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CB-Standpunkte
08.06.2015
CB-Standpunkte
Joachim Jütte-Overmeyer, RA: Globale Menschenrechte – Bestandteil der unternehmerischen Compliance?

Globales unternehmerisches Handeln ist längst Realität. Alltägliche Produkte stammen aus weltweiten Ressourcen und gelangen über komplexe, grenzüberschreitende Lieferketten zu uns. Sowohl große Konzerne als auch kleine mittelständische Unternehmen sind heute in den globalen Austausch von Gütern und Dienstleistungen einbezogen. Dabei ermöglicht es der internationale Handel gerade auch Entwicklungsländern, sich mit ihren Ressourcen positiv in die Wertschöpfungskette einzubringen.

Doch wie steht es mit den Rahmenbedingungen dieser internationalen Wertschöpfung, insbesondere dem Schutz der Menschenrechte und der Einhaltung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards in den Beschaffungsmärkten? Unmittelbar geltende internationale Rechtsnormen fehlen häufig. Normadressat des Völkerrechts sind grundsätzlich allein die Staaten. Es finden mithin die jeweiligen nationalen Gesetze der Herstellungs- und Lieferländer Anwendung. Selbst wenn diese den völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte genügen, leiden sie oftmals an erheblichen Vollzugs- und Sanktionsdefiziten. Hinzu kommen mangelnde Transparenz, fehlende Einflussmöglichkeiten und manchmal auch Ignoranz der Unternehmen in komplexen Lieferketten. Aus all diesen Gründen bleiben Menschenrechtsverstöße im Wertschöpfungsprozess vielfach unentdeckt oder ungeahndet.

In der aktuellen politischen Diskussion wird daher der Ruf lauter nach einer gesetzlichen Verantwortungszuweisung an die Unternehmen. Die politische Agenda der deutschen G7-Präsidentschaft lautet „Gute Arbeit weltweit“. Die Bundesregierung hat mit der Erstellung eines Aktionsplans für „Wirtschaft und Menschenrechte" begonnen, um die entsprechenden Leitprinzipien der Vereinten Nationen auch für die weltweiten Aktivitäten deutscher Unternehmen zur Geltung zu bringen. Das Europaparlament hat jüngst die Kommission aufgefordert, Instrumente zur Nachverfolgung der Produkte in der Lieferkette zu entwickeln und deren Befolgung zur Zugangsvoraussetzung für den EU-Markt zu machen. Zudem sollen rechtsverbindliche Regeln für die Einhaltung der Menschenrechte in den Lieferketten entwickelt werden.

Die Respektierung der Menschenrechte ist bisher weitgehend eine moralische Verpflichtung für Unternehmen, die sich u. a. an den „UN Guiding Principles“ oder der „OECD Guidelines for Multinational Enterprises“ orientieren. Heftig kritisiert wird indes, dass diese Rahmenwerke nicht rechtsverbindlich seien und es an wirksamen Sanktions- und Haftungsregimen fehle, wenn Unternehmen Menschenrechtsverletzungen in ihren Wertschöpfungsketten zulassen oder gar fördern. Unternehmen soll deshalb eine entsprechende Transparenz- und Sorgfaltspflicht übertragen werden, deren Einhaltung durch geeignete Maßnahmen nachzuweisen ist.

Würden entsprechende Unternehmenspflichten normiert, wären diese vermutlich in die betrieblichen Compliance-Systeme zur Sicherstellung rechtmäßigen unternehmerischen Verhaltens einzubeziehen, um einer zivil-, ordnungswidrigkeits- oder zukünftig eventuell sogar strafrechtlichen Haftung zu entgehen. Wie allerdings der Pflichtenkreis der Unternehmen auf die Kontrolle des Handelns Dritter ausgeweitet werden soll, ist sowohl unter dogmatischen als auch pragmatischen Gesichtspunkten problematisch. Denn hierfür müsste zunächst die Frage der rechtlichen wie tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der Unternehmen geklärt werden, die sich insbesondere dann stellt, wenn nicht einmal Geschäftsverbindungen zu den Produzenten auf vorgeschalteten Stufen der Wertschöpfungskette bestehen.

Andere europäische Staaten, wie England und Frankreich, aber auch die USA, beschreiten bereits den zuvor umrissenen Weg. Jüngste Klagen von Geschädigten gegen KiK in Deutschland und Sammelklagen von Rana Plaza Opfern in den USA und Kanada lassen zudem erahnen, was auf die Unternehmen zukommt. Die Umsetzung dieser globalen Herkulesaufgabe nunmehr in erster Linie den Unternehmen zu übertragen, wäre allerdings verfehlt. Der Schutz der Menschenrechte bleibt vorrangig Aufgabe der Staaten. Unternehmen sollten diese zwar unterstützen, aber nicht ersetzen. Sie gar zu bestrafen, wenn Sie daran scheitern, liefe auf das römische Sprichwort hinaus: „Qui asinum non potest, stratum caedit“.

 

Joachim Jütte-Overmeyer berät als Rechtsanwalt in Düsseldorf vornehmlich Unternehmen der Modebranche in CSR-Fragen und ist zudem Senior Advisor bei Systain Consulting. Zuvor war er lange Zeit als Justiziar für Textilhandelsunternehmen tätig.

 

 

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