Im Blickpunkt
Cum-Ex hat uns an dieser Stelle schon mehrfach beschäftigt. So wurde die Rolle der Beraterschaft ebenso beleuchtet wie die der Banken. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte fanden Beachtung, obgleich hier, zumindest bei den Gerichten, die Hauptarbeit wohl noch zu erledigen ist. Ebenso wurde die Gesetzgebungskunst zu diesem Themenkomplex erörtert. Es fehlt nur noch ein Beteiligter in diesem Komplex, nämlich die Finanzverwaltung. Konnte bisher davon ausgegangen werden, dass bei dieser kein Fehlverhalten zu vermuten war, so ist dies seit Mittwoch, den 9.9.2020, möglicherweise anders. Zuvor ergangene Berichterstattungen von “Panorama” und “Die Zeit” vermuteten eine Verbindung zwischen Treffen des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz mit Vertretern der Warburg Bank und dem Verzicht der Hamburger Finanzverwaltung auf die Rückforderung von 47 Mio. Euro, die die Warburg Bank durch unrechtmäßige Steuererstattung wegen Cum-Ex-Geschäften erhielt. Interessant an dieser Stelle ist, dass das Bundesfinanzministerium in 2016 die Hamburger Finanzverwaltung über diesen Vorgang informierte. Passiert ist in Hamburg aber nichts. Dass der ehemalige Hamburger Bürgermeister und derzeitige Finanzminister Olaf Scholz in der gestrigen Anhörung des Deutschen Bundestages keine Erinnerungen an den Inhalt der Treffen mit Vertretern der Warburg Bank hatte, kann nicht überraschen. Insoweit bleibt der vermutete Zusammenhang zwischen Treffen und Verzicht selbstverständlich Spekulation, zumindest zum heutigen Zeitpunkt. Aber ist es vorstellbar, dass eine Finanzbeamtin ohne Rücksprache mit Vorgesetzten oder übergeordneten Stellen auf den Erlass eines Rückforderungsbescheides über 47 Mio. Euro alleine entscheidet?
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht