mitgebuchten Konto für die Bestechung eines ausländischen Amtsträgers verwendet würden.
Der Leiter der Rechtsabteilung, Herr Dr. ... Sc..., leitete ein Schreiben des österreichischen Innenministeriums an den Raiffeisenverband Salzburg vom 6.9.2000 (Anlage K 11) an den Beklagten weiter; dieses Schreiben ging auf ein Rechtshilfeersuchen Schweizer Gerichtsbehörden betreffend Gelder des nigerianischen Ex-Diktators S... Ab... ein. Unter den in dem Schreiben aufgeführten Kontoverbindungen befand sich auch ein Konto in Salzburg, das ein Mitarbeiter der Klägerin ohne Kenntnis und Billigung des Vorstandes außerhalb der Bücher der Klägerin führte und das im Bereich ICN seit längerem für die anonymisierte Zahlung „nützlicher Aufwendungen“ genutzt wurde.
In einer Vorstandssitzung vom 23.7.2002 wies das Vorstandsmitglied Prof. Pr... auf die Notwendigkeit eines Systems zur Überprüfung der Einhaltung der Compliance-Regeln hin.
Im Oktober 2003 fielen im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung Zahlungen aus dem Bereich ICN auf der Grundlage zweifelhafter Beraterverträge an die Gesellschaft K... T... Corp. F... des Herrn A... auf. …
Im Spätsommer 2003 fiel den Abschlussprüfern von K... im Rahmen der Prüfungsarbeiten für den Com-Bereich die Abhebung größerer Geldbeträge an der Kasse in der H...straße in München auf, wobei der zuständige Prüfungsleiter bei K... den Sachverhalt Herrn M... K... sowie dem Beklagten schilderte. …
In der Folgezeit leitete der Beklagte eine interne Untersuchung durch Herrn Dr. Sc... ein. Dessen Mitarbeiter, Herr Dr. ... M... ermittelte durch Befragungen mehrerer Mitarbeiter der Klägerin, dass insgesamt über Euro 4 Mio. von der Kasse in der H...straße und bei der D... Bank abgehoben worden waren und deklariert als Baukassengeld durch ausgewählte Mitarbeiter nach Nigeria verbracht worden war. Den darüber erstellten Vermerk (Anlage K 25) leitete Herr Dr. M... am 11.11.2003 an den Beklagten weiter. …
Die Rechtsabteilung der Klägerin übermittelte am 18.11.2003 einen Vorschlag zur Reform des Compliance-System (Anlage K 30), die vom Vorstand der Klägerin nicht umgesetzt wurde. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird in vollem Umfang auf Anlage K30 Bezug genommen. Im Oktober 2004 kam es zu einer Neuorganisation der Compliance-Organisation, die in dem Z-Rundschreiben Nummer 5/2005 „Compliance“ vom 1.10.2004 (Anlage K32) innerhalb des Unternehmens zirkuliert wurde. Nach der Ausarbeitung dieser Vorschläge zu einer Compliance-Reform durch die Rechtsabteilung (Anlage K 30) wies Herr Dr. Sc... entsprechend einer Notiz vom 1.12.2003 (Anlage K 31) darauf hin, der seit 18.11.2003 vorliegende Vorschlag für die Änderung der Compliance-Organisation sei bislang nicht besprochen worden. Unter dem 1.10.2004 verfasste der Zentralvorstand sodann ein Z-Rundschreiben Nr. 5/2005 (Anlage K 32) in dem ausgeführt wurde, dass die Wahrnehmung der Compliance-Aufgaben bei Corporate Personal (CP) zusammengefasst sei und dass in Erfüllung dieser Aufgaben ein Chief Compliance Officer (CCO) bestellt werde; zum CCO wurde mit Wirkung vom 1.10.2004 Herr Dr. ... Sc... zusätzlich zu seinen Aufgaben als Leiter der Hauptabteilung CP W bestellt; zudem wurde in dem Rundschreiben auf die Einrichtung eines dem CCO unterstellten Compliance Office hingewiesen. Ein Rundschreiben zum Thema „Beraterverträge“ (Anlage K44) datierte vom 29.6.2005. In der Vorstandssitzung vom 09.11.2004 berichtete Herr Dr. Sc... über die laufenden Ermittlungen in Sachen E... und gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin aus dem GP-Bereich, zu dem auch der ehemalige kaufmännische Leiter gehörte. …
Am 4.8.2004 initiierte der Beklagte ein Rundschreiben, wonach Barabhebungen von Konten in einer Höhe, die aufgrund der lokalrechtlichen Bedingungen bezüglich Geldwäsche zu einer Meldepflicht führen würden, nur nach einer ausdrücklichen Genehmigung des Chief Financial Officers des Kontoinhabers gestattet seien und dass die Verwendung der abzuhebenden Mittel im Detail zu dokumentieren sei.
Das LG München I verhängte gegen die Klägerin als Nebenbeteiligte im Strafverfahren gegen Herrn ... Si... mit Beschluss vom 4.10.2007, Az. 5 KLs 563 Js 45994/07 (Anlage K 58) ein Bußgeld in Höhe von Euro 201 000.000,, das sich aus einem Ahndungsteil in Höhe von Euro 1.000.000, und einem Abschöpfungsteil von Euro 200 000.000, zusammensetzte. Unter dem 15.12.2008 erließ die Staatsanwaltschaft München I einen Bußgeldbescheid (Anlage K 59) gegen die Klägerin über Euro 395.000.000,, wovon Euro 394,75 Mio. eine Abschöpfung und Euro 250.000, eine Ahndung bedeuteten. Aufgrund des Senctencing Memorandum des District of Columbia vom 12.12.2008 (Anlage K 60) wurde gegen die Klägerin ein Bußgeld in Höhe von 450 Mio. US-Dollar verhängt. Die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC sprach ebenfalls am 12.12.2008 eine Gewinnabschöpfung von 350 Mio. US-Dollar aus.
Zur Aufklärung des Systems „schwarzer Kassen“ schaltete die Klägerin die USamerikanischen Rechtsanwaltskanzleien D... und De... LLP ein.
4. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 29.7.2008 (Anlage K 64) auf, binnen einer Frist von sechs Wochen seine Ersatzpflicht dem Grunde nach anzuerkennen und einen Vorschlag zur Schadensregulierung zu unterbreiten. Zuvor hatte der Aufsichtsratsvorsitzende in dem Schreiben dargestellt, dass eine vom Aufsichtsrat beauftragte Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen sei, die amtierenden Mitglieder des Zentralvorstandes hätten ihre Verpflichtung zur Verhinderung von Bestechungen in vorwerfbarer Weise verletzt und seien daher der Klägerin für den entstandenen Schaden ersatzpflichtig. Er verwies insbesondere auf die danach mangelhafte Organisation des Compliance-Systems und eine unzureichende Aufsicht über die Einhaltung der Compliance-Regeln. …
Die Klägerin schloss mit insgesamt neun Vorstandsmitgliedern Vergleiche, die der Hauptversammlung vom 26.1.2010 zur Zustimmung vorgelegt und deren Inhalte zusammen mit der Einladung den Aktionären bekanntgegeben wurde. Die Vergleiche mit den Vorstandsmitgliedern wurden mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam. …
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 15 000 000,- nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Aus den Gründen
I. Die zulässige Klage ist begründet, weil der Klägerin gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von Euro 15 Mio. nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.9.2010 zusteht.
1. Die Klägerin kann vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von Euro 15 Mio. auf der Grundlage der Vorschrift des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG verlangen, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Danach sind Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet.
a. Der Beklagte hat bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als Maßstab, wie er in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG normiert ist, verletzt, weshalb er dem Grunde nach haftet.
