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SRNL 2022, 4
Mönning 

Nur ein Wümmschen

von Prof. Dr. R.-D. Mönning, Aachen

Abbildung 2

Insolvenzantragspflicht: Aufschub bei Überschuldung.

Die Bundesregierung pflegt ihre Vorhaben neuerdings mit Begriffen aus der Comicsprache zu versehen. Nach der „Bazooka“ und dem „Doppel-Wumms“, mit denen vorangegangene Unterstützungsmaßnahmen für krisengebeutelte Unternehmen tituliert wurden, käme für das jetzt verabschiedete „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen“ (kurz: SanInsKG) nur „Wümmschen“ als zutreffende Verniedlichung in Betracht. Denn tatsächlich sind die wiederum temporär ausgerichteten Veränderungen marginal.

Sie betreffen zudem ausschließlich den Insolvenzantragsgrund der Überschuldung, an dem Deutschland, anders als andere europäische Staaten, auch gegen massive Kritik im eigenen Lande festhält. Nur im Falle der Überschuldung sieht das Gesetz Abweichungen von der gegenwärtigen Rechtslage vor. Der Insolvenzantragsgrund der Zahlungsunfähigkeit bleibt unangetastet. Schon aus diesem Umstand ergibt sich, dass die Auswirkungen der neuen gesetzlichen Regelungen zur Abmilderung von Krisenfolgen gering sein dürften. Denn in den meisten Fällen werden Insolvenzanträge wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt.

Was ändert sich durch SanInsKG?

1. Bis zum 31.12.2023 wird der für die Bewertung der Fortführungsprognose im Rahmen der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung maßgebliche Betrachtungszeitraum von derzeit 12 auf 4 Monate reduziert. Was bedeutet das?

Bislang setzt eine positive Fortbestehungsprognose voraus, dass das Krisenunternehmen mindestens für weitere 12 Monate durchfinanziert ist. Dieser Zeitraum wird jetzt auf 4 Monate verkürzt. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die derzeitige Energiekrise und die damit verbundenen Preisschwankungen keine längerfristigen Prognosen zulassen. Unternehmen fahren auf Sicht, verlässliche Prognosen sind nur noch für überschaubare Zeiträume möglich.

Die Verkürzung des Prognosezeitraums gilt für alle betroffenen Unternehmen. Kein Geschäftsführer muss nachweisen, dass die Krise seines Unternehmens Folge aktueller Belastungen durch den russischen Angriffskrieg sind. Auch wenn die Schieflage hausgemacht ist, verkürzt sich der Prognosezeitraum im Rahmen der Fortbestehensprognose auf 4 Monate.

SRNL 2022 S. 4 (5)

2. Führt eine insolvenzrechtliche Überschuldung zwingend zur Insolvenzantragspflicht, verlängert das SanInsKG die Antragspflicht von derzeit 6 auf 8 Wochen. Damit hat die Geschäftsleitung 2 Wochen mehr Zeit, Maßnahmen zur Beseitigung des Insolvenzgrundes der Überschuldung einzuleiten. Kann jemand, der das rettende Ufer in 6 Wochen nicht erreicht, es nunmehr in 8 Wochen schaffen? Mit Recht darf bezweifelt werden, ob diese Regelung in der Praxis irgendeine Auswirkung haben wird.

3. Diese Änderung betrifft wiederum Prognosezeiträume. Diesmal allerdings im Rahmen eines Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren und auf Verhängung von Stabilisierungsanordnungen in einem Restrukturierungsverfahren nach dem Sta-RUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen), das bislang noch keine praktische Bedeutung gewonnen hat. Die zwingende Anordnung der Eigenverwaltung setzt bislang voraus, dass der Antragsteller belegt, dass ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung mindestens für 6 Monate durchfinanziert ist. Gleiches gilt im Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, wenn beim Restrukturierungsgericht der Antrag gestellt wird, eine Vollstreckungssperre und/oder Verwertungssperre anzuordnen, um die Durchführung eines Restrukturierungsverfahrens nicht zu gefährden. Mit dem SanInsKG wird der Planungszeitraum nunmehr auf 4 Monate reduziert. Der Grund liegt auf der Hand: Welches Unternehmen kann heutzutage verlässlich über einen längeren Zeitraum planen?

Im Ergebnis enthält das SanInsKG keine Regelungen zur neuerlichen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, sondern beinhaltet nur eine temporäre und maßvolle Verkürzung relevanter sanierungs- und insolvenzrechtlicher Prognose- und Planungsfristen. Der Gesetzgeber ist damit Empfehlungen aus der Praxis gefolgt, wie sie beispielsweise in der Stellungnahme der Restrukturierungsprofis vom Gravenbrucher Kreis enthalten sind (https://www.gravenbrucher-kreis.de/aktuelles/). Praxisrelevant sind die Regelungen ohnehin nur für Geschäftsleiter von juristischen Personen, die gesetzlich bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verpflichtet sind, fristgemäß einen ordnungsgemäßen Insolvenzantrag zu stellen.

Abbildung 3

Professor Dr. Rolf-Dieter Mönning (Mönning Feser Partner) gründete 1980 die Kanzlei Mönning & Georg und zählt zu den führenden Verwaltern und Restrukturierungsberatern (erneut: „Beste Anwälte im Bereich Restrukturierung und Insolvenz“ Handelsblatt 2020). Er wird seit 1979 mit der Abwicklung von Konkurs-, Vergleichs-, Gesamtvollstreckungs- und Insolvenzverfahren und der Beratung von Krisenunternehmen beauftragt und hat bis heute über 3.500 Verfahren aller Größenordnungen mit Schwerpunkt Fortführung und Sanierung bearbeitet. Er veröffentlicht und referiert regelmäßig im In- und Ausland zu insolvenzrechtlichen Themen und ist u.a. Herausgeber und Autor des Handbuchs „Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz“. Bis zur Emeritierung war er Professor für Unternehmensrecht an der Fachhochschule Aachen.

 
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