Trennbankensystem: keine Bekämpfung der eigentlichen Bankrisiken
Die Trennlinie zwischen “gut” und “böse” verläuft nicht zwischen Investmentbank und Einlagen-/Kreditgeschäft
Die Banken haben sich am Steuerzahler versündigt. Die Kreditwirtschaft darf sich deshalb nicht wundern, dass ihr die Öffentlichkeit mit strengeren Aufsichtsregeln, verschärften Haftungsbestimmungen, höheren Eigenkapitalanforderungen und Begrenzungen der variablen Vorstandsgehälter Zügel anlegen möchte. Zu diesen Eingriffen in bestehendes Kapitalmarktrecht kommt jetzt die Forderung nach einem Trennbankensystem hinzu. Banken wie die HRE oder die spanische Bankia dürfen nicht wieder mit öffentlichen Geldern am Leben gehalten werden. Als “Zombiebanken” hängen sie am Tropf, ohne Nutzen zu stiften. Ihre Gewinne wurden privatisiert und ihre Verluste sozialisiert. Dies verursacht unfaire Wettbewerbsverzerrungen. Die Genossenschaftsbanken versorgen verlässlich die regionale Wirtschaft mit Kredit, ohne staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine pauschale Bankenschelte ist folglich nicht angebracht, denn es gibt Banken mit “weißer” und solche mit “schmutziger Weste”. “Toxische” Bankgeschäfte wie der Eigenhandel, die keinen volkswirtschaftlichen Nutzen bewirken, werden den großen Investmentbanken zugeordnet, während die Finanziers der Realwirtschaft das “wertvolle” Bankgeschäft betreiben.
Der Trennbankenansatz, nach dem man hoch riskante, große Investmentbanken im Krisenfall untergehen lässt, hat etwas Bestechendes. Besonders restriktiv fällt in den USA die Volcker-Rule aus, nach der Banken mit Einlagengeschäft überhaupt keinen Eigenhandel mehr betreiben dürfen. Aber auch der Vickers-Bericht für Großbritannien basiert auf strengen Regeln für die getrennte Führung von Einlagenbanken und Investmentbanken. Auf EU-Ebene propagieren schließlich die Experten der Liikanen-Gruppe einen liberalen Trennbankenansatz, indem sie oberhalb der zu trennenden Geschäftsfelder ein Holding-Dach zulassen. Obwohl der deutsche Gesetzentwurf mit der allgemeinen Zulassung von Market-Making-Aktivitäten und Holdingkonstrukten eher den weniger restriktiven Modellen folgt, stieß er in der Anhörung vor dem Finanzausschuss des Bundestags vom 22.4.2013 auf entschiedene Ablehnung der Kreditwirtschaft und des BDI. Andererseits kritisieren die Vertreter “echter” Trennbankensysteme die Halbherzigkeit der geplanten deutschen Normen. Diese Meinungsvielfalt muss die Abgeordneten verwirren.
Auch aus der Wissenschaft kommen sehr unterschiedliche Aussagen zur stabilisierenden oder destabilisierenden Wirkung von Termingeschäften. Außerdem liegen keine eindeutigen empirischen Ergebnisse zur Überlegenheit eines Trennbankensystems gegenüber dem Universalbankenprinzip vor. Dies spricht nicht prinzipiell gegen den Schwarz-Weiß-Ansatz des Trennbankengesetzes, denn den schwarzen Schafen des Kreditgewerbes muss man künftig früher das Handwerk legen. Die Trennlinie zwischen “Gut und Böse” oder zwischen volkswirtschaftlich nützlichem oder schädlichem Bankgeschäft verläuft aber nicht zwischen Investmentbank und Einlagen- und Kreditgeschäft. Deshalb bekämpft man mit einem Trennbankensystem nicht die eigentlichen Bankrisiken. Die den europäischen Steuerzahler belastenden spanischen Banken haben sich im klassischen Bankgeschäft der Immobilienfinanzierung verrannt. Ihre Problemfelder bekommt man nicht mit Trennbanken, sondern durch Verhinderung von “Klumpenrisiken” in den Griff. Es ist eine Illusion zu glauben, implizite Staatsgarantien könne man zukünftig auf Einlagenbanken beschränken. Der Zusammenbruch einer abgetrennten Deutschen Bank für Investmentgeschäfte würde angesichts der Größe der Bank eine ganze Volkswirtschaft mitziehen. Die historisch gewachsenen deutschen Universalbanken sind nicht zwingend riskanter als US-Trennbanken. Sie erzielen kostensparende Synergieeffekte in der Kundenbetreuung, optimieren die Eigenkapitalnutzung sowie Liquiditätssteuerung auf breiter Basis und nutzen Diversifikationseffekte zwischen den Geschäftsfeldern zur Ergebnisglättung. Am besten entrinnt man der Ratlosigkeit zum Gesetzentwurf über Trennbanken, indem man generell Risikohäufungen unterbindet, Hasardeure stärker zur Rechenschaft zieht und hohe Risiken mit mehr haftendem Eigenkapital unterlegt. Dem klugen Slogan der Occupy-Bewegung: “Rettet die Bankkunden und nicht die Banken”, dient man so am besten. Die schwarzen Schafe, gleichgültig ob Investment- oder Einlagenbank, sollte man bei gravierenden Fehlspekulationen zukünftig abwickeln, statt sie zu “Zombiebanken” umzufunktionieren. Banken dürfen nicht mehr Kapitalmarktversagen verursachen, Staaten in die Überschuldung stürzen und die europäische Solidargemeinschaft überfordern. Das gut gemeinte und am 15.5.2013 vom Finanzausschuss des Bundestags gebilligte Trennbankengesetz garantiert dies nicht.
Prof. Dr. Wolfgang Gerke ist Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums in München