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BB 2024, I
Henssler/Sossna 

Missbilligende Belehrung adé: Der aktuelle BMJ-Referentenentwurf zum Berufsrecht unter der Lupe

Abbildung 1

Abbildung 2

Dass die Verbindlichkeit und damit auch die Justiziabilität der Belehrung nach geltendem Recht im Ermessen der Rechtsanwaltskammer steht, ist mehr als nur unbefriedigend.

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren des Rechts der rechtsberatenden Berufe sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, den das BMJ noch am 25.10.2024 vorgestellt hat, soll Unstimmigkeiten im Rechtsschutzverfahren der rechtsberatenden Berufe beseitigen. Kernstücke des Referentenentwurfs sind die Abkehr von der “missbilligenden Belehrung” (auch belehrender Hinweis genannt) und die Vereinheitlichung des Rechtsschutzes gegen berufsaufsichtliche Maßnahmen der Rechtsanwalts- und Steuerberaterkammern sowie der Patentanwaltskammer.

Nach geltender Rechtslage kann der Vorstand einer Kammer mit einer missbilligenden Belehrung feststellen, dass ein Kammermitglied seine Berufspflichten verletzt hat und es über den Inhalt derselben belehren; zugleich kann er dem Mitglied aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Insoweit verfügt die missbilligende Belehrung sowohl über ein präventives (Ausräumung von berufsrechtlichen Zweifeln) als auch über ein repressives (“missbilligendes”) Element, da sie einen persönlichen Schuldvorwurf erhebt und verbindliche Verhaltensvorgaben auferlegt.

Anders als die missbilligende Belehrung stellt die einfache Belehrung keinen anfechtbaren Verwaltungsakt dar. So sollen Auskünfte der Rechtsanwaltskammern über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens eines Rechtsanwalts grundsätzlich nicht anfechtbar sein, weil sie “keine Schuld feststellen und nicht in dessen Rechte eingreifen” (BGH, 3.7.2017 – AnwZ (Brfg) 45/15, NJW 2017, 2556 Rn. 18). Dem Rechtsanwalt bleibt dann nur die vorbeugende Feststellungsklage, die allerdings ein besonders zu schützendes und nur in Ausnahmefällen zu bejahendes Rechtsschutzinteresse voraussetzt. Die Rechtsprechung bejaht einen anfechtbaren Verwaltungsakt insbesondere, wenn der Belehrungsbescheid erkennen lasse, dass sich die Kammer in den aufgeworfenen Fragen “verbindlich festgelegt” habe. Für den Berufsträger bleibt allerdings bei den eher knapp begründeten Bescheiden eben dieses häufig unklar. Dass die Verbindlichkeit und damit auch die Justiziabilität der Belehrung nach geltendem Recht im Ermessen der Rechtsanwaltskammer steht, ist mehr als nur unbefriedigend, zumal es für die missbilligende Belehrung bislang an einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage fehlt.

Der Referentenentwurf begegnet diesen Bedenken, indem er die Zuständigkeitskataloge in BRAO, PAO und StBerG um den “rechtlichen Hinweis” erweitert. Er ersetzt die bisherige missbilligende Belehrung und liegt vor, “soweit sich der Vorstand in einer Erklärung zu Fragen der Berufspflichten auf eine rechtliche Bewertung festgelegt hat” (§ 73 Abs. 3 S. 1 BRAO-E). Künftig sollen die Kammermitglieder außerdem bei nachvollziehbarem Interesse einen durch Rechtsbehelfe gestützten Anspruch auf Erteilung eines rechtlichen Hinweises haben.

Eine längst überfällige Reform betrifft auch die Eindämmung der Rechtswegzersplitterung in der BRAO und im StBerG. So soll die erstinstanzliche Zuständigkeit für Rechtsbehelfe gegen Belehrungen, Rügen und Zwangsgelder in Zukunft einheitlich bei den Anwaltsgerichten verortet werden; für die im Gegensatz zur Rüge mildere Belehrung und für das Zwangsgeld war – systemwidrig – bislang der Anwaltsgerichtshof (§§ 112a ff. BRAO) zuständig. Für berufsrechtliche Streitigkeiten nach dem StBerG sollen künftig in erster Instanz die Landgerichte zuständig sein.

Weitere Regelungen des Referentenentwurfs betreffen u. a. das Verfahren für Wiederholungswahlen zum Kammervorstand; die jüngsten Streitigkeiten über die Vorstandswahlen der Rechtsanwaltskammern Düsseldorf und München hatten hier einen Reformbedarf offengelegt. Erwähnenswert ist ferner eine erneute Nachjustierung des § 207a BRAO, die eine erhebliche Erweiterung des Gesellschafterkreises nach sich zieht. Künftig sollen u. a. auch ausländische Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Angehörige eines Freien Berufs zum zulässigen Gesellschafterkreis gehören, außerdem im Ausland zugelassene Notare. Wünschenswert wären insoweit weitere Klarstellungen zu mehrstöckigen Strukturen in internationalen Anwaltsverbindungen. So sollten generell solche Beteiligungen von ausländischen Anwaltsgesellschaften als unbedenklich angesehen werden, die in einem internationalen Verbund ausschließlich aus steuerlichen Gründen zwischengeschaltet werden, an denen aber ausschließlich Rechtsanwälte, die innerhalb des Verbunds aktiv anwaltlich tätig sind, beteiligt sind. Bei ihnen wäre die Verpflichtung, in Deutschland eine Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft beantragen zu müssen, offensichtlich unsinnig. Ihre Kontrolle durch die deutsche Rechtsanwaltskammer kann über Auskunftspflichten der deutschen Zweigniederlassung der Tochtergesellschaft sichergestellt werden. Das lässt sich zwar bei normzweckorientierter Auslegung schon dem geltenden Recht entnehmen, sollte aber angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheit ausdrücklich klargestellt werden.

Der Referentenentwurf setzt richtige Impulse und bügelt verschiedene Unebenheiten im Berufsrecht der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater aus. Angesichts der vorgezogenen Neuwahlen wird er das Gesetzgebungsverfahren nicht mehr erreichen. Es bleibt zu hoffen, dass der neu gewählte Bundestag das unabhängig von den aktuellen politischen Unwägbarkeiten in der Sache sehr wichtige Vorhaben zeitnah – mit weiteren Verbesserungen – aufgreifen wird.

Prof. Dr. Martin Henssler (li.) ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Anwaltsrecht der Universität zu Köln.

Thomas Sossna (re.) ist Referent des Geschäftsführenden Direktors am Institut für Anwaltsrecht der Universität zu Köln.

 
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