(1) Ein Vorstandsmitglied muss im Außenverhältnis sämtliche Vorschriften einhalten, die das Unternehmen als Rechtssubjekt treffen. Dazu gehören zum einen die Vorschriften des Bilanzrechts ebenso wie die Bestimmungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts (vgl. nur Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Rdn. 23 zu § 93; Hopt in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 98 ff. zu § 93; Mertens/Cahn in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Rdn. 71 zu § 93; Landwehrmann in: Heidel, Aktien und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rdn. 10 ff. zu § 93). Dabei gilt dies auch in Bezug auf die Einhaltung ausländischer Rechtsvorschriften, zu denen jedenfalls seit der auch im innerstaatlichen Recht gültigen Vorgaben des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 17.12.1997 gehört. Namentlich seit der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch Artikel 2 § 1 EUBestG und Art. 2 § 2 IntBestG sind Schmiergeldzahlungen an Amtsträger eines ausländischen Staates ebenso unter Strafe gestellt wie Schmiergeldzahlungen an ausländische Privatpersonen, für die § 299 Abs. 3 StGB gilt. Demgemäß bedeuten grenzüberschreitende Schmiergeldzahlungen eine Gesetzesverletzung, die sich auch nicht aus der Erwägung heraus rechtfertigen lässt, anderenfalls seien wirtschaftliche Erfolge auf korruptiven Auslandsmärkten nicht mehr möglich (vgl. Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, a. a. O., Rdn. 27 zu § 93; Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., Rdn. 7 zu § 93; Bicker AG 2012, 542, 543). Im Rahmen dieser Legalitätspflicht darf ein Vorstandsmitglied somit zum einen bereits keine Gesetzesverstöße anordnen. Zum anderen muss ein Vorstandsmitglied aber auch dafür Sorge tragen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine derartigen Gesetzesverletzungen stattfinden. Diese Überwachungspflicht wird namentlich durch § 91 Abs. 2 AktG dadurch konkretisiert, dass ein Überwachungssystem installiert wird, das geeignet ist, bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, wovon auch Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften umfasst sind (vgl. BT-Drucks.13/9712 S. 15; Mertens/Cahn in : Kölner Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 34 f. zu § 91; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Rdn. 38 zu § 91; Bayer in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 85, 89 f.). Einer derartigen Organisationspflicht genügt der Vorstand bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet, ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme, ob diese Pflicht bereits unmittelbar aus § 91 Abs. 2 AktG oder aus der allgemeinen Leitungspflicht der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG herzuleiten ist (vgl. Fleischer AG 2003, 291, 299; Bicker AG 2012, 542, 543 f.; Hauschka AG 2004, 461 ff., insb. 465 ff.; Mertens/Cahn in : Kölner Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 35 zu § 91; Lutter in: Festschrift Goette, 2011, S. 289, 291). Entscheidend für den Umfang im Einzelnen sind dabei Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz wie auch die Verdachtsfälle aus der Vergangenheit (vgl. Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 36 zu § 91).
Bei der Klägerin hatte sich ein System „schwarzer Kassen“ entwickelt, das zunächst durch Ausschleusung von Bargeld oder von Schecks gekennzeichnet war und später in dem Zeitraum nach der Jahrtausendwende durch ein System der Existenz von Beraterverträgen abgelöst wurde, bei denen Gelder aus der Klägerin abgezweigt wurden, ohne dass diese von den Vertragspartnern eine entsprechende Beratungsleistung als Gegenleistung erhielt. Dieser Umstand der Existenz „schwarzer Kassen“ ist unstreitig, weil der Beklagte dies nicht gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten kann. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Die Vorgänge, die zu der unzulässigen Zahlung von Schmiergeldern im Ausland führten, gehörten zum eigenen Geschäfts oder Verantwortungsbereich des Beklagten; Vorgänge in diesem Bereich stehen den eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen im Sinne des § 138 Abs. 4 ZPO gleich. Eine Partei kann sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihres Betätigungsbereichs ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen, sondern muss innerhalb desselben Erkundigen anstellen; sie ist verpflichtet, die ihr zugänglichen Informationen in ihrem Unternehmen und von denjenigen Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (vgl. BGH MNJW 1995, 130, 131; NJWRR 2002, 612, 613; ZöllerGreger, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 16 zu § 138). Erfolgt ein unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen durch die andere Partei, so gilt der entsprechende Vortrag der Klägerin als zugestanden. Dies muss auch dann gelten, wenn das Organmitglied der Gesellschaft nicht mehr angehört, weil ihm insoweit ein Anspruch auf Einsicht in die entsprechenden Unterlagen gem. § 810 BGB zusteht. Die Klägerin hat dem Beklagten eine Vielzahl von entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt.
(2) Zu den Grundlagen einer Pflichtverletzung hat die Klägerin hinreichend vorgetragen; der Beklagte hat dies nicht widerlegt. Nach § 93 Abs. 2 S. 1 hat die Gesellschaft – gegebenenfalls mit der Erleichterung des § 287 ZPO – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass ihr durch ein Verhalten des Vorstandsmitglieds in seinem Pflichtenkreis, das möglicherweise pflichtwidrig ist, ein Schaden entstanden ist. Das Vorstandsmitglied hat dagegen nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG darzulegen und zu beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt oder jedenfalls schuldlos gehandelt hat oder dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre (vgl. BGH ZIP 2011, 766, 767 = AG 2011, 378, 379; NJW 2013, 1958, 1959 = NZG 2013, 293, 294 = AG 2013, 259 = ZIP 2013, 455, 456 = DB 2013, 507, 508 = MDR 2013, 472; Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, a. a. O., Rdn. 221 zu § 93; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 167 zu § 93; Hüffer, AktG, 10. Aufl., Rdn. 16 zu § 93; Bürgers/Israel in: Bürgers/Körber, a. a. O., Rdn. 26 zu § 93; Eckert in: Wachter, AktG, 1. Aufl., Rdn. 31 zu § 93).
(a) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Klägerin gerecht. Sie hat hinreichend konkret dargelegt, der Beklagte habe trotz wiederholter in zur Kenntnis gebrachter Gesetzesverletzungen keine bzw. jedenfalls keine ausreichenden Maßnahmen zur Aufklärung und Untersuchung von Verstößen, deren Abstellen und der Ahndung der betroffenen Mitarbeiter eingeleitet. Die vom Beklagten im Zusammenhang mit den Vorfällen in Nigeria und dem Zusammenhang mit den Korruptionsfällen bei E... eingeleiteten Maßnahmen seien wie im Fall Nigeria ohne Konsequenzen oder wie im Fall E... ohne Bedeutung geblieben angesichts der Ausklammerung der tatsächlichen Hintergründe aus den Ermittlungen. Auch nach dem Erhalt weiterer Informationen wie dem Memorandum von Herrn Dr. M... über Barzahlungen in Nigeria, dem Vorschlag von Herrn Dr. Sc... und Herrn Dr. Zacharias zur Neuorganisation der Compliance-Strukturen vom 18.11.2003, immer wiederkehrender Hinweise auf die Existenz „schwarzer Kassen“, Hinweise auf die mangelnde Effizienz des Compliance-Systems und auf mangelnde Verlässlichkeit der Regional Compliance Officer habe der Beklagte keine Maßnahmen in Richtung auf eine Effizienzsteigerung des Compliance-Systems ergriffen. Vielmehr habe er Mitarbeiter aus dem Bereich Com gegenüber den Abschlussprüfern von K... gedeckt und gegenüber dem Personalausschluss des Aufsichtsrats verharmlosende, irreführende bzw. falsche Aussagen gemacht.
Die Einrichtung eines mangelhaften Compliance-Systems und auch deren unzureichende Überwachung, worauf der Vortrag der Klägerin vor allem auch abzieht, bedeutet eine Pflichtverletzung. Damit wurde aber die Klägerin ihrer Darlegungslast im Rahmen des § 93 AktG gerecht.
(b) Der Vortrag des Beklagten ist nicht geeignet, eine Pflichtverletzung zu widerlegen. Dabei muss vor allem berücksichtigt werden, dass die Einrichtung eines Systems zur Verwendung von Korruptionszahlungen bei der Klägerin strengen Sorgfaltsmaßstäben genügen muss. Dies ergibt sich vor allem auch aus dem Umstand, dass die Klägerin in Ländern Aktivitäten entfaltete, die ohne jeden Zweifel besonders korruptionsanfällig waren wie beispielsweise Nigeria. Das für das Jahr 2001 intendierte und dann auch durchgeführte Listing an der New York Stock Exchange machte ebenfalls ein ausgefeiltes Compliance-System erforderlich, um vor allem auch Konten außerhalb der regulären Buchführung der Klägerin aufzudecken. Deshalb muss ein funktionierendes Kontrollsystem auch sicherstellen, dass jeder Zahlungsvorgang jederzeit nachvollzogen werden kann. Gerade dieses strenge System macht ein effizientes Überwachungssystem unerlässlich.
