Standardessentielle Patente bereiten Probleme bei der Entwicklung des automatisierten Fahrens
In letzter Zeit bereitet der patentrechtliche Schutz gerade der für Deutschland besonders bedeutsamen Industrie, der Automobilindustrie, ganz erhebliche Schwierigkeiten. Firmen des Telekommunikationssektors besitzen Schutzrechte an standardisierten Softwareerfindungen die für das hochautomatisierte und erst recht für das autonome Fahren erforderlich sind. Erklärtermaßen soll der deutsche Automobilmarkt 40 bis 50 Milliarden an Lizenzgebühren hergeben. Diese schon gewaltige Summe entsteht dadurch, dass die Lizenzgebühren im Zusammenhang mit dem Kaufpreis der Fahrzeuge und nicht am Wert der Softwareerfindung berechnet werden.
Die zur Vermeidung den Wettbewerb behindernder Monopolstrategien des Patentinhabers von den Normungsinstituten verlangte FRAND-Erklärung (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory) bereitet zumindest zur Zeit noch sehr viel Schwierigkeiten.
Die FRAND-Erklärung hat kartellrechtliche Bedeutung, soweit es zwischen dem Patentinhaber und dem Nutzer bzw. Verletzer nicht zu einer Einigung kommt. Das Kartellrecht mit seinem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ist nicht unbedingt das geeignete Rechtsinstitut, weil schwer zu verstehen ist, dass das eine Recht die Monopol- bzw. marktbeherrschende Stellung begründet und ein anderes Recht diese Position wieder einschränkt.
Je nachdem wie die Gerichte die FRAND-Erklärung auslegen, steht dann auch die Schutzwirkung des Patents oder die Freihaltung der Märkte im Vordergrund.
Der BGH verlangt ein unbedingtes Angebot, so ausgewogen, dass der Berechtigte keinen Grund zur Ablehnung hat, selbst eine Nichtangriffserklärung kann verlangt werden.
Anders der Europäische Gerichtshof. In dem dem vom EuGH entschiedenen Vorlageverfahren zugrunde liegenden Fall klagte Huawei gegen das Unternehmen ZTE vor dem LG Düsseldorf u. a. auf Unterlassung einer Patentverletzung und Schadenersatz.
Der EuGH entscheidet zunächst dahin, dass die Verhandlungsbereitschaft des Verletzers für sich genommen noch nicht ausreicht, um eine Patentverletzungsklage zu verhindern. Der EuGH senkt dann aber die Anforderungen an das Verhalten des Patentverletzers im Vergleich zu der bis dahin in Deutschland maßgeblichen BGH-Entscheidung („Orange Book Standard“) erheblich ab.
Anders wie in der Orange-Book Entscheidung des BGH entschieden ist es Angelegenheit, Obliegenheit, des Patentinhabers, sich bei dem Verletzer zu melden, die Verletzung konkret zu rügen – d. h. das verletzte Patent und den Nutzungsumfang zu benennen – und auch das erste Angebot zu machen.
Die vom BGH verlangte Verpflichtung des Patentverletzers zur Benutzungsabrechnung und Sicherheitsleistung wurde zwar bestätigt, aber doch erheblich modifiziert. Erst wenn weder das Angebot des Verletzten noch das des Verletzers von der jeweiligen Gegenseite akzeptiert wird, ist bei weiterer Nutzung Sicherheit zu leisten.
Ungeklärt ist aber wieder die Höher der nach FRAND-Bedingungen zu leistenden Sicherheit. Der EuGH verlangt eine „angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten“.
Unklar ist auch, auf welcher Grundlage die zu leistende Sicherheit zu bemessen ist. Ist das (gegebenenfalls unfaire) Angebot des SEP-Inhabers maßgeblich, oder das (vielleicht zu niedrig angesetzte) Gegenangebot? Weiterhin nicht geklärt bleibt auch, wie im Falle unterschiedlicher Auffassungen der Parteien darüber, welche Art der Lizenzierung (z. B. Bündelung mehrerer Patente, Stücklizenz, umsatzabhängige Lizenz, etc.) den FRAND-Bedingungen entspricht, zu verfahren ist.
Der EuGH hat auch klargestellt, dass bei der Berechnung der vom Verletzer zu leistenden Sicherheit nicht nur die künftigen, sondern auch die bereits erfolgten Benutzungshandlungen einzubeziehen sind. Das ist nicht per se richtig. Der Patentinhaber wird zumindest in Ländern die Verlet¬
Vielfach wird das SEP-Problem im Zusammenhang mit der sog. essential facility-Rechtsprechung behandelt. Der Vorteil dieser Rechtsprechung für den Nutzer könnte dann darin liegen, dass mangels Schutzbereich keine Verletzungshandlung vorliegt.
Die Lösung zur Eingrenzung einer Marktbeherrschung liegt hier in der Unterscheidung zwischen vorgelagertem- bzw. Hauptmarkt oder eigentlichem Markt und den nachgeordneten Märkten. Der Schutzbereich für den Hauptmarkt bleibt unangetastet, der für die Nebenmärkte nicht.
Allerdings zeigen die zahlreichen hierzu ergangenen Urteile auf, dass diese Unterscheidung nach dem Sachverhalt eher selten vorgegeben, sondern konstruiert war.
Wenn man dies für vertretbar hält wird sicher diese Doktrin helfen können.
Das leitet dann auch zu den bislang sehr selten diskutierten patentrechtlichen Lösungen über.
Das Erzeugnispatent mit seinem umfassenden, alle Verwendungen einschließende Rechte, gibt es vielfach nicht mehr.
Softwarepatente, der Schutz von ja mathematisch erklärbaren Algorithmen, werden nicht als solche geschützt, sondern nur in ihrer konkreten Verbindung zu technischen Vorgängen, die angegeben werden müssen, damit auch eine technische Erfindung nachgewiesen ist. Die mathematische Lehre ist vom Schutz ausgenommen. Es ist zumindest fraglich, ob die Verwendung möglicherweise zahlreicher, bei der Anmeldung evtl. noch gar nicht bekannter oder bewusster, Technologien die Anforderungen an Technizität erfüllt oder ob vielmehr die Entwicklung einer mathematischen und damit schutzlosen Lehre im Vordergrund stand. Als weiteres Beispiel können die Erfindungen auf dem Gebiet des Schutzes von Gensequenzen genannt werden; nach langer Diskussion gehört heute zu den Schutzvoraussetzungen von Gensequenzen die Angabe der konkreten Verwendungsart.
Von Bedeutung wäre dann auch die neue Rechtsprechung des BGH mit der er das deutsche System der Schutzbereichsbestimmung verlassen hat und nun dem britischen Catnick-Test anwendet. Dies bedeutet: Keine Ergänzung der Ansprüche durch die Ausführungen in der Beschreibung.
Beide Kriterien können insbesondere bei Softwarepatenten verhindern, dass durch das Patentrecht Monopole aufgebaut werden, die zumindest in ihrer Wirkweise durch das Kartellrecht wieder eingeschränkt werden müssen.
Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler, Berlin