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DSB 2025, 121
Quiel 

Bündelung der Aufsicht über die Privatwirtschaft – stehen Nutzen und Aufwand wahrscheinlich in einem ausgewogenen Verhältnis?

Abbildung 1

Philipp Quiel Schriftleitung Datenschutz-Berater

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die Datenschutzaufsicht soll zentralisiert werden. Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien u.a. auf Folgendes verständigt: „Wir reformieren die Datenschutzaufsicht und bündeln sie beim Bundesdatenschutzbeauftragten. (…) Im Interesse der Wirtschaft streben wir eine Bündelung der Zuständigkeiten und Kompetenzen bei der Bundesdatenschutzbeauftragten an. Sie soll dann Bundesbeauftragte für Datennutzung, Datenschutz und Informationsfreiheit sein.“

Die Sinnhaftigkeit der Umbenennung ist sicherlich gering, sofern die Bundesbehörde nicht in Zukunft noch in anderen Digitalrechtsakten geregelte Aufsichtsfunktionen zusätzlich übernehmen soll. Ob eine zentrale Bündelung der Aufsicht wirklich im Interesse der Wirtschaft ist, kann man aus verschiedenen Perspektiven definitiv unterschiedlich beantworten. Die Bundesbeauftragte hat jedenfalls signalisiert, für eine Bündelung der privatwirtschaftlichen Aufsicht bei ihrer Behörde zur Verfügung zu stehen. Die Datenschutzbehörden der Länder wandten sich mit eigenen Vorschlägen zur Reform bestehender Strukturen gegen die Vorschläge zur Zentralisierung. Auch wenn die Zentralisierungspläne nun im Koalitionsvertrag festgehalten sind, hat dieser Umstand allein erfahrungsgemäß nicht zur Folge, dass die Pläne immer und schnell umgesetzt werden. Schon weil eine Bündelung der Zuständigkeiten über die gesamte privatwirtschaftliche Verarbeitung personenbezogener Daten deutlich mehr als ein reines Verschieben von Kompetenzen auf dem Blatt Papier erfordert, benötigt man auf jeden Fall etwas Zeit und einen gut durchdachten Plan. Bei näherer Betrachtung wirkt es sogar wie eine besonders unliebsame Mammutaufgabe. Das sollte zwar für sich genommen ambitionierten Reformen nicht entgegenstehen. Man kann jedoch mit guten Gründen in Frage stellen, ob Aufwand und Nutzen hier wahrscheinlich in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Und ob man sich politisch vielleicht viel mehr Nutzen verspricht, als in der Realität von vornherein mit einer Bündelung erreicht werden kann.

Es sollten zumindest die folgenden Fragen vorab beantwortet werden: Was passiert mit solchen Mitarbeitern der Landesbehörden, deren Tätigkeiten auf die Wirtschaft fokussiert sind – sollen diese zur Bundesbeauftragten wechseln dürfen? Welche Rolle spielt die Datenschutzkonferenz dann noch bei der Aufsicht über die Privatwirtschaft? Unter welchen Voraussetzungen ist es überhaupt möglich, unabhängigen Behörden Kompetenzen zu entziehen? Sollen die Landesbehörden als Außenstellen der Bundesbehörde fungieren und doch noch eine Rolle bei der privatwirtschaftlichen Aufsicht einnehmen? Welche Anpassungen sind aus verfassungsrechtlicher Sicht notwendig? Wie wird mit aktuell von den Landesbehörden geführten und mitunter wohl noch Jahre andauernden aufsichtsbehördlichen und gerichtlichen Verfahren umgegangen? Verschieben sich Zuständigkeiten in Arbeitsgruppen vom Europäischen Datenschutzausschuss? Wie soll die Bundesbehörde die ganze Mehrarbeit stemmen und innerhalb der Behörde Kohärenz sicherstellen? Hat die Bundesbehörde wirklich noch zusätzlich genügend Kapazitäten für die Übernahme neuer Aufsichtstätigkeiten aus anderen Digitalrechtsakten? Wer bearbeitet neu eingehende Beschwerden etc. während die Strukturen umgestellt werden? Welche konkreten Ziele sollen erreicht werden? Ist es das alles wirklich wert?

Wenn man den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Weg der Bündelung der Aufsicht in der Praxis auch wirklich gehen will, dann muss man wahrhaftig von dessen Nutzen überzeugt sein. Andernfalls würde sich wohl niemand freiwillig dieser so unliebsamen Mammutaufgabe annehmen oder seinem Mitarbeiterstab aufbürden wollen. Bei mir bleibt jedenfalls ein großes, dickes Fragezeichen: Kann der Aufwand der Bündelung wirklich den versprochenen Nutzen wert sein? Es droht ein Fall von „vielleicht irgendwie gut gemeint gewesen“ zu werden. Ich bin der Ansicht, dass eine Reform bestehender Strukturen und Institutionen wahrscheinlich weniger Aufwand verursachen und doch mehr Nutzen bringen kann. Für finale Einschätzungen ist es angesichts der bestimmt noch nicht ausgereiften und jedenfalls nicht öffentlich bekannten Pläne vielleicht auch noch zu früh. Es wäre in jedem Fall gut, wenn verschiedene Akteure der Datenschutz-Szene angehört und involviert werden, sobald die Pläne in nächster Zeit und später im Gesetzgebungsprozess konkretisiert werden sollen. Das kann denke ich viel Nutzen bringen und ist den Aufwand sicherlich wert.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen des Hefts.

Ihr

Philipp Quiel

 
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