Weiterhin ist unstreitig, dass der damalige Vorstandsvorsitzende der Klägerin bereits im Rahmen einer Vorstandssitzung unter Teilnahme des Beklagten am 16.4.1999 auf eine erschreckend hohe Zahl von Bestechungsfällen im Ausland hingewiesen hatte.
Auch in der Folgezeit erhielten die Vorstandsmitglieder einschließlich des Beklagten immer wieder Kenntnis von Korruptionsfällen bei der Klägerin. Nach dem vom Beklagten nicht bestrittenen und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden geltenden Vortrag der Klägerin erhielt er im November 2003 das Memorandum der amerikanischen Anwaltskanzlei K... LLP über mögliche Konsequenzen hinsichtlich des Falles E.... Ebenso unstreitig erfolgten im Spätsommer 2003 Hinweise der Abschlussprüfer von K... für den Com-Bereich auf die Abhebung größerer Geldbeträge an der Kasse in der Hofmannstraße. Ebenso erhielt der Beklagte im November 2003 den Vermerk von Herrn Dr. M... über Vorgänge in Nigeria und die Schwächen des Compliance-Systems.
Gerade weil dem Vorstand und dem Beklagten immer wieder verdächtigte Fälle von Bestechungszahlungen geschildert wurden, hätte es einer Überprüfung der Effizienz des bestehenden Compliance-Systems bedurft. Hinreichende Maßnahmen zur Verbesserung wurden allerdings nicht veranlasst.
(aa) Für den Beklagten wie den gesamten Vorstand hätte vor allem die Verpflichtung bestanden, eine klare Regelung zu schaffen, wer auf der Ebene des Gesamtvorstandes die Hauptverantwortung zu tragen hat. Angesichts der Größe des Unternehmens und auch der Gefährdungslage, die sich in der Vergangenheit für den Vorstand erkennbar realisiert hatte, ist eine klare organisatorische Zuordnung der Compliance-Verantwortung unerlässlich. Insoweit schuf auch das Z 5/2005 hier keine klaren Zuständigkeiten. Ebenso konnte eine tatsächliche Umsetzung von Compliance Vorgaben nicht wirksam erfolgen. Dies gilt gerade auch mit Blick auf die Beraterverträge. Insoweit kann dem Vortrag der Beklagten nicht entnommen werden, dass eine zentrale Erfassung sämtlicher Beraterverträge mit Dritten als eine geeignete Maßnahme eingeführt worden wäre. Dabei hätte sich dies sehr wohl als geeignete Maßnahme dargestellt, weil auf dieser Grundlage hätte überprüft werden können, ob und welche Leistungen wirklich erbracht wurden oder ob es sich um Scheinverträge handelte, auf deren Basis Korruptionszahlungen erfolgten.
(bb) Ebenso hätte darauf hingewirkt werden müssen, dass die mit der Überwachung der Compliance Vorgaben beauftragten Personen hinreichende Befugnisse haben, Konsequenzen aus Verstößen zu ziehen. Gerade die Häufung von verdächtigen Vorfällen zeigte den Vorstandsmitgliedern, dass das bisherige im Jahr 2001 eingeführte Programm „Compliance im Wettbewerb“ nicht geeignet war, Schmiergeldzahlungen hinreichend sicher zu unterbinden.
(cc) Soweit der Beklagte sich darauf beruft, gegenüber den kaufmännischen Leitern der Bereiche keine Weisungsrechte gehabt zu haben, zeigt gerade dieser Umstand das Fehlen eines funktionierenden Compliance-Systems, das der Vorstand im Rahmen seiner Gesamtverantwortung für die Einhaltung des Legalitätsprinzips hätte einrichten müssen. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, es habe für ihn kein Weisungsrecht gegenüber Einzelpersonen oder Konzerneinheiten außerhalb der von ihm geleiteten Finanzabteilung gegeben, weil ansonsten die umfassende unternehmerische und geschäftliche Gesamtverantwortung der jeweiligen Bereichsvorstände für ihre Bereiche und das Funktionieren der Arbeitsweise im Zentralvorstand gestört worden wäre, ist dieses Argument nicht zur Entlastung des Beklagten geeignet, weil dies den Widerspruch zur Gesamtverantwortung des Vorstands für ein funktionierendes Compliance-System steht. Gerade weil es keine Berichtslinie mit daraus abzuleitenden Kompetenzen für disziplinarische Maßnahmen gab, hätten der Vorstand und damit der Beklagte eingreifen müssen und eine entsprechenden Organisationsstruktur schaffen müssen.
(dd) Die Verpflichtung zur Schaffung eines funktionierenden Compliance-Systems wie auch zur Überwachung von dessen Effizienz traf auch den Beklagten als Mitglied des Gesamtvorstands der Beklagten. In gleicher Weise bestand für den Gesamtvorstand und den Beklagten eine Verpflichtung, sich umfassend zu den einzelnen bekanntgewordenen Vorfällen insbesondere auch aus dem Vermerk von Herrn Dr. M... in Nigeria oder auch zu den Vorgängen um E... fortlaufend zu informieren. So bestand für den Beklagten vor allem auch die Verpflichtung, sich in regelmäßigen Abständen darüber in Kenntnis setzen zu lassen, welche Ergebnisse interne Ermittlungen brachten, ob personelle Konsequenzen gezogen worden und vor allem ob und wie ein dahinter stehendes System bekämpft wird. So kann eine Überwachung der Geeignetheit des Compliance-Systems erreicht werden. Dem Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen Beklagten kann nicht entnommen werden, nach Kenntniserlangung der einzelnen Vorgänge hinreichend tätig geworden zu sein. Das Protokoll der Sitzung der kaufmännischen Leiter vom 27.11.2003 spricht zwar an, dass die einzelnen Bereiche Prüfungen im Vorfeld durchführen müssen, um nachzuvollziehen, dass sich keine Briefkastenfirmen hinter derartigen Adressen verbergen und das derartige Informationen sofort an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden. Es wird aber gerade nicht klar, wie die Compliance-Organisation gestrafft werden sollte. Vor allem aber trägt der Beklagte nicht vor, auf welche Art und Weise die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen vom Vorstand überprüft werden sollte. Dem vorgelegten E-Mail-Verkehr ist erst ab November 2004 zu entnehmen, dass der Beklagte überhaupt eine Rückmeldung über die Implementierung der Vorgaben aus den Rundschreiben wünschte. Gerade die zeitliche Verzögerung nach Kenntniserlangung weiterer zumindest korruptionsverdächtiger Sachverhalte stellt sich beim Beklagten wiederum als Pflichtverletzung dar. Seinem Vortrag kann nicht entnommen werden, ob die Prüfungsaufträge aus dem Sommer 2004 in der gebotenen Schnelligkeit umgesetzt wurden, soweit es namentlich um die Einschaltung von Treuhandgesellschaften durch Dritte und die schnellere elektronische Prüfung von Zahlungsverkehrsdateien ging.
(ee) Eine Pflichtverletzung muss gerade auch im Zusammenhang mit den Zahlungen in Höhe von Euro 2,15 Mio. im Zusammenhang mit dem als Anlage K 78 vorlegten Vertrag angenommen werden. Dieser Vertrag wurde vor dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem der Beklagte Kenntnis vom Vermerk von Dr. M... erhielt. Die Provisionen in Höhe von 18 % des Vertragswerts legte den Verdacht auf Bestechung nahe, worauf gerade auch in dem Vermerk von Herrn Dr. M... hingewiesen worden war. Dann aber hätte die Verpflichtung des Beklagten bestanden, dafür Sorge zu tragen, dass alle Verträge, die einen klaren Bezug zu Nigeria aufweisen, einer Überprüfung zugeführt werden. Der Beklagte hat allerdings nicht hinreichend dazu vorgetragen, derartige Maßnahmen in die Wege geleitet zu haben. Da diese Vertragsunterlagen offensichtlich bei der Klägerin vorhanden waren, nachdem sie von ihr im Laufe des Verfahrens vorgelegt wurden, hätte der Beklagte bei der Überprüfung des Vorgangs und der Kontrolle der veranlassten Ermittlungen auch auf sie stoßen können.
