Keine Entschädigung für Ungeimpfte bei Quarantäne wegen Corona – Ein kleines Puzzleteilchen für Arbeitgeber im Kampf gegen die Pandemie
Für Arbeitgeber bleiben viel Bürokratie und eine weiterhin unübersichtliche Rechtslage
Wer aufgrund eines Kontakts mit einem Coronainfizierten oder der Reiserückkehr aus einem Risikogebiet eine Quarantäneanordnung seitens des Gesundheitsamts erhält, kann seine Arbeitsleistung – sofern er nicht die Möglichkeit einer Arbeit aus dem Home-Office hat – nicht erbringen. Nach dem Grundsatz “ohne Arbeit kein Lohn” entfällt in diesem Fall der Anspruch des Arbeitnehmers auf Bezahlung. Seit dem 1. November 2021 gibt es keine Quarantäneentschädigung mehr, wenn der Beschäftigte die Quarantäneanordnung durch eine empfohlene Impfung gegen Corona hätte vermeiden können.
Anfang November stieß diese Meldung noch auf Interesse. Presseberichte zu Profifußballern in München, die ungeimpft in Quarantäne mussten, brachten sogar ein wenig Sprengstoff in dieses Thema. Und doch: letztlich führt diese Regelung für Arbeitgeber zu weiterem bürokratischem Aufwand. Zudem stellen sich datenschutzrechtliche Folgefragen.
Inzwischen sind die Infektionszahlen so dramatisch angestiegen, dass der Gesetzgeber sich zu neuen Maßnahmen veranlasst sah: Seitdem 24. November gilt die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Seitdem müssen Arbeitgeber sich einen Nachweis über den Impf- bzw. Genesenenstatus oder einen aktuellen Negativtest vor Betreten des Betriebsgeländes vorlegen lassen. Verbunden mit dieser gesetzlichen Neuregelung ist nun erstmals eine datenschutzrechtliche Klärung. Denn Arbeitgeber dürfen die Daten für das 3G nicht nur erfassen, sondern sie sind angehalten, sie auch zu dokumentieren, um so ihre Arbeitsabläufe besser planen und betriebliche Hygienekonzepte leichter anpassen zu können. Damit ist das seit Beginn der Pandemie hoch explosive Thema des “Fragerechts” von Arbeitgebern erstmals ausdrücklich gesetzlich bejaht worden.
Aber nun zurück zu dem Ausgangsthema, keine Entschädigung für Ungeimpfte bei Quarantäne wegen Corona. Die Zahl der Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet wird in den nächsten Wochen vielleicht zu vernachlässigen sein, da Reisen zu touristischen Zwecken im In- und Ausland wieder schwieriger werden. Aber Quarantäneanordnungen für Ungeimpfte, die auf einen Kontakt mit Coronainfizierten zurückzuführen sind, werden bei den steigenden Infektionszahlen sicherlich noch zunehmen. Und hier schlägt die Bürokratie für die Arbeitgeber wieder zu. Nach § 56 Abs. 5 IfSG richtet sich der Anspruch eines Arbeitnehmers, der wegen Quarantäneanordnung seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, grundsätzlich gegen den Arbeitgeber. Er gewährt also das Gehalt weiter und hat dann seinerseits einen Erstattungsanspruch gegen die zuständige Behörde. Durch diese Regelungssystematik bürdet der Staat dem Arbeitgeber die Prüfung der Anspruchsvoraussetzung für die Quarantäneentschädigung auf. Und jetzt dreht sich die Sache im Kreis: Der Arbeitgeber müsste für die Entscheidung über die Auszahlung eigentlich den Impfstatus seines Arbeitnehmers kennen. Hier wird man eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers zur Auskunft über den Impfstatus bejahen können. Aber was ist mit dem Datenschutz? Bei dem Impfstatus handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO, deren Verarbeitung nur bei Eingreifen einer gesetzlichen Ausnahme zulässig ist. Leider hat der Gesetzgeber mit der Einführung von 3G am Arbeitsplatz diesen offenen Punkt nicht gleich mitgeklärt. Denn in § 28b IfSG ist zwar ein datenschutzrechtliches Verarbeitungsrecht geregelt, es beschränkt sich aber auf den 3G-Status, also das diesbezügliche Fragerecht zur Kontrolle der 3G-Pflicht am Arbeitsplatz. Ob es für andere Zwecke, und damit für das Thema Entschädigung Quarantäne, auch mit herangezogen werden kann, bleibt jedenfalls unklar.
Nach allem fällt es schwer, diesen Beitrag mit einem befriedigenden Resümee zu schließen: Dass wir bis heute in Deutschland keine Impflicht haben, ist eine politische Entscheidung, die hier nicht zu bewerten ist. Dass Arbeitgeber in Zeiten der Pandemie ein wenig mehr Unterstützung erwarten könnten, steht allerdings außer Frage. Kontaktbeschränkungen in Zeiten hoher Inzidenz insbesondere auch am Arbeitsplatz durchzusetzen, ist in jedem Fall nachvollziehbar. Dass Arbeitgeber aber innerhalb weniger Tage Einlasskontrollen und Ähnliches umsetzen müssen, wo die Politik sich den ganzen Sommer Zeit gelassen hat, ist problematisch. Und nach wie vor müssen sich Arbeitgeber mit Datenschützern “rumschlagen”, da die gesetzlichen Regelungen zum Fragerecht nicht klar sind. Und vielfach wird in dem einen oder anderen Betrieb auch der Betriebsrat auf den Plan gerufen werden, da Regelungen zu Einlasskontrolle, zur Ausübung des Fragerechts und ähnliches Berührungspunkte zur zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG aufwerfen. Und im Nu befindet sich der Arbeitgeber in einer Einigungsstelle, um die Modalitäten des Abfragens und Speicherns in einer Betriebsvereinbarung, notfalls durch Spruch der Einigungsstelle festzulegen. Die Kosten, der Aufwand und die Gefahr, gesellschaftspolitisch aufgeheizte Stimmung in den Betrieb zu holen, sind nur einige Problempunkte. Damit bleibt zum Schluss nur der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass sich nicht mancher Arbeitgeber genötigt sieht, auf Fragen zu verzichten und einfach die Entschädigung zu bezahlen im Fall der Quarantäne, um wenigstens hier kein weiteres Fass aufzumachen.
Dr. Kerstin Reiserer ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Mitbegründerin der Kanzlei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Heidelberg, Lehrbeauftragte an der Universität Mannheim, sowie Mitglied im Beirat des Ressorts Arbeitsrechts des Betriebs-Beraters. Sie ist Autorin zahlreicher Fachveröffentlichungen und Referentin bei großen Fachtagungen.