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01.04.2014
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OLG München: Bestreiten mit Nichtwissen von Tatsachen aus eigenem Geschäftsbereich

OLG München, Urteil vom 23.10.2013 – 7 U 50/13

GmbHG § 64

Sachverhalt

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter der SP M. GmbH (nachfolgend Gemeinschuldnerin genannt) und begehrt vom Beklagten als deren ehemaligen Geschäftsführer nach § 64 GmbHG Ersatz von Zahlungen der Gemeinschuldnerin in der Zeit vom 30.6.09 bis zum 5.10.09 in Höhe von insgesamt 500 000,-- Euro.

Das Erstgericht hat dem Begehren des Klägers in Höhe von 285 000,-- Euro stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin und Verschulden des Beklagten im Sinne von § 64 S. 2 GmbHG liege nicht vor dem 5.10.09 vor. Für die am 5.10.2009 erfolgte Zahlung in Höhe von 285 000,-- Euro vom Konto der Gemeinschuldnerin hafte der Beklagte nach § 64 GmbHG; er habe einen entsprechenden Beweis nicht hinreichend zur Überzeugung des Gerichts geführt, dass der gezahlte Betrag tatsächlich als der Gemeinschuldnerin nicht zustehende Fremdmittel an Sozialversicherungsträger geleistet worden ist.

Wegen der weiteren Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des Erstgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Hiergegen richten sich die Berufung des Klägers und die Berufung des Beklagten.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe durch Vorlage der Liquiditätsbilanzen 2008 und 2009 (Anlage K2) als auch durch die Darlegung der Zahlungseinstellung seitens der Gemeinschuldnerin nachgewiesen, dass bereits seit 1.1.08 bzw. 30.6.09 Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin vorliege. Die Unterdeckung der Gemeinschuldnerin zum 30.6.09 habe 97,56 % betragen. Das Stillhalteabkommen mit den Banken (Anlage K3) beinhalte nicht die Zurverfügungstellung neuer liquider Mittel durch die Banken, der Gemeinschuldnerin sei lediglich gestattet worden, über die eingehenden Gelder zu verfügen. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei daher von einem Verschulden des Beklagten nach § 64 GmbHG auszugehen.

Der Kläger beantragt daher:

I. teilweise abändernd den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 500 000,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.9.2010 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgewähransprüche der Insolvenzschuldnerin SP M. GmbH gegen die durch die streitgegenständliche Zahlung vom 5.10.2009 über 285 000,-- Euro begünstigte Nada N. als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der KCH C. P. GmbH.

II. teilweise abändernd den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 3 914,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten.

III. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 17.12.2012 wird aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt wird,

1. an den Kläger 285 000,-- Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.9.2010 zu bezahlen.

2. dem Beklagte 2 841,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 2.7.2011 an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten und

3. 4/7 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Das Urteil des Landgerichts München I vom 17.12.2012 wird wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Hilfsweise: Die Sache wird zur weiteren Verhandlung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

III. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Zurückweisung der Berufung des Klägers begründet der Beklagte damit, dass das Erstgericht nicht aufgrund der vorgelegten „Liquiditätsbilanz“ von einer Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin seit 1.1.08 bzw. 30.06.09 ausgehen musste, da der Kläger keine Liquiditätsbilanz im Sinne der vom Beklagten zitierten Rechtsprechung vorgelegt habe. Zu Recht sei das Erstgericht auch davon ausgegangen, dass das vereinbarte Stillhalteabkommen (Anlagen K3 und B5) eine Zahlungsunfähigkeit bis zum 30.9.09 ausgeschlossen habe und auch kein Verschulden seinerseits vorliege. Das Stillhalteabkommen habe gerade den Zweck gehabt, den Betrieb der Gemeinschuldnerin während dieser Zeit aufrecht zu erhalten und für die Investorensuche zu nutzen.

Der Beklagte wendet sich weiter mit seinem Berufungsantrag auf Klageabweisung gegen die Verurteilung in Höhe von 285 000,-- Euro einschließlich der hiermit verbundenen und zugesprochenen Rechtsanwaltskosten. Seine Haftung entfalle aufgrund einer Pflichtenkollision mit § 266 StGB. Der Betrag von 285 000,-- Euro sei der Gemeinschuldnerin von den übrigen KCH-Gesellschaften zweckgebunden zur Weiterleitung an die Sozialversicherungsträger zur Zahlung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Verfügung gestellt worden. Das Erstgericht habe auch dem weiteren Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugin N., Insolvenzverwalterin der KCH-Gruppe, übergangen. Schließlich habe das Erstgericht trotz entsprechenden Antrags des Klägers die beantragte Zug-um-Zug-Verurteilung gegen Abtretung etwaiger Rückgewähransprüche der Insolvenzschuldnerin nicht zugesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2013 Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Auf die zulässige Berufung des Klägers war das Ersturteil in Ziffer I. und II. entsprechend abzuändern und der Klage in vollem Umfang stattzugeben. Die zulässige Berufung des Beklagten war hingegen zurückzuweisen.

►    Berufung des Klägers

1. Berufung des Klägers

a. Der Beklagte ist dem Kläger nach § 64 GmbHG zur Zahlung von nicht lediglich 285 000,-- Euro, wie vom Erstgericht zuerkannt, sondern von insgesamt 500 000,-- Euro nebst ausgesprochener Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren verpflichtet.

Der Kläger hat nachgewiesen, dass die Gemeinschuldnerin spätestens seit 30.06.09 zahlungsunfähig war.

Zwar entspricht die in Anlage K2 vorgelegte und als „Liquiditätsbilanz 2008 und Liquiditätsbilanz 2009“ bezeichnete Aufstellung nicht den für eine ordnungsgemäße Liquiditätsbilanz erforderlichen Anforderungen. Danach sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel einerseits und die am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten andererseits in Beziehung zu setzen (vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen GmbHG 7. Aufl. vor § 64 Rz. 19, BGH vom 12.10.2006 – IX ZR 228/03, nach Juris Rz. 27).

Allerdings ist eine solche Liquiditätsbilanz nicht erforderlich, wenn anderweitig festgestellt werden kann, dass der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte (vgl. BGH a. a. O. Rz. 28).

Dies hat der Kläger hier hinreichend nachgewiesen durch weitere Vorlage der Anlagen K3, K13, K27, K33 und K34.

Zunächst ergibt sich aus der Aufstellung gemäß Anlage K2, dass die Gemeinschuldnerin von Januar 2008 bis spätestens 30.6.09, d. h. über 1 1/2 Jahre aus dem Verhältnis der liquiden Mittel zu den Verbindlichkeiten eine ständige Unterdeckung von zunächst 30,74 % bis zuletzt zum 30.6.09 von 97,56 % hatte. Ergänzend zur Aufstellung hat der Kläger mit der Anlage K33 die Summen- und Saldenliste der Gemeinschuldnerin von Januar bis Juli 09 und mit Anlage K34 die OP-Liste der Kreditoren von Januar bis Juni 09 vorgelegt. Schließlich erfolgte noch die Vorlage sämtlicher Tabellenanmeldungen zur Insolvenztabelle (Anlage K13) sowie die Tabelle nach § 175 InsO (Anlage K27). Der Kläger hat auch erläutert, dass in Ermangelung eines operativen Geschäfts seitens der Gemeinschuldnerin seit Juli bis August 07 in der Aufstellung keine Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aufgeführt sind. Dass die Gemeinschuldnerin kein operatives Geschäft mehr betrieb, hat die Beklagte bestätigt (vgl. z. B. Berufungsbegründungsschriftsatz Seite 2 = Bl. 183 d. A.).

Soweit der Beklagte im Übrigen alles mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unzulässig.

►    Zulässigkeit einer Erklärung mit Nichtwissen

Erklärung mit Nichtwissen ist, wie aus Wahrheitspflicht und Erklärungslast folgt, nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat, z. B. weil der Vorgang sich außerhalb seiner Wahrnehmung abspielt oder er ihn vergessen hat (vgl. Greger in Zöller ZPO 29. Aufl. § 138 Rz. 5). Dabei stellt die Rechtsprechung Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich den „eigenen“ Handlungen oder Wahrnehmungen im Sinne von § 138 Abs. 4 ZPO gleich (vgl. Zöller a.a.O. Rz. 16). Der Beklagte kann daher nicht pauschal behaupten, sich an die Vorgänge nicht mehr zu erinnern, da sämtliche Belege Vorgänge betreffen, die in seinem eigenen Geschäfts- und Verantwortungsbereich als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin liegen. Soweit er sich an einzelne Vorgänge tatsächlich nicht mehr erinnern kann, hätte er hierfür entsprechende Einsicht in die Bücher der Gemeinschuldnerin nehmen können und müssen (§ 810 BGB). Dass er ein entsprechendes Verlangen tatsächlich geltend gemacht hat, hat er nicht dargetan.

Der Beklagte führt hierzu lediglich aus, mit Schreiben vom 19.8.11 und 25.8.11 (Anlage B11 und B12) um Übersendung von Kopien, hilfsweise Einsicht vor Ort gebeten zu haben, was ihm verwehrt worden sei.

Dieses umfassende Auskunftsrecht – wie hiermit begehrt – kann der Beklagte aber nicht geltend machen.

►    Das Begehren des Beklagten auf Einsichtnahme erfordert vorliegend eine konkrete Benennung der benötigten Unterlagen

Er kann nicht pauschal die vollständigen Auszüge sämtlicher Konten der Insolvenzschuldnerin aus den Jahren 08 und 09 sowie die zugehörigen Buchhaltungsbelege verlangen. Es wäre vielmehr Sache des Beklagten gewesen darzulegen, welche Einsichtnahme konkret er für welche Unterlagen benötigt. Immerhin war er Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, so dass ihm die Vorfälle allgemein bekannt sein müssen. Sein Begehren auf Einsichtnahme hätte er daher im Speziellen dartun müssen, welche konkreten Unterlagen er benötigt.

Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin wird auch offensichtlich durch das vorgelegte Stillhalteabkommen vom 22.6.09 (Anlage K3), woraus sich ergibt, dass die Banken erhebliche Forderungen gegen die Gesellschaft haben, diese Forderungen auch fällig stellen und Kreditvereinbarungen nicht mehr verlängern. Soweit der Beklagte daher einwendet, diese Forderungen seien gar nicht fällig gewesen, beweist der Wortlaut der Vereinbarung das Gegenteil. Dieser lautet: „Die zum 30.6.2009 fälligen Vereinbarungen bzw. die noch bestehenden Aval-/Kreditvereinbarungen werden nicht verlängert ...“ Der Kläger hat zudem unbestritten vorgetragen, dass die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin gegenüber den Banken in der Auflistung gemäß Anlage K2 nicht berücksichtigt worden sind.

Auch der Einwand des Beklagten, in Höhe von 1 877 409,-- Euro seien bei der Gemeinschuldnerin liquide Mittel vorhanden gewesen als Sicherheitsleistungen der E. H. Kreditversicherungs AG, greift nicht.

Der Kläger hat durch Vorlage des Schreibens der E. H. AG vom 29.12.2009 (Anlage K18) und insbesondere des Nachtrags „zur Kautionsversicherung“ vom 12.3.09 (Anlage zu K18) nachgewiesen, dass nicht die Gemeinschuldnerin, sondern die E. H. AG die Verfügungsbefugnis über dieses Geld besaß.

Rechtsunerheblich ist auch der Einwand des Beklagten, aufgrund des mit der Bankenrunde vereinbarten Stillhalteabkommens (Anlage K3) sei eine Zahlungsunfähigkeit bis zum 30.09.09 ausgeschlossen.

►    Die Vereinbarung eines Stillhalteabkommens mit den Banken ist für die gesetzliche Feststellung der Zahlungsunfähigkeit ohne Bedeutung

