Wir machen nicht mit
Die Aufklärung des Verbrauchers im Internet hat sich zu einer besonderen Leidenschaft der Normgeber entwickelt. Erfolgreich, wie sich zeigt: Sie schafft vielerorts Leiden. Die ODR-Plattform, die – trotz verpflichtender Einführung zum 9. 1. 2016 – zunächst nicht fertiggestellt war und dann mangels gesetzlicher Grundlage in Deutschland erst zum 1. 4. 2016 eingesetzt werden konnte, ist eine der Informationspflichten geworden, die zuletzt von den selbsternannten Wettbewerbshütern zur massenhaften Abmahnung genutzt wurden. Der Teufel steckt freilich im Detail, wie das OLG Dresden völlig richtig festgestellt hat. Art. 14 Abs. 1 der ODR-Verordnung 524/2013 verlangt nämlich lediglich, dass der Betreiber der “Website” den Link vorhalten muss, denn dort heißt es wörtlich: “[...] Unternehmer [...] und Online-Marktplätze stellen auf ihren Websites einen Link zur OS-Plattform ein”. Die Verpflichtung richtet sich mithin an den Betreiber einer “Website”, mitnichten aber auch an den Betreiber einer “Webseite”, so dass insbesondere die Anbieter von Waren auf den Plattformen Amazon und eBay nach dem Wortlaut der Norm nicht verpflichtet sind, den Link vorzuhalten. Denn der Wortlaut der Norm ist eindeutig, ebenso wie Erwägungsgrund 30 der ODR-Verordnung. Eine Website ist die gesamte Webpräsenz, sie setzt sich aus vielen Webseiten zusammen, im Falle von eBay und Amazon aus den einzelnen Angeboten der Händler. Dies bestätigt im Übrigen auch für die englische Fassung, denn auch dort wird zwischen “website” und “web page” unterschieden. Die Probleme sind damit allerdings noch nicht erledigt. Die nächste Frage ist, ob der Link als Hyperlink klickbar sein muss oder ob die Angabe der Internetadresse genügt. Begreift man richtiger Weise das Wort “Link” als Abkürzung für “Hyperlink”, so wird man einen klickbaren Link fordern müssen, was auch die englische Fassung “electronic link” bestätigt. Das ist auch durchaus sinnvoll, ein Verbraucher soll möglichst ohne größeren Aufwand zur ODR-Plattform gelangen, damit er nicht noch mehr Zeit vertut, geholfen wird ihm dort nämlich ohnehin nicht.
Zum 1. 2. 2017 gesellen sich zu den Informationspflichten nach der ODR-Verordnung weitere Pflichtinformationen für Unternehmer, dieses Mal aus dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Sie teilen sich in allgemeine Informationspflichten nach § 36 VSBG, die jeden Unternehmer treffen, der am 31. 12. des Vorjahres mehr als zehn Personen beschäftigt und oder kraft Gesetzes zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet ist und der eine Webseite (Achtung: nicht Website!) unterhält oder AGB verwendet. Dieser Unternehmer muss jetzt vorvertraglich ausdrücklich darauf hinweisen, dass er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, oder eben nicht. Unternehmern ist dies kaum noch zu vermitteln, zumal ihnen regelmäßig unklar ist, worin der Unterschied zwischen ODR und ADR besteht und wie diese beiden Systeme ineinander greifen sollen. Unverständlich ist auch, dass das Gesetz anordnet, dass diese Information in die AGB aufzunehmen ist, wenn solche verwendet werden. AGB sind vorformulierte Vertragsbedingungen. Beim Hinweis über die Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren handelt es sich um Pflichtinformationen, die ein Unternehmer angeben muss. Es mag praktisch sein, diese in ein vorhandenes AGB-Werk zu integrieren. Aber dogmatisch gehören sie dort nicht hin.
Unabhängig von der Größe seines Unternehmens muss ein Unternehmer einen Verbraucher auf die für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinweisen, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte. Gleichzeitig soll der Unternehmer angeben, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bereit oder verpflichtet ist. Dies verlangt § 37 VSBG.
Soweit ersichtlich, ist praktisch kein Onlinehändler freiwillig zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bereit. Der Wille, kraft Gesetzes eine Streitbeilegung außerhalb der Gerichte zu etablieren, die unausgewogen allein die Unternehmer finanziell belastet, ist erst einmal gescheitert. Wut und Unverständnis über zahllose Abmahnungen wegen der fehlenden Information über ein Verfahren, an dem der Unternehmer gar nicht teilnimmt, werden ihr Übriges dazu beitragen, die Akzeptanz der Streitbeilegung bei den Unternehmern zu verhindern. Die Herausforderungen der digitalen Revolution für den Gesetzgeber sind erheblich, dort brauchen wir innovative Gesetze, die den Fortschritt ermöglichen. Dazu gehört insbesondere die erhebliche Reduzierung der (z.T. sinnleeren) vorvertraglichen Informationspflichten, gerade auch um in der Entwicklung des Internet of Things nicht durch juristischen Formalismus den Anschluss zu verhindern.
RA Dr. Felix Buchmann, Stuttgart