Diese Unterlassungen namentlich der Implementierung eines effizienten Compliance-Systems und der Überprüfung von dessen Wirksamkeit stellen sich auch als Pflichtverletzungen des Beklagten dar, der sich hier gerade nicht auf die Ressortverantwortlichkeit innerhalb des Zentral- und Gesamtvorstandes berufen kann. Als Mitglied des Zentral wie des Gesamtvorstands gehört die Einrichtung eines funktionierenden Systems zur Vermeidung von Gesetzesverstößen zu den Aufgaben auch des Beklagten. Dies stellt sich als Aufgabe des Gesamtvorstandes dar, der insbesondere zur überprüfen hat, ob das implementierte System geeignet ist, Verstöße gegen zwingendes Gesetzesrecht zu unterbinden. Dabei kann sich der Beklagte vor allem nicht darauf berufen, für die Durchsetzung im Einzelnen seien die Bereichsvorstände zuständig gewesen. Der sogenannte „Bereichsvorstand“ ist nämlich gerade nicht Vorstand im Sinne der §§ 76 ff. AktG, weshalb eine Delegation dieser zentralen Aufgabe des aktienrechtlichen Organs „Vorstand“ auf unterhalb dieser Ebene angesiedelte Mitarbeiter eine Pflichtverletzung darstellt (vgl. Hüffer, AktG, a. a. O., Rdn. 14 zu § 93; Krause BB 2009, 1370, 1373). Ebenso wenig kann sich der Beklagte auf die Zuständigkeit von Vorstandskollegen berufen. Gerade das wiederholte Auftreten von Gesetzesverstößen oder zumindest gravierender Verdachtsmomente im Zusammenhang mit Korruptionsfällen im Ausland zeigt, dass das bisherige System nicht ausreicht. Dann aber ist es Aufgabe jedes einzelnen Vorstandsmitglieds und damit auch des Beklagten, im Rahmen seiner Überwachungspflicht darauf hinzuwirken, dass innerhalb des Vorstands ein funktionierendes Compliance-System beschlossen wird (vgl. BGH NJW 1995, 2850, 2851; BGHZ 133, 370, 377 f.; Bürgers/Israel in: Bürgers/Körber, AktG, a. a. O., Rdn. 21 zu § 93). Jedenfalls dieser Überwachungspflicht wurde der Beklagte nicht gerecht.
Auch kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, der Vorstand sei seinen Vorstellungen nicht gefolgt. Zwar muss auch ein überstimmtes Vorstandsmitglied an der Umsetzung von Vorstandsbeschlüssen loyal mitwirken. Dies kann aber dann nicht gelten, wenn sie nicht gesetzeskonform sind. Davon muss indes ausgegangen werden, weil die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance-Organisation sich angesichts der dem Vorstand bekannt gewordenen Maßnahmen aufdrängen musste. Wenn ein Vorstandsmitglied wie der Beklagte mit Vorschlägen zur Verbesserung der Compliance-Organisation bei seinen Vorstandskollegen tatsächlich nicht durchgedrungen sein sollte, so hat er entsprechende Gegenvorstellungen bei seinen Kollegen anzubringen und gegebenenfalls den Aufsichtsrat einzuschalten (vgl. Mertens/Cahn in: Kölner Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 50 zu § 77; Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., Rdn. 11 zu § 77 und Rdn. 47 zu § 93; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 150 zu § 93; Götz 1995, 337, 339; Fleischer NZG 2003, 449, 457). Es ist nicht erkennbar, dass dies der Beklagte unternommen hätte.
(3) Der Beklagte hat seine Pflichten schuldhaft verletzt, wobei im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 2 AktG auch leichte Fahrlässigkeit genügt, nachdem diese Norm keinerlei Einschränkungen des in § 276 BGB festgelegten Haftungsmaßstabes enthält. Der Beklagte konnte sich nicht entlasten. Es ist nicht erkennbar, dass er bei der Installation und der Überwachung der Effizienz des Compliance-Systems die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten hätte. Bei dem anzulegenden objektiven Sorgfaltsmaßstab hätte er kennen können, dass die ergriffenen Maßnahmen so nicht ausreichend waren, um die Funktionstüchtigkeit des Compliance-Systems bei der Klägerin zu gewährleisten. Anderenfalls wären keine Korruptionsverdächtigen Vorgänge auch noch gegen Ende des Jahres 2003 aus jüngster Vergangenheit an ihn herangetragen worden. Dabei kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, der Begriff der „Compliance“ sei im fraglichen Zeitraum noch nicht etabliert gewesen. Letztlich geht es nämlich darum, dass der Vorstand sicherstellen muss, wie die Organisation innerhalb eines Unternehmens zu erfolgen hat, um zwingende gesetzliche Vorgaben einzuhalten, um die es bei der Vermeidung strafbarer Korruptionshandlungen geht. Diese Pflicht resultiert unmittelbar jedenfalls auch aus § 76 AktG und stellt sicherlich keine aus dem angloamerikanischen Rechtskreis stammende Neuerung dar. Die Vorschrift des § 76 Abs. 1 wurde nämlich in Anknüpfung an § 70 AktG 1937 in das Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGBl. I S. 1089 aufgenommen und seit dieser Zeit nicht verändert. Neu ist die Begrifflichkeit der „Compliance“, nicht jedoch der dahinterstehende Grundgedanke, der Vorstand müsse dafür Sorge tragen, dass seitens der Gesellschaft und ihrer Mitarbeiter die zu beachteten gesetzlichen Vorgaben auch tatsächlich eingehalten werden.
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass der Beklagte nicht vollkommen untätig blieb, so sind die von ihm getroffenen Maßnahmen mit der Beauftragung der Aufklärung im Einzelfall nicht ausreichend, weil das Gesamtkonstrukt der Compliance-Organisation bei der Klägerin nicht ausreichend war.
Der Umstand, dass gegen den Beklagten keine Anklage erhoben wurde, sondern dass die Staatsanwaltschaft München I Ermittlungsverfahren gegen ihn zum Teil gem. § 170 Abs. 2 StPO wegen mangelnden Tatverdachts, zum Teil gem. § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt hat, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die dem Beklagten vorgeworfenen Straftatbestände vor allem der Beihilfe zur Untreue setzten zum einen Vorsatz voraus, während bei einem Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG auch schon leichte Fahrlässigkeit genügt. Zum anderen ist das Zivilgericht an die Einstellung der Staatsanwaltschaft aus Rechtsgründen nicht gebunden.
b. Durch die Pflichtverletzung des Beklagten ist der Klägerin ein Schaden in Höhe von Euro 15 Mio. entstanden, den sie im Wege der (offenen) Teilklage geltend macht.
(1) Der Umfang des Schadens von ergibt sich aus dem Schadensbegriff des § 249 BGB, der auch im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 2 AktG maßgeblich ist. Nach der Differenzhypothese wird das vorhandene Vermögen der Gesellschaft mit dem verglichen, dass ohne das schädigende Ereignis – also beim hinzudenken der Schaffung eines funktionierenden Compliance-Systems und des in ordnungsgemäßer Kontrolle – eingetreten wäre (vgl. BGH NJW 2011, 1962, 1963 = ZIP 2011, 529; NJW 2013, 1958, 1960 = NZG 2013, 293, 295 = AG 2013, 259, 260 = ZIP 2013, 455, 457 = DB 2013, 507, 509 = MDR 2013, 472).
(a) Die Zahlungen an die US-amerikanische Rechtsanwaltskanzlei D... über Euro 12,85 Millionen stellen einen ersatzfähigen Schaden dar. Die Kosten für anwaltliches Tätigwerden als Folge von Pflichtverletzungen stellen einen 3rsatzfähigen Schaden dar, sofern sie aus Sicht der Geschädigten zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig sind (vgl. BGH NJW 2005, 1012; BGHZ 127, 348, 350 ff. = NJW 1995, 446, 447). Davon muss vorliegend auch ausgegangen werden. Die Klägerin war an der New York Stock Exchange gelistet und musste deshalb Sanktionen seitens der strengen US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC fürchten. In dieser Situation kann es einem Unternehmen, dessen Sitz außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika liegt, nicht verwehrt sein, spezialisierte amerikanische Rechtsanwaltskanzleien einzuschalten, um sich gegen die Vorwürfe zur Wehr zu setzen oder zumindest eine deutliche Reduktion der Sanktionen zu erreichen. Aufgrund der vorgelegten Rechnungen für die Leistungen im Zeitraum von März bis September 2007 hat die Kammer keinerlei Zweifel daran, dass diese Zahlungen auch tatsächlich geleistet wurden. Der Umfang der Rechnungen entsprach jeweils den getroffenen Vereinbarungen wie die interne Prüfung jeweils auf den einzelnen Rechnungen abgezeichnet hat. Aufgrund dessen hat die Kammer keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zahlungen und deren Berechtigung.
Bei der Frage, ob durch die Beauftragung der Kanzlei D... ein Schaden entstanden ist, geht es nicht darum, in wessen Pflichtenkreis die Einschaltung erfolgte. Entscheidend ist vielmehr, dass die Einschaltung dieser Rechtsanwaltskanzlei die Folge von Pflichtverletzungen auch des Beklagten war und aus den bereits genannten Gründen notwendig war. Wer innerhalb der Vorstandsebene für die Beauftragung verantwortlich war, muss für die Frage der Entstehung eines kausalen Schadens unerheblich bleiben. Da die Beauftragung ihre Ursache auch und gerade in der nicht hinreichenden Compliance-Organisation hatte, lässt sich eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs keinesfalls bejahen. Es kann nicht bereits ausgegangen werden, dass die Beauftragung dieser Rechtsanwaltskanzlei als Fehlverhalten Dritter anzusehen ist; abgesehen davon unterbricht ein in den Kausalverlauf eingreifendes Fehlverhalten Dritter gerade auch bei der Schadensbeseitigung den Zurechnungszusammenhang regelmäßig nicht; für eine Ausnahmesituation bestehen hier keinerlei Ansatzpunkte (vgl. hierzu BGH NJW 2000, 947, 948 m. w. N. aus der umfangreichen Rechtsprechung; Palandt-Grüneberg, 73. Aufl., Vorb v § 249 Rdn. 47, Schiemann in: Staudinger, Neubearb. 2005, Rdn. 57 zu § 249).
(b) Der Abfluss eines Betrages von Euro 2,15 Mio. an W... ist gleichfalls als ersatzfähiger Schaden im Sinne des § 249 BGB anzusehen. Im vorliegenden Fall sind nämlich Gelder aus dem Gesellschaftsvermögen geflossen, ohne dass geklärt werden konnte, ob dies auf der Grundlage eines wirksamen (Beratungs-) Vertrages erfolgte. Die Klägerin hat dargelegt und durch die Vorlage der Rechnungen und Zahlungsaufträge bewiesen, dass durch insgesamt vier Zahlungsvorgänge über S...Financial Services am 22.4., 29.4., 10.5. und 16.5.2004 insgesamt Euro 2,15 Mio. aus ihrem Vermögen abgeflossen sind. Demgegenüber hat der Beklagte als ehemaliges Vorstandsmitglied der Klägerin darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre (vgl. hierzu auch BGH DStR 2007, 1641, 1642). Gerade die Tatsache, dass auf den Belegen beim Empfänger als Sitz die Hauptstadt von Nigeria angegeben wurde, spricht jedenfalls nicht zwingend dafür, dass den Zahlungen ein ordnungsgemäßer Beratungsvertrag zugrunde lag. Auch konnte der Beklagte nicht darlegen, dass diesen Zahlungsabflüssen ein wirksamer Vertrag zugrunde lag. Allein der Umstand, dass es ein Verrechnungskonto mit der C. W... GmbH & Co. KG gab, schließt nicht aus, dass die Zahlungen zur Bestechung ausländischer Amtsträger entsprechend dem von Herrn Si... installierten System gehörten, nachdem dieser auch die Kontoanweisung überschrieben hatte. Der Hinweis auf die Verrechnung mit anderen Geschäften zwischen der Klägerin und der C. W... GmbH & Co. KG vermag ein rechtmäßiges Alternativverhalten nicht zu begründen. Es ist nämlich sehr wohl denkbar, dass gerade das Bestehen von vertraglichen Beziehungen dazu ausgenutzt wurde, strafbare Bestechungsleistungen zu verschleiern.
(2) Diese Zahlungen sind kausal durch die Pflichtverletzungen des Beklagten entstanden. Dabei muss der Schaden gerade durch die Pflichtwidrigkeit verursacht sein; allerdings kommt der klagenden Gesellschaft die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute, wer auch die Substantiierungslast der klagenden Partei erleichtert. Danach genügt es, dass sie Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO hinreichende Anhaltspunkte bieten. Unter diese Vorschrift fällt aber auch die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit der Gesellschaft durch das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten ein Schaden entstanden ist. Bei einem auf § 93 Abs. 2 AktG gestützten Schadensersatzanspruch, bei dem es sich um einen kraft Gesetztes bestehenden Anspruch handelt (vgl. Spindler: Münchener Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 10 zu § 93), gehört aber wie bei einem Schadensersatzanspruch aus Vertragsverletzung der Ursachenzusammenhang mit einem daraus erwachsenen allgemeinen Vermögensschaden nicht zur haftungsbegründenden, sondern zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis gleichfalls die in § 287 ZPO vorgesehenen Erleichterungen gelten (vgl. BGHZ 152, 280, 287 = NJW 2003, 358, 359 = NZG 2003, 81, 83 = AG 2003, 381, 382 = ZIP 2002, 2314, 2316 = BB 2003, 273, 274 f.; NJWRR 2008, 905, 906 = NZG 2008, 314, 315 = ZIP, 2008, 736, 737 = WM 2008, 696, 697; Fleischer in: Spindler/Stilz AktG, a. a. O., Rdn. 221 zu § 93; Bayer in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, S. 85, 98). Dem Vortrag der Klägerin mit den vorgelegten Rechnungen der Anwaltskanzlei D... ist zu entnehmen, dass diese Kosten den Pflichtverletzungen des Beklagten zuzuordnen sind, weil dieser durch die unzureichende Überwachung der Einhaltung von Compliance-Vorgaben zur Vermeidung der Zahlung verbotener Bestechungsgelder (mit)verursacht hat, dass seitens des US Department of Justice sowie der SEC Ermittlungen gegen die Klägerin eingeleitet wurden. Dies ergibt sich mit hinreichender Klarheit aus den vorgelegten Rechnungen, die vor allem auch auf die mutmaßliche Verletzung von Anti-Korruptionsgesetzen Bezug genommen haben.
Der Umstand, dass die Kausalität vor allem im Zusammenhang mit einer Unterlassung geprüft werden muss und daher letztlich hypothetisch zu prüfen ist, wie sich die Geschehnisse bei Vorname der erforderlichen Handlungen dargestellt hätte, steht der Bejahung der Kausalität nicht entgegen. Vorliegend geht es vor allem auch um eine mangelhafte Aufsicht über die einzelnen Bereiche, um die Einhaltung des Legalitätsprinzips sicherzustellen. Bei Errichtung einer funktionierenden Aufsicht als zu fordernder Maßnahme muss davon ausgegangen werden, dass effektive Kontrollen im Sinne eines effektiven Compliance-Systems geeignet sind, Rechtsverletzungen der dann entsprechend überwachten Mitarbeiter zu verhindern (vgl. BGH WM 1980, 1190 f. = ZIP 1980, 776, 777 = DB 1980, 2027 f. = BB 1980, 1344, 1345 = MDR 1980, 999, 1000; OLG Frankfurt NJWRR 1993, 546, 547; Meier-Greve BB 2009, 2555, 2559). Eine Ausnahme, warum durch ein gut funktionierendes Compliance-System und dessen angemessener Überwachung die Handlungen nicht unterbunden worden werden, die zum Eingreifen der US-amerikanischen Behörde führten, ist nicht erkennbar. Gerade bei der Kausalität muss beachtet werden, dass Ursache für die Einschaltung der Kanzlei D... eine mangelhafte Compliance-Organisation war, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, bei einer ordnungsgemäßen Organisation und dem entsprechenden Handeln des Beklagten wäre der Schaden in gleicher Art und Weise entstanden. Dieselben Erwägungen zur Kausalität gelten auch für den Abfluss von Euro 2,15 Millionen im Zusammenhang mit dem W...Vertrag. Wenn der Beklagte dafür Sorge getragen hätte, dass gerade auch mit Blick auf die ihn durch den Vermerk von Herrn Dr. M... vorgetragenen Verdachtsfälle in Nigeria die entsprechenden Verträge dank eines funktionierenden Compliance-Systems überprüft worden wären, ein Abfluss aus dem Verantwortungsbereich der Klägerin unterbunden worden.
