Im Blickpunkt
Das LAG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass es sich bei einem inländischen Stationierungsort einer Fluggesellschaft mit Sitz im europäischen Ausland um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit handelt, in der ein Betriebsrat nach den Regelungen des BetrVG gewählt werden kann (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.10.2024 – 11 TaBV 295/24, PM Nr. 6/2025 vom 24.1.2025). Die antragstellende Fluggesellschaft hat ihren Sitz in Malta und ihre Konzernzentrale in Irland. Sie unterhält unter anderem am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) einen Stationierungsort. Unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel lenkt die Fluggesellschaft sämtliche dem BER als Heimatbasis zugeordnete Cockpit- und Kabinenbeschäftigte in personellen und sozialen Angelegenheiten sowie disziplinarisch von Malta und Irland aus. Am BER sind ein Base Captain für die Beschäftigten im Cockpit und eine Base Supervisorin für die Kabinenbeschäftigten tätig, die insbesondere als lokale Ansprechpartner fungieren. Am Stationierungsort BER existiert bisher weder ein Betriebsrat noch eine durch Tarifvertrag gebildete Personalvertretung. Eine einstweilige Verfügung der Fluggesellschaft auf vorläufige Untersagung der Wahl eines Wahlvorstands zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl war im Jahr 2023 vor dem LAG gescheitert (PM Nr. 8/2023 vom 18.4.2023). Im März 2023 und Februar 2024 wurde ein Wahlvorstand gewählt. Zwischen den Beteiligten war streitig, ob am Stationierungsort BER eine betriebsratsfähige Organisation im Sinne des BetrVG bestehe. Das LAG hat entschieden, dass am Stationierungsort BER eine betriebsratsfähige Organisation bestehe, in der ein Betriebsrat gewählt werden könne. Der Stationierungsort BER sei als Betriebsteil im Sinne des BetrVG zu beurteilen, der räumlich weit von dem im Ausland gelegenen Hauptbetrieb entfernt sei. Mit den von Base Captain und Base Supervisorin ausgeübten Tätigkeiten werde ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gewahrt, weil es in ihrem pflichtgemäßen Ermessen liege, Beschäftigte auf Verstöße hinzuweisen oder diesbezügliche Informationen an Konzernzentrale oder Personalabteilung weiterzuleiten. Durch Hinweise an die Beschäftigten, etwa zur Pflicht zum pünktlichen Erscheinen oder zur Einhaltung der Kleidungsvorschriften, erteilten sie faktisch Weisungen mit dem Ziel, ein Fehlverhalten von Beschäftigten abzustellen. Damit liege ein qualifizierter Betriebsteil im Sinne des BetrVG vor, in dem ein Betriebsrat gewählt werden könne. Ein im Inland gelegener Hauptbetrieb sei insoweit nicht zwingend erforderlich. Hinsichtlich der Angriffe der Fluggesellschaft gegen die Wirksamkeit der Wahl mehrerer Mitglieder und Ersatzmitglieder des Wahlvorstands hat das LAG der Beschwerde stattgegeben. Die Wahlen im März 2023 und Februar 2024 seien zwar nicht nichtig, aber anfechtbar und damit unwirksam. Das LAG hat für die Fluggesellschaft und für den Wahlvorstand die Revision zum BAG wegen grundsätzlicher Bedeutung der maßgeblichen Rechtsfragen zugelassen.
Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht