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ZNER 2014, 315
Becker 

Editorial

Die Gerichte mischen sich ein …

Dass das EEG 2014 ein rundum gelungener Kompromiss sei, wird keiner behaupten können: Noch mehr „atmende Deckel“, Streichung des Grünstromprivilegs, Weiterfahren mit dem missglückten Ausgleichsmechanismus, der den Braunkohlestrom privilegiert und die EE diskriminiert, ante portas: Ablösung normierter Einspeisevergütungen durch Vergütungen, die im Wege der Ausschreibung gewonnen werden. Der Schritt in die neue Welt der EEG-Deform, wie Stephan Grüger das formuliert, scheint getan.

Unerträglich, wie massiv sich die EU in die Details der Neuregelung der Industrieprivilegien bei der EEG-Umlage eingemischt hat. Man muss an Art. 188 AEUV erinnern: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ In der Sache war es allerdings schon ganz gut, dass der Lobbydruck der Industrie in Brüssel nicht so verfangen hat wie in Deutschland.

Dazu kam das Bangen, wie der EuGH mit der Klage der schwedischen Alands Vindkraft AB umgehen würde: Würde es bei der Entscheidung des Netzbetreibers bleiben, keine Zertifikate für Produktionsanlagen zu erteilen, die sich außerhalb des betreffenden Mitgliedsstaats befinden? Die Entscheidung erging zugunsten des nationalen – hier – Quotensystems und gegen die Warenverkehrsfreiheit. Der Vorrang des nationalen Gestaltungsvorrangs blieb anerkannt. Deutschland kann sich zurücklehnen. Das Urteil wird dem Studium empfohlen.

Der nationale Sieg der Industrielobby, ohnehin verwöhnt durch die niedrigen Börsenstrompreise, bei der Kaperung der Privilegien wirft allerdings eine ganz wichtige Rechtsfrage auf. Die Ausnahme von der Belastung der stromintensiven Industrien mit der EEG-Umlage wird mit dem Interesse an der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Industrie begründet. Allein diese Ausnahme führt dazu, dass die EEG-Umlage 1,25 Cent/kWh höher ist als ohne sie. Im Ergebnis zahlen die nicht privilegierte Industrie, das Gewerbe und die Haushaltskunden deren EEG-Umlage mit. Das dürfte – so das Bundesverfassungsgericht im Kohlepfennig-Urteil vom 11.10.1994 – gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Nr. 11, Art. 72, Art. 105 und Art. 110 des Grundgesetztes verstoßen. Wer klagt?

Genauso unerträglich sind die Konsequenzen des finanziellen Ausgleichsmechanismus: Die ÜNBs müssen die aufgenommen EE-Mengen über den Spotmarkt der Börse verkaufen. Konsequenz: Der Börsenstrompreis fällt. Mithalten können nur noch die abgeschriebenen Kohlekraftwerke, argumentativ unterstützt vom Mustrun-Grundsatz. Ausgerechnet die EE helfen der Braunkohleverstromung und steigern so die Luftverschmutzung.

Aber ist der Marktpreis, den diese Konstruktion der Ausgleichsmechanismusverordnung (die keiner kennt) wirklich verfassungsmäßig? Es handelt sich ja um eine Fehlsteuerung bei der Preisbildung. Die EE werden um ihren wahren Wert betrogen. Wird damit nicht gegen Art. 12 GG, aber auch gegen Art. 3 GG verstoßen? Wie ist es mit dem Prinzip des freien, fairen und unverfälschten Wettbewerbs, das über die Art. 119, 120 AEUV auch Teil der deutschen Verfassung ist? Der aufrechte Advokat spitzt die Griffel

Ein Ärgernis ist auch die Deform der Biomasseförderung, zu der der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts ein Gutachten geschrieben hat, in dem er sie – im Auftrag des Verbandes – als verfassungswidrig geißelt. Ekardt beleuchtet mehrere Verfassungsfragen, die sich aus dem EEG 2014 ergeben, und kommt zu dem Fazit: „Somit sprechen im Lichte des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes starke Argumente gegen die Haltbarkeit der Biomasse-Übergangsregelung.“ Ein interessanter, zum Nachdenken anregender Aufsatz!

Peter Becker

 
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