(3) Die Vergleichsabschlüsse mit anderen Organmitgliedern der Klägerin haben keinen Einfluss auf die Höhe des Schadens. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG haften mehrere Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner für die durch Pflichtverletzungen entstandenen Schäden. Auch den übrigen Organmitgliedern wurde vor allem nicht die hinreichende Verhinderung des Systems „schwarzer Kassen“ und von Korruptionszahlungen vorgeworfen, weshalb an einer gesamtschuldnerischen Haftung für den entstandenen Schaden, zu dem auch die Bußgeldzahlungen in unterschiedlichen Verfahren vor deutschen Gerichten und US-amerikanischen Institutionen gehören, kein Zweifel bestehen kann. Allerdings steht dem Einfluss auf die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten die Vorschrift des § 423 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift wirkt ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass auch für die übrigen Schuldner, wenn die Vertragsschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollen. Davon kann bei der hier gegebenen Konstellation der Vergleiche mit anderen gesamtschuldnerisch haftenden Organmitgliedern der Klägerin nicht ausgegangen werden. Ob ein Vergleich eine solche Gesamtwirkung haben soll, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Im Zweifel kommt einem Vergleich mit einem Gesamtschuldner keine Gesamtwirkung zu. Dies könnte nur dann angenommen werden, wenn sich aus dem Vergleich oder den Umständen nach ergibt, dass der Gläubiger den Willen hatte, auch gegenüber dem am Vergleich nicht beteiligten Gesamtschuldner auf weitergehenden Ausgleich zu verzichten und ihn deshalb nicht in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH NJW 2000, 194; NJW 2012, 1071, 1073 = WM 2012, 1137, 1139). Vorliegend fehlt es an einer Grundlage dafür, dass die Organmitglieder, die den Vergleich abgeschlossen haben, im Innenverhältnis den Schaden alleine zu tragen hätten. Vor allem zeigt aber auch die Formulierung in der Präambel der Vergleichsabschlüsse, wie darin zugesagten Leistungen ehemaliger Organmitglieder der Klägerin erfolgen unabhängig von den Leistungen der D&O-Versicherer und anderer ehemaliger Organmitglieder, ist zu schließen, dass eine auch nur beschränkte Gesamtwirkung nicht gewollt war.
c. Die Inanspruchnahme des Beklagten durch die Klägerin auf die Zahlung einer Schadenssumme in Höhe von Euro 15 000 000,- verstößt nicht gegen Treu und Glauben und stellt sich namentlich nicht als rechtsmissbräuchlich dar.
(1) Die Vergleiche betreffen nur das Verhältnis zwischen der hier klagenden Aktiengesellschaft und den übrigen ehemaligen Organmitgliedern. Eine Verpflichtung, andere Vorstandsmitglieder nicht in Anspruch zu nehmen, kann den Vergleichsregelungen nicht entnommen werden. Der Umstand, dass sich die Klägerin mittlerweile mit dem Beklagten nicht verglichen hat und die Vergleichsvereinbarungen andererseits Freistellungsansprüche enthalten, macht die Klage nicht rechtsmissbräuchlich. Die Vereinbarungen im Vergleich wirken als schuldrechtliche Regelungen nur inter partes und können sich daher nicht auf das Schuldverhältnis zwischen den hiesigen Parteien auswirken. Eine andere Beurteilung stünde zudem in Widerspruch zu der grundsätzlichen Wertung aus § 423 BGB.
(2) Eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung des Schadens resultiert auch nicht aus der vom Beklagten vorgetragenen Erwägung, die Aufsichtsratsmitglieder hätten ihn nicht über das System „Schwarzer Kassen“ bei der Klägerin informiert. Die Argumentation des Beklagten bedeutet einen Widerspruch zu dem Grundsatz aus § 76 Abs. 1 AktG, wonach der Vorstand die Gesellschaft in eigener Verantwortung leitet. Dies hat zur Folge, dass ein Neueintritt in den Vorstand sich auch über die Probleme innerhalb der Gesellschaft kundig machen muss und nicht auf eine vollumfängliche Information durch den Aufsichtsrat vertrauen darf. Der Aufsichtsrat überwacht nach der Konzeption des Aktienrechts den Vorstand bei dessen operativer Tätigkeit. Zum anderen bedeutet die Annahme eines Rechtsmissbrauchs auch einen Wertungswiderspruch zu dem Grundsatz, dass das Verhalten anderer Vorstands oder Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft bei der Verursachung nicht zu einer Kürzung des Schadensumfanges unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB führen kann. Fehler im Rahmen der Überwachung können allenfalls zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von Mitgliedern des Aufsichtsrats neben pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitgliedern führen. Im Innenverhältnis ist jedes Vorstandsmitglied seiner Gesellschaft voll für pflichtwidriges Verhalten verantwortlich, weshalb auch mehrere pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner haften. Nichts anderes gilt für Verschuldungsbeiträge von Mitgliedern des Aufsichtsrats. Gegen die Anwendung von § 254 BGB und damit auch gegen die Annahme des Rechtsmissbrauchs spricht vor allem auch der Umstand, dass die Pflichten des Vorstands und des Aufsichtsrats nebeneinander gegenüber der Gesellschaft bestehen und die Aufsichtspflicht der Mitglieder des Aufsichtsrat allein dem Schutz der Aktiengesellschaft dienen, nicht aber dem Schutz der Vorstandsmitglieder (vgl. OLG Düsseldorf AG 1997, 231, 237; LG München I, Urteil vom 29.5.2013, Az.: 5 HK O 4934/09; Hopt in: Großkommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 259 zu § 93; Mertens/Cahn in: Kölner Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 50 zu § 93; für die GmbH ebenso BGH NJW 1983, 1856 = ZIP 1983, 824, 825 = WM 1983, 725, 726 = DB 1983, 1173 f. = DB 1983, 1537 = MDR 1983, 1999; OLG Oldenburg DB 2006, 2511, 2515 = BB 2007, 66, 70; Kleindieck in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., Rdn. 47 zu § 43).
d. Der Anspruch ist nicht gemäß § 93 Abs. 6 AktG in der bis zum Inkrafttreten des Restrukturierungsgesetzes vom 9.12.2010 (BGBl. I S. 1900) geltend Fassung verjährt, wonach die auf § 93 Abs. 2 AktG gestützten Ansprüche in fünf Jahren seit dem Entstehen des Anspruchs verjähren.
(1) Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs auf Schadensersatz zu laufen, wobei der Beginn nicht vor Beendigung der pflichtwidrigen Handlung liegen kann (vgl. Landwehrmann in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a. a. O., Rdn. 195 zu § 93) Dies hat zur Folge, dass dann – wenn die Durchführung der unterlassenen Maßnahmen, also vor allem der Implementierung eines effizienten Compliance-Systems und einer hinreichenden Kontrolle von dessen Wirksamkeit – nachholbar ist, die Pflichtwidrigkeit nicht schon dann beendet ist, wenn die Verhinderungshandlung spätestens hätte erfolgen müssen. Sie ist vielmehr erst dann abgeschlossen, wenn die Nachholbarkeit endet (so ausdrücklich Hopt in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 443 zu § 93; Mertens/Cahn in: Kölner Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 203 zu § 93; auch LG Essen NZG 2012, 1307, 1308). Bereits deshalb wird unter Berücksichtigung der nachfolgenden Erwägungen zur Hemmung der Verjährung nicht von Verjährung ausgegangen werden können.
(2) Selbst wenn man aber für den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt abstellt, ab dem die Maßnahmen zur Vermeidung der Korruptionszahlungen spätestens hätten erfolgen müssen – also in einem Zeitraum nach der Kenntnis des Vermerks von Herrn Dr. M... im November 2003 – kann von Verjährung nicht ausgegangen werden. Dem Vorstand der Beklagten muss jedenfalls ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, ein funktionierendes besseres Compliance-System zu installieren. Hierfür ist ein Zeitraum von weniger als zwei Monaten sicherlich nicht ausreichend.
(a) Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass die Verjährung gemäß § 203 BGB mit dem Aufforderungsschreiben durch Herrn Dr. C... vom 29.7.2008 zur Hemmung der Verjährung gem. § 203 BGB führte.