Der Umstand, dass die Banken mit der Gemeinschuldnerin gemäß Anlage K3 ein Stillhalteabkommen vereinbart haben, ist für die Frage der Feststellung der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin im Sinne von § 64 GmbHG ohne jegliche Bedeutung. Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin ist von Gesetzes wegen festzustellen, § 64 GmbHG unterliegt daher nicht der Disposition der Parteien über die Festlegung der Zahlungsunfähigkeit.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts geht der Senat daher davon aus, dass der Beklagte für Zahlungen spätestens ab 30.6.09 (was sämtliche hier geltend gemachten Forderungen in Höhe von insgesamt 500 000,-- Euro betrifft) die Vermutung nach § 64 Satz 2 GmbHG nicht widerlegt hat, dass von ihm bewirkte Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmann vereinbar waren. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus dem Stillhalteabkommen gerade nicht, dass die Gemeinschuldnerin frei wirtschaften konnte. Die Parteien haben vielmehr vereinbart: „Es wird ein Stillhalteabkommen getroffen in der Form, dass die Rückführung der offenen Beträge bei der WGZ-Bank/D. Bank AG/B. H.- und V.bank AG innerhalb eines angemessenen Zeitraums spätestens bis zum 30.09.2009 erfolgt, alle Banken keine Verwertungsmaßnahmen bis zum 30.09.2009 ergreifen, eingehende Gelder der KCH-Gruppe bei allen Instituten bis zum 30.09.2009 zur freien Verfügung stehen ...“ Der Gemeinschuldnerin und der KCH-Gruppe standen daher lediglich „eingehende Gelder“ zur freien Verfügung, dies bedeutet aber keine weitere Dispositionsfreiheit bezüglich sonstiger liquider Mittel. Soweit der Beklagte einwendet, die voraussichtliche Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin sei für ihn nicht erkennbar gewesen, da er vom sicheren Erfolg der Investorensuche ausgegangen sei, hat er nicht hinreichend dargetan, dass tatsächlich mit einem konkreten Erfolg der Investorensuche zu rechnen war. Er hat hierzu lediglich angegeben, sich in Absprache mit den Banken auf die Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten begeben zu haben, insbesondere sollte eine neue Hausbank gesucht werden sowie ein neuer Investor zur Beteiligung am Unternehmen. Unter normalen Umständen hätte diese Suche auch Erfolg haben müssen. Doch verhielten sich die potenziellen Investoren aufgrund der „Finanzkrise“ im Jahr 2009 extrem risikoavers.

Der Beklagte hat allerdings nicht dargetan, welche Investoren konkret mit welchen Beteiligungen und Summen eintreten wollten, so dass hierdurch ein sicherer Erfolg zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre.

Soweit der Beklagte einwendet, er habe selbstverständlich die Frage der Zahlungsunfähigkeit geprüft und keine Zahlungsunfähigkeit erkannt, entlastet ihn dies nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH vom 27.3.2012 – II ZR 171/10) muss sich ein Geschäftsführer, wenn er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, von unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Personen beraten lassen.

b. Die Forderungshöhe des Klägers in Höhe von insgesamt 500 000,-- Euro für den streitgegenständlichen Zeitraum nach dem 30.6.09 errechnet sich nach der Forderungsaufstellung des Klägers gemäß Schriftsatz vom 27.3.2012 (Seite 2 bis 4 = Bl. 99/101 d. A.) auf die hier Bezug genommen wird.

►    Die Zahlungen von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung sind vorliegend mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar

Der Beklagte konnte nicht beweisen, dass die Zahlung in Höhe von 285 000,-- Euro vom 5.10.2009 mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar ist. Zwar sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung Zahlungen von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung im Hinblick auf die mögliche Strafbarkeit nach § 266 a Abs. 1 StGB (Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar (vgl. BGH vom 8.6.09 = II ZR 147/08, BB 2009, 1777, nach Juris Rz. 6). Der Beklagte gibt hierzu selbst an, es habe sich nicht um Arbeitnehmerbeiträge der Gemeinschuldnerin gehandelt, sondern um solche der KCH-Gruppe, die der Gemeinschuldnerin in treuhänderischer Tätigkeit zur Weiterleitung an die Sozialversicherungsträger zur Verfügung gestellt worden seien. Der Beklagtenvortrag hierzu ist bereits widersprüchlich, da der Beklagte ursprünglich behauptet hat, bei der Gemeinschuldnerin habe es einen faktischen Cash-Pool gegeben, bei dem die freie Liquidität der Tochter- und Schwestergesellschaften des KCH-Konzerns zusammengeführt wurde. Die Vereinbarung zu einem solchen Cash-Pool unterscheidet sich aber grundlegend von dem nunmehr behaupteten Treuhandverhältnis und der treuhänderischen Weiterleitung von Arbeitnehmerbeiträgen. Der vom Beklagten selbst benannte Zeuge M., nach den Angaben des Beklagten externer Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin, hat hierzu angegeben, ihm sei bekannt gewesen, dass bei den KCH-Gesellschaften und auch bei der Gemeinschuldnerin ein Cash-Pooling stattfand. Dies bedeute, dass die Gesellschaften der KCH-Group so untereinander verbunden waren, dass immer ein Kontoausgleich zwischen den Gesellschaften stattgefunden habe, sowohl im negativen als auch im positiven Bereich.

