Im Blickpunkt
In zwei Stellungnahmen hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sich eingehend mit dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft auseinandergesetzt (Stellungnahmen Nr. 32/2020 und Nr. 33/2020 aus dem Juli). Mit dem unter Experten umstrittenen Entwurf sollen für Straftaten, die aus einem Unternehmen heraus begangen wurden, angemessene Sanktionen geschaffen werden. Die BRAK sieht dies generell kritisch, hat aber auch hinsichtlich der einzelnen Vorschriften zum Teil starke Bedenken geäußert. Laut ihrer Mitteilung vom 15.7.2020 erachtet sie insbesondere die vorgesehenen Sanktionen für zu ausufernd. So müsse etwa der Jahresumsatz des sanktionierten Verbands, nicht des Gesamtkonzerns für die Bemessung der Sanktion zugrunde gelegt werden. Auch die Bemessungskriterien insgesamt hält die BRAK für problematisch. Zudem sollten aus Sicht der BRAK zumindest allgemein anerkannte Strukturprinzipien einer wirksamen Compliance-Organisation in die Gesetzesbegründung aufgenommen werden. Sie regt daher an, die Anforderungen näher zu definieren. Entschieden lehnt die BRAK es ab, die Milderung von Sanktionen davon abhängig zu machen, dass Untersuchungsführer und Verteidigung getrennt sind. Für eine Trennung gebe es keinen sachlichen Grund; zudem komme darin ein untragbares generelles Misstrauen gegen die Anwaltschaft, insbesondere gegen Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, zum Ausdruck. Mit der Frage, welche neuen Pflichten sich für Vorstände und Geschäftsführer aus dem VerSanG-E für die präventive und die repressive Compliance ergeben, haben sich Nolte/Michaelis in BB 2020, 1154 ff. auseinandergesetzt. In der aktuellen Ausgabe behandelt von Hesberg die Auswirkungen des Verbandssanktionengesetzes auf die gesellschaftsrechtliche Organisation (international tätiger) Konzerne.
Dr. Martina Koster, Ressortleiterin Wirtschaftsrecht