(aa) Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist nach dieser Vorschrift die Verjährung gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Für ein Verhandeln im Sinne des § 203 S. 1 BGB genügt jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch genommene Erklärungen abgibt, die den Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein (vgl. BGH NJWRR 2005, 1358, 1360; NJW 2011, 1594, 1595; Peters/Jakoby in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, Rdn. 7 zu § 203; Grothe in: Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl., Rdn. 5 zu § 203). Dabei genügt isoliert noch nicht das Aufforderungsschreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden, weil in zeitlicher Hinsicht für sich genommen wegen der Notwendigkeit des Einverständnisses nicht bereits die Anfrage der einen Seite genügt; vielmehr muss es zur Einlassung des Gegner kommen (vgl. Peters/Jakoby in: Staudinger, BGB, a. a. O., Rdn. 9 zu § 203). Dem Antwortschreiben des Beklagten sowie seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 9.9.2008, offensichtlich zugegangen am nächsten Tag, lässt sich nicht entnehmen, dass seitens des Beklagten sofort und eindeutig jede Ersatzverpflichtung von vornherein negiert wurde – auch wenn aus Sicht der Verfasser der beiden Schreiben die Berechtigung der Ansprüche nicht gesehen wurde. Gerade der Brief des nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten an seine beiden Anwaltskollegen Prof. Dr. H...B... und Prof. Dr. Kr... führt aus, der Verfasser gehe davon aus, dass das Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 29.7.2008 in erster Linie der Eröffnung eines Dialogs mit den D & O-Versicherern dienen sollte. Die Verneinung einer Einstandspflicht beruhte dann erkennbar vor allem auch auf den versicherungsrechtlichen Obliegenheiten, die bei einer Verletzung den Verlust des Deckungsschutzes nach sich ziehen können; gerade wegen des Hinweises auf den Dialog mit den vorhandenen und in Vergleichsgespräche zwingend einzubeziehenden D & O-Versicherern kann eine schroffe Ablehnung von Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien nicht angenommen werden. Nicht erforderlich ist für die Annahme von Vergleichsverhandlungen dagegen, dass in dem Antwortschreiben bereits Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird und dass Erfolgsaussicht für Vergleichsgespräche besteht (vgl. BGH NJWRR 2008, 975, 976 f.). Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine weitere Präzisierung der Vorwürfe anmahnte.
Die nunmehr geltend gemachten Ansprüche sind vom Gegenstand der Verhandlungen gedeckt gewesen. Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB betreffen einen bestimmten Lebenssachverhalt, aus dem die eine Seite Rechte herleitet, wobei der Lebenssachverhalt grundsätzlich in seiner Gesamtheit verhandelt wird (vgl. hierzu BT-Drucks. 14/6040, S. 112; Peters/Jakoby in: Staudinger, BGB, a. a. O., Rdn. 14 zu § 203; Palandt-Ellenberger BGB, a. a. O., Rdn. 3 zu § 203; Grothe in: Münchner Kommentar zum BGB, a. a. O., Rdn. 7 zu § 203). Von einer derartigen Verhandlung über den vollständigen Lebenssachverhalt muss hier ausgegangen werden, weil es sich zum einen um einen komplexen Sachverhalt handelt und der Aufsichtsratsvorsitzende zum anderen in seinem Anspruchsschreiben vom 29.07.2008 auf die Höhe eines Gesamtschadens von Euro 2 Milliarden hingewiesen hat.
Eine zeitliche Begrenzung auf bestimmte Vorwürfe kann den Verhandlungen nicht entnommen werden. Wenn die Parteien in der Folgezeit vor allem über ihre Anwälte über die Höhe verhandelten und im Laufe der Verhandlungen sich ein Betrag von Euro 4 Mio. herauskristallisierte, den die Klägerin vom Beklagten gerne realisiert hätte, ist darin eine derartige Beschränkung nicht zu sehen, nachdem allen Beteiligten klar sein musste, dass natürliche Personen – auch bei guten Verdienstmöglichkeiten als Vorstand eines weltweit tätigen Unternehmens – den tatsächlichen Schaden aus ihrem Vermögen nicht werden ersetzen können.
Da zwischen den Parteien Verhandlungen aufgenommen wurden, wirkt dieser Umstand auf den Zeitpunkt des Anspruchsschreibens zurück (so die ganz h.M.; vgl. BGH VersR 1962, 615, 616; OLG Hamburg VersR 1991, 1263; OLG Hamm NJWRR 1998, 101, 102; Peters/Jakoby in: Staudinger, BGB, a. a. O., Rdn. 9 zu § 203¸Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB, a. a. O., Rdn. 8 zu § 203; a.A. wenig überzeugend OLG Brandenburg, Urteil vom 22.11.2006, Az. 4 U 58/06, zit. nach Juris).
(bb) Die Hemmung endete frühestens mit Ablauf des Monats September 2009, nachdem die von den Rechtsanwälten der Klägerin im Schreiben vom 3.7.2009 gesetzte Frist Ende August 2009 ohne positive Erklärung des Beklagten verstrich. Bei einem Einschlafenlassen von Verhandlungen wird im Normalfall davon ausgegangen werden, dass die Hemmung einen Monat ab dem Zeitpunkt endet, in dem aus Sicht des Gläubigers ein nächster Schritt zu erwarten gewesen wäre (vgl. Grothe in: Münchner Kommentar zum BGB, a. a. O., Rdn. 8 zu § 203; Peters/Jakoby in: Staudinger, BGB, a. a. O., Rdn. 13 zu § 203).
Unter Berücksichtigung dieses Zeitraums, in dem die Verjährung durch Verhandlungen gehemmt war, kann bis zum nächsten Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht davon ausgegangen werden, dass vor der Zustellung der Klage Verjährung eingetreten wäre. Dies würde nämlich voraussetzen, dass ein Handeln innerhalb weniger Wochen nach Kenntniserlangung des Vermerks von Herrn Dr. M... notwendig gewesen wäre. Realistischerweise bedarf es für die Ausarbeitung von Vorschlägen, wie auf derartige Mängel in der Compliance-Organisation reagiert wird, eines Zeitraums von mehreren Wochen. Vor Ende des Jahres 2003 hätte sich dieses angesichts der Komplexität der Klägerin nicht bewerkstelligen lassen.
(b) Dann aber wurde die noch nicht abgelaufene Verjährung gemäß §§ 204 Abs. Nr. 1 BGB, 167 ZPO erneut durch die Einreichung der Klage beim Landgericht München I am 25.1.2010 gehemmt. Aufgrund der Regelung in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch die Erhebung der Klage gehemmt, mithin also aufgrund von § 253 Abs. 1 ZPO durch die Zustellung eines Schriftsatzes, die hier am 19.9.2010 erfolgte. Allerdings tritt die verjährungshemmende Wirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgrund der Vorschrift des § 167 ZPO bereits dann mit Eingang des Antrags, hier also der Klage, bei Gericht ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Davon muss vorliegend ausgegangen werden. Es gibt nämlich keine absolute zeitliche Grenze; vielmehr ist der Begriff der „demnächst“ erfolgten Zustellung im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen, weshalb die Frist im Einzelfall auch mehrere Monate betragen kann (vgl. BGH WuM 2011, 540, 541 = NZM 2011, 752, 753 = ZMR 2011, 578). Die Klägerin als die die Zustellung Betreibende hat vorliegend alles ihr Zumutbare unternommen, um eine alsbaldige Zustellung zu erreichen. Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb gehen dann nicht zu ihren Lasten. Vorliegend hat die Klägerin die zutreffende ladungsfähige Anschrift des Beklagten in London angegeben. Da die Zustellung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erfolgen muss, war die Zustellung der Klage im Rechtshilfeweg veranlasst worden. Der Gerichtskostenvorschuss aus einem Streitwert von Euro 15 Mio. wurde bereits am 27.1.2010 einbezahlt, was ohne jeden Zweifel ausreichend ist, nachdem dies nicht zwingend bereits mit der Einreichung der Klage geschehen muss. Nachdem das Verfahren entgegen dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts München I zunächst bei der 14. Kammer für Handelssachen geführt wurde – was die Klägerin gleichfalls nicht zu vertreten hat –, konnte die Zustellung durch den nach Abgabe durch den Vorsitzenden der 14. Kammer für Handelssachen erst am 29.1.2010 durch den Vorsitzenden der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen 5. Kammer für Handelssachen verfügt werden, wobei er eine förmliche Zustellung im Rechtshilfewege veranlasste. Die daraufhin mit Schreiben der Rechtspflegerin vom 2.2.2010 angeforderte Prüfungsgebühr zahlte die Klägerin am 15.2.2010 ein, also wiederum nicht einmal zwei Wochen nach Zugang der Aufforderung. Die Tatsache, dass über das Rechtshilfeersuchen eine Zustellung unter der zutreffenden Anschrift des Beklagten in London nicht erfolgen konnte, hat die Klägerin nicht zu verantworten. Somit liegt der Grund für die Zustellung fast acht Monate nach Eingang der Klage ausschließlich in der Organisationssphäre des Gerichts, auch wenn ausländische Stellen in Großbritannien eingeschaltet werden mussten. Deshalb muss die Zustellung als „demnächst“ erfolgt angesehen werden.