Eine treuhänderische Verwaltung der Gemeinschuldnerin für die KCH-Gruppe ist damit nicht nachgewiesen. Zwar hat der Beklagte durch Vorlage von Anlage B22 ff. nunmehr dargelegt, dass von der Gemeinschuldnerin an diverse soziale Versicherungsträger Arbeitnehmerbeiträge, betreffend die KCH-Gruppe, tatsächlich gezahlt worden sind. Den Vortrag des Beklagten als wahr unterstellt, hat er aber nicht hinreichend dargetan und nachgewiesen, wann konkret er jeweils welche Geldbeträge aus welchen Gesellschaften der KCH-Gruppe zuvor in treuhänderischer Funktion erhalten hat zur anschließenden Weiterleitung an die Sozialversicherungsträger. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2013 konnte der Beklagtenvertreter dies nicht näher spezifizieren unter Berufung auf die nicht erhaltenen Unterlagen vom Kläger. Wie oben (siehe oben 1.a) ausgeführt hat der Beklagte aber bislang kein ordnungsgemäßes Einsichtnahmeverlangen gestellt.

Soweit der Beklagte daher die Einvernahme der Zeugin N., Insolvenzverwalterin der KCH-Gruppe, beantragt, bedurfte es der Einvernahme der Zeugin nicht, da dies zu einer unzulässigen Ausforschung geführt hätte. Das vom Beklagten vorgelegte Schreiben der Zeugin vom 21.7.2010 (Anlage B20) betrifft lediglich die Zahlung der Gemeinschuldnerin an die Sozialversicherungsträger der KCH-Gruppe, es besagt aber nichts über die behaupteten vorherigen Zahlungen einzelner Unternehmensteile der KCH-Gruppe an die Gemeinschuldnerin.

Die weiteren Forderungen gemäß der klägerischen Aufstellung im Schriftsatz vom 27.3.2012 wurden vom Beklagten nicht hinreichend substantiiert bestritten. Auf bloßes Bestreiten mit Nichtwissen kann sich der Beklagte wie oben ausgeführt (siehe oben 1.a) nicht berufen.

Auf die Berufung des Klägers war daher das Ersturteil in Ziffer I. entsprechend abzuändern und der Klage auf Zahlung von 500.000,-- Euro in voller Höhe stattzugeben, allerdings, wie vom Kläger selbst beantragt, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgewähransprüche der Insolvenzschuldnerin SP M. GmbH gegen die durch die streitgegenständliche Zahlung vom 5.10.2009 über 285 000,-- Euro begünstigte Nada N. als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der KCH C.P. GmbH.

Gesetzliche Zinsen waren ab 2.9.2010 zuzusprechen, da der Kläger mit Schriftsatz vom 6.8.2010 (Anlage K14) Frist zur Zahlung bis 1.9.2010 gesetzt hat.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden waren ebenfalls, berechnet aus einem Streitwert in Höhe von 500 000,-- Euro zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab Rechtshängigkeit der Klage, somit 7.7.2011 zuzusprechen.

►    Berufung fdes Beklagten

2. Berufung des Beklagten:

Die Berufung des Beklagten war aus den oben zu 1. genannten Gründen als unbegründet zurückzuweisen, da er zur Zahlung nicht nur von 285 000,-- Euro, wie vom Erstgericht verurteilt, sondern sogar zur vollen Höhe von 500 000,-- Euro verpflichtet ist.

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 91, 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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