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RIW 2025, I
Frank-Fahle/Trost 

Economic Participation Policy in Saudi-Arabien – Neue Lokalisierungsanforderungen in der öffentlichen Auftragsvergabe

Abbildung 1

Abbildung 2

Die Autoren
Dr. Constantin Frank-Fahle, LL.M. (li.) und Marcel Trost (re.) sind Gründungspartner der Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft emltc, Abu Dhabi/Dubai, Vereinigte Arabische Emirate

Die EPP Saudi-Arabiens verlangt bei großen öffentlichen Ausschreibungen 35 % lokale Reinvestitionen

Die Local Content & Government Procurement Authority (LCGPA) des Königreichs Saudi-Arabien hat im Dezember 2023 die sog. Economic Participation Policy (EPP) veröffentlicht. Die EPP gilt für Regierungsaufträge, bei denen der Wert der importierten Waren und Dienstleistungen 100 Mio. SAR (ca. 24,5 Mio. EUR) oder mehr beträgt. Unternehmen, die an entsprechenden öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen möchten, müssen nachweisen, dass der Wert ihrer wirtschaftlichen Beteiligung in Saudi-Arabien sich auf mindestens 35 % des Wertes der importierten Waren oder Dienstleistungen beläuft. Infolge dieser neuen Vorgaben müssen ausländische Teilnehmer an großvolumigen öffentlichen Ausschreibungen bei Überschreitung der Schwellenwerte, d. h. mindestens 35 % des Auftragsvolumens, in Saudi-Arabien reinvestieren. Die EPP sieht verschiedene Kategorien der lokalen wirtschaftlichen Beteiligung (bspw. lokale Forschung und Entwicklung und Lokalisierung von Industrie oder Dienstleistungen) und entsprechende Multiplikatorenwerte vor.

Infolge der EPP sind deutsche Unternehmen, die an entsprechenden öffentlichen Aufträgen in Saudi-Arabien interessiert sind, gut beraten, sich rechtzeitig mit den Einzelheiten der EPP vertraut zu machen, um die daraus resultierenden Verpflichtungen zu verstehen und gegebenenfalls sicherstellen zu können, dass eine zukünftige Teilnahme an entsprechenden öffentlichen Ausschreibungen möglich bleibt. Angesichts der Komplexität der rechtlichen Anforderungen und der Höhe der gegebenenfalls erforderlichen Investitionen in Saudi-Arabien ist betroffenen Unternehmen auch aus Gründen der Risikovorsorge zu empfehlen, sich frühzeitig u. a. mit der LCGPA in Verbindung zu setzen, um offene Fragen zu klären und Missverständnisse zu vermeiden.

Die EPP reiht sich ein in eine Vielzahl von jüngeren saudischen Lokalisierungsmaßnahmen, die einen immer größeren Einfluss auf die Strategie und das Geschäftsmodell ausländischer Wirtschaftsteilnehmer haben, die in Saudi-Arabien geschäftlich aktiv sind oder werden wollen. Beispielhaft genannt sei insbesondere das Regional Headquarter Program (RHQ-Programm), das im Jahr 2022 als Teil der Vision 2030 implementiert wurde, um die Hauptstadt Riad zu einem regionalen Businesshub zu entwickeln und RHQs von ca. 500 ausländischen Unternehmen anzusiedeln. Unternehmen, die ein RHQ in der MENA-Region (Middle East and North Africa), nicht aber in Saudi-Arabien unterhalten, werden seit dem 1. 1. 2024 von der öffentlichen Vergabe faktisch ausgeschlossen. Sie dürfen zwar grundsätzlich an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, indes darf die Auftragsvergabe durch die Behörden nur noch unter besonderen Umständen erfolgen. Im Gegenzug bietet das RHQ-Programm teilnehmenden Unternehmen zahlreiche Vergünstigungen, u. a. steuerlicher Natur, an. Kürzlich wurde bekanntgegeben, dass das für 2030 gesetzte Ziel 500 RHQs bereits übertroffen wurde.

Ein Effekt der Lokalisierungsmaßnahmen ist, dass der ohnehin schon bestehende Wettbewerb um ausländische Investitionen zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) weiter verstärkt wird. Traditionell hatten nämlich die VAE und dort insbesondere das Emirat Dubai eine führende Position in Bezug auf ausländische Investitionen in der MENA-Region inne. Für (deutsche) Unternehmen folgt aus diesem Wettbewerb, dass sowohl Unternehmensgründungen als auch -strukturierungen immer komplexer werden, weil neben der Unternehmensstrategie für die Region auch die zunehmende Verrechtlichung mit grenzüberschreitender Wirkung beachtet werden muss, um dauerhaften geschäftlichen Erfolg zu ermöglichen. Das Tempo und die Dynamik, die die Regierungen der Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates im Sinne der Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und der langfristigen Wohlstandssicherung unter Beweis stellen, können als beeindruckend bezeichnet werden. Für Unternehmen kann sich daraus die Notwendigkeit ergeben, das eigene Geschäftsmodell regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

Dr. Constantin Frank-Fahle, LL.M., Rechtsanwalt, und

Marcel Trost, Rechtsanwalt/Bankkaufmann, beide Abu Dhabi/Dubai, Vereinigte Arabische Emirate

 
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