Der Umstand, dass eine für die Zustellung im Ausland erforderliche weitere beglaubigte Abschrift fehlte, ändert an dieser Beurteilung nichts, weil dadurch keine Verzögerung eingetreten ist, nachdem die Prüfungsgebühr für das Rechtshilfeersuchen zeitgleich mit der Aufforderung zur Übermittlung einer weiteren beglaubigten Abschrift angefordert wurde.
2. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Da die Klage am 19.9.2010 zugestellt wurde, musste der Beginn der Verzinsung in analoger Anwendung von § 187 BGB auf den 20.9.2010 als den nächsten Tag festgesetzt werden. Die Höhe des Zinssatzes resultiert unmittelbar aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Angesichts dessen musste die Klage auf Leistung von Schadensersatz in voller Höhe Erfolg haben.
II. Die Widerklage ist zulässig und zum Teil begründet.
1. An der Zulässigkeit der Widerklage bestehen keine Zweifel, wobei die Kammer nicht abschließend entscheiden muss, ob die Vorschrift des § 33 Abs. 1 ZPO nur einen besonderen Gerichtsstand begründet oder eine besondere Prozessvoraussetzung für die Widerklage enthält, wenn dort auf den Zusammenhang mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch abgestellt wird. Der hier gemeinte prozessuale Zusammenhang darf nicht eng ausgelegt werden (vgl. Hüßtege in: Thomas-Putzo, ZPO, 33. Aufl., a. a. O., Rdn. 4 zu § 33; Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 2 zu § 33). Sowohl der klageweise geltend gemachte Anspruch als auch der Anspruch aus der Widerklage haben ihre Grundlage in der Tätigkeit des Beklagten und Widerklägers als Vorstand der Klägerin und Widerbeklagten, weshalb der Zusammenhang bejaht werden muss. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I resultiert – wie auch bei der Klage – bereits aus der rügelosen Einlassung gemäß § 39 ZPO, der auf die internationale Zuständigkeit zumindest analog anwendbar ist (vgl. Zöller Vollkommer, ZPO, a. a. O., Rdn. 4 zu § 39 m. w. N).
2. Die Widerklage ist überwiegend begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Lieferung von 8.442 bzw. 8.146 S...Aktien jeweils als Bonus für die Geschäftsjahre 2003/2004 und 2004/2005 sowie auf Zahlung der hieraus abgeleiteten Dividenden in Höhe von Euro 134 599,- Zug um Zug gegen Zahlung eines Schadensersatzbetrages in Höhe von Euro 15 000 000,- zu.
a. Der Anspruch des Klägers auf die Lieferung der Aktien ergibt sich unmittelbar aus Ziffer 2.2 des Vorstandsdienstvertrages, wonach der Beklagte aus dem Aktienoptionsplan der Klägerin mit Aktien zu beliefern ist.
(1) Die Zahl der Aktien ist zwischen den Parteien unstreitig. Ebenso steht dem Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Dividenden für 8.442 bzw. 8.146 S...Aktien als konkreter Zahlungsanspruch zu. Der Anspruch auf die Leistung einer Dividende entsteh mit dem Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung im Sinne des § 147 AktG, der unmittelbar aus der Mitgliedschaft entsteht und somit insbesondere nicht von weiteren Entstehungsvoraussetzungen abhängig ist (vgl. Drygala in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Rdn. 112 zu § 58; Cahn/v. Spannenberg in: Spindler/Stilz, AktG, a. a. O., Rdn. 94 zu § 58; Bayer in: Münchner Kommentar zum AktG, a. a. O., Rdn. 102 f. zu § 58).
(2) Der Klägerin steht allerdings ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB zu, weil sie einen fälligen Gegenanspruch aus § 93 Abs. 2 AktG in Höhe von Euro 15 000 000,- hat. Hat der Schuldner – hier also die Klägerin – aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf den seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis ihm die gebührende Leistung bewirkt wird. Der fällige Gegenanspruch der Klägerin beruht auf § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG und damit auf demselben rechtlichen Verhältnis wie die Vergütungsansprüche des Beklagten einschließlich des Anspruchs auf Dividendenzahlungen aus dem als Vergütung für seine Tätigkeit gewährten Aktien. Die Konvexität muss bejaht werden, weil es genügt, wenn den Ansprüchen ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt (vgl. nur BGHZ 92, 194, 196; 115, 99, 103; Palandt-Grüneberg, BGB, a. a. O. Rdn. 9 zu § 273). Vorliegend geht es jeweils um vermögensrechtliche Ansprüche der Parteien, die ihre Grundlage in der Organstellung und dem Vorstandsdienstvertrag des Beklagten bei der Klägerin haben, weshalb diese zentrale Voraussetzung der Konnexität im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB erfüllt ist.
Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts führt indes nicht zur vollständigen Klageabweisung, sondern zu einer Verurteilung Zug um Zug.
b. Ein Anspruch aus Zinsen steht dem Beklagten dagegen nicht aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB zu, weil sich die Klägerin nicht in Verzug im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB befindet und folglich auch keine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB begangen hat. Verzug liegt nämlich nur dann vor, wenn der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt. Durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrecht bereits mit Schreiben vom 12.11.2008 seitens der Klägerin einerseits sowie der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Klägerin selbst vom 12.11.2009 andererseits hat sich die Beklagte zum Ablauf der jeweiligen vierjährigen Sperrfrist bereits auf ihr Zurückbehaltungsrecht berufen und folglich den Eintritt des Verzugs verhindert.
Da die Widerklage unbedingt erhoben war und eine Verurteilung nur Zug um Zug erfolgte und auch eine Verurteilung zur Zahlung von Zinsen nicht erfolgte, war die Widerklage im Übrigen abzuweisen.
III. 1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und orientiert sich am Maß des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens in Relation zum Gesamtstreitwert. Da die Widerklage des Beklagten nur zu einer Verurteilung Zug um Zug führte, ist von einem – wenn auch vergleichsweise geringfügigen – Teilunterliegen des Beklagten bei der Widerklage auszugehen, so dass nicht die Relation der reinen jeweils zugesprochenen Werte für die Quotelung ausschlaggebend sein konnte.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert für die Klägerin aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO, für den Beklagten aus § 709 Satz 1 ZPO.
3. Der Streitwert bemisst sich aus der Summe von Klage und Widerklage, nachdem die Vorschrift des § 5 2. Hs ZPO weder für den Rechtsmittelstreitwert noch für den festzusetzenden Gebührenstreitwert gilt. Der Wert der Klage bemisst sich nach dem bezifferten Antrag. Bei der Widerklage ergibt sich der Wert aus der Zahl der Aktien multipliziert mit dem Börsenkurs von Euro 78, je Aktie, wie er von der Klägerin angegeben wurde. Der Anspruch auf die Dividende war allerdings nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, weil es sich bei den Dividenden um Rechtsfrüchte im Sinne des § 99 Abs. 2 BGB handelt (vgl. OLG Bremen DB 1970, 1436 = WM 1970, 1206, 1207; Jickeli/Stieper in: Staudinger, BGB; Neubearb. 2011, Rdn. 17 zu § 99; Palandt-Ellenberger, BGB, a. a. O., Rdn. 3 zu § 99), die als Nebenforderung und nicht selbständig eingeklagt wurden.