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CB-Standpunkte
13.07.2015
CB-Standpunkte
Dr. Andreas Pohlmann: Die optimale Zusammensetzung des Aufsichtsrats

Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex („Regierungs-kommission“) hat am 5.5.2015 drei Kodexänderungen beschlossen, die vor allem auf eine bestmögliche Zusammensetzung des Aufsichtsrats zielen. In der Tat ist die optimale Mischung von fachlicher Expertise, beruflicher Erfahrung, Alter und Geschlecht sowie Internationalität der Aufsichtsratsmitglieder der entscheidende Erfolgsfaktor für eine effektive Aufsichtsratstätigkeit. Ob die als „materiell“ bezeichneten Kodexänderungen im Sinne der bestmöglichen Zusammensetzung des Gremiums wirklich zielführend sind, ist allerdings zweifelhaft.

Die Festlegung einer unternehmensspezifischen Regelgrenze für die Zugehörigkeitsdauer zum Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft kann sogar kontraproduktiv wirken, weil zu befürchten steht, dass die Empfehlung eine suboptimale Zusammensetzung des Aufsichtsrats für die Regelverweildauer zementiert und damit wünschenswerte Dynamik und notwendige Veränderungen in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats blockiert. Die sich ständig verändernden strategischen und operativen Herausforderungen für Unternehmen im globalen Wettbewerb erfordern indessen hohe Wachsamkeit und große Flexibilität in der Aufstellung der Aufsichtsrats-„Mannschaft“. Was in einer Phase des Wachstums durch Fusionen und Akquisitionen gilt, wird in der pathologischen Situation der Restrukturierung oder gar Krise schnell obsolet.

Geradezu banal mutet die Empfehlung der Regierungskommission an, nach der sich der Aufsichtsrat vergewissern soll, dass zur Wahl gestellte Aufsichtsratsmitglieder auch zeitlich zur Ausübung des Mandats in der Lage sind. Im eigenen Interesse und insbesondere vor dem Hintergrund der deutlich verschärften persönlichen Organhaftung wird ein prospektives Aufsichtsratsmitglied seine ureigene Due Diligence zum Unternehmen und den spezifischen Anforderungen an seine Aufsichtsratstätigkeit verantwortungsvoll und gründlich durchführen sowie folgerichtig mit seinem tatsächlich verfügbaren Zeitbudget entsprechend genau abgleichen. Zahlreiche aktuelle Unternehmenskrisen mit nachfolgender Haftung von Organmitgliedern haben das Bewusstsein der Beteiligten deutlich gestärkt. Von einem Harakiri durch unreflektierte Mandatsübernahme sollte die Regierungskommission deshalb nicht ausgehen.

Die dritte sog. materielle Kodexänderung zielt auf eine Erhöhung der Transparenz der Sitzungsdisziplin von Aufsichtsratsmitgliedern. Im Bericht des Aufsichtsrats soll künftig vermerkt werden, wenn ein Mitglied des Aufsichtsrats in einem Geschäftsjahr nur an der Hälfte der Sitzungen des Aufsichtsrats und der Ausschüsse, denen er angehört, oder weniger teilgenommen hat. In ihrer Pressemitteilung vom 11.5.2015 führt die Regierungskommission dazu aus, es sei „von besonderer Bedeutung, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht nur anhand von schriftlichen Vorlagen an der Beschlussfassung teilnimmt, sondern sich in den ergebnisoffenen und unterschiedliche Standpunkte abwägenden Kommunikationsprozess im Aufsichtsrat einbringt“. Dem ist ohne weiteres zuzustimmen, aber bedarf es bei dieser offensichtlichen Selbstverständlichkeit überhaupt dieser ausdrücklichen Erwähnung?

Mit ihren drei als „materiell“ bezeichneten Kodexänderungen unterstreicht die Regierungskommission noch einmal die Notwendigkeit der bestmöglichen Zusammensetzung des Aufsichtsrats. In Anbetracht der weiter zunehmenden Bedeutung des Aufsichtsrats ist der Fingerzeig grundsätzlich zwar richtig, tatsächlich neues Materielles bringen die Empfehlungen aber leider nicht.

Die von der Bundesministerin der Justiz im September 2001 eingesetzte Regierungskommission hat die in Deutschland geltenden Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung maßgeblich mitgestaltet und wichtige Verbesserungen angestoßen. Nach fast 14 Jahren im Dienste der Corporate Governance scheint ihren Empfehlungen jetzt aber die Luft auszugehen. Mit einer Konzentration auf das Wesentliche und der Fokussierung auf eine effektive Implementierung geltender Regeln sollte eine glaubwürdige Fortsetzung der Erfolgsgeschichte indessen gelingen.

 

Dr. Andreas Pohlmann, RA,ist ein führender Praktiker und international anerkannter Berater in Fragen der Compliance und Corporate Governance. Als Gründer und Namenspartner bei Pohlmann & Company berät und unterstützt er Mandanten in einer großen Bandbreite von Compliance- und Corporate Governance-Themen sowie damit verbundenen geschäftsbezogenen Fragestellungen. Dazu gehören insbesondere auch die Pflichten und Obliegenheiten von Gesellschaftsorganen und Organmitgliedern.

 

 

 

 

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