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06.08.2015
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BGH: Voraussetzungen einer Bestrafung wegen Bestechlichkeit eines Amtsträgers eines anderen EU-Mitgliedstaats

BGH, Beschluss vom 10.6.2015 – 1 StR 399/14

Amtliche Leitsätze

Eine Bestrafung wegen Bestechlichkeit eines Amtsträgers eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union setzt eine zweistufige Prüfung der Amtsträgerschaft voraus. Zunächst ist seine Stellung nach dem Recht des anderen Mitgliedstaats zu beurteilen und bejahendenfalls (kumulativ) nach deutschem Recht.

Sachverhalt

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit eines Amtsträgers eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Es hat zudem den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 955.580,71 Euro angeordnet.

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg; auf die Verfahrensrügen, denen ebenfalls Gewicht beizumessen ist, kommt es daher nicht an.

I.

Das Landgericht hat zum Vorwurf der Bestechlichkeit eines Amtsträgers eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der im Jahr 1936 geborene Angeklagte war von 1994 bis 2010 Honorarkonsul der Republik Portugal. Im Zeitpunkt seiner Ernennung unterhielt er bereits einige Kontakte in Portugal, wo seine Ehefrau seit 1979 ein Ferienhaus besaß und er eine Consultingfirma betrieb. Auf seine Bewerbung bei der portugiesischen Botschaft wurde der Angeklagte nach erfolgreichem Durchlaufen eines offiziellen Auswahlverfahrens 1994 durch den Staatspräsidenten und entweder den Außenminister oder den Regierungschef Portugals zum Honorarkonsul der Republik bestellt. Das Amt des Honorarkonsuls versetzte den Angeklagten in die Stellung eines Repräsentanten des Landes, berechtigte ihn aber nicht, „förmliche Papiere, wie z.B. Pässe oder Visa auszustellen“ (UA S. 6). Abgesehen von einer pauschalen Aufwandsentschädigung, die zwischen 2.000 Euro und 2.500 Euro pro Jahr lag, erhielt der Angeklagte für die Ausübung des Amtes keine Vergütung. Aufwendungen für von ihm selbst durchgeführte Veranstaltungen und Empfänge wurden von dem Angeklagten selbst getragen und nicht erstattet. Seinen Lebensmittelpunkt unterhielt der Angeklagte dabei fortwährend in Deutschland.

Unter Nutzung seiner Kontakte zu hochrangigen Vertretern der portugiesischen Regierung vermittelte der Angeklagte Ende 2003 den Abschluss eines Vertrages über die Lieferung zweier U-Boote zwischen Portugal und dem G. S. . Dem ging Folgendes voraus:

Um mit größerem Erfolg den Verkauf von U-Booten betreiben zu können, schlossen sich die Unternehmen F. AG, die Ho. AG und die T. GmbH zu dem Konsortium G. S. (nachfolgend: G. ) zusammen. Bereits Ende der 90er Jahre bemühte sich das G. um den Vertragsabschluss über die Lieferung von U-Booten mit der Republik Portugal, die zwei U-Boote der Klasse 209 PN erwerben wollte und dafür ein Ausschreibungsverfahren initiiert hatte.

Während eines Empfangs bei dem portugiesischen Botschafter am 10. Juni 1999 beklagte der anderweitig Verurteilte H. , ein Vorstandsmitglied der F. AG, in offener Gesprächsrunde die Stagnation der Vertragsverhandlungen mit Portugal und bat den Angeklagten um Unterstützung. Im Anschluss hieran und um die Chancen des G. für den Gewinn der Ausschreibung zu erhöhen, versprach der anderweitig Verurteilte H. dem Angeklagten bei einem weiteren Zusammentreffen in München am 5. Juli 2002 finanzielle Zuwendungen als Gegenleistung für die Vermittlung von Kontakten zu ranghöchsten Regierungsvertretern Portugals. Der Angeklagte nahm dieses Angebot trotz des von ihm erkannten Konflikts mit seiner Stellung als Honorarkonsul an; er sagte zu, sich gegen Zahlung einer entsprechenden Vergütung für eine Auftragsvergabe an das G. einzusetzen.

Ab diesem Zeitpunkt vertrat der Angeklagte in seiner Funktion als Honorarkonsul gegenüber verschiedenen amtlichen Stellen Portugals die Interessen der F. AG. So arrangierte er mehrfach Treffen zwischen hochrangigen portugiesischen Regierungsvertretern und Entscheidungsträgern des G. , etwa am 9. Juli und am 3. Oktober 2002 sowie vom 7. bis 9. Februar 2003. Er handelte dabei in dem Bestreben, einen Vertragsabschluss über die Lieferung von U-Booten herbeizuführen, um hierdurch das ausgelobte Honorar zu verdienen. Nach dem unter dem 23. Januar 2003 mit der F. AG schriftlich niedergelegten Beratervertrag sollte dem Angeklagten bei Zustandekommen eines U-Bootkaufvertrages eine Erfolgsprovision von 0,3 % der Auftragssumme zustehen.

Am 6. November 2003 gewann das G. schließlich das Ausschreibungsverfahren der portugiesischen Regierung. Das Auftragsvolumen für die Lieferung der U-Boote belief sich auf insgesamt rund 880.000.000 Euro, wovon ein Anteil von 130.000.000 Euro auf die F. AG entfiel. Ein entsprechender Kaufvertrag zwischen den Parteien wurde formell im April 2004 geschlossen.

Der Angeklagte führte seine Beratungstätigkeit für die F. AG auch nach Abschluss des Ausschreibungsverfahrens noch bis Juli 2004 fort. Insbesondere wirkte er auf den Abschluss des Kaufvertrages noch während eines Treffens mit dem portugiesischen Verteidigungsminister am 5. Februar 2004 hin.

Nach dem Zustandekommen des Kaufvertrages kam es zwischen dem Angeklagten und der F. AG zu einem Streit über die Zahlung des Honorars, der nach einer umfangreichen zivilgerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Abschluss eines Vergleichs endete. In dieser Vergleichsvereinbarung vom 9. Dezember 2004 verpflichtete sich die F. AG zur Zahlung eines Beraterhonorars von 1.420.000 Euro zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer an den Angeklagten sowie zur Erstattung seiner Rechtsanwaltskosten und zahlte daraufhin eine Summe von insgesamt 1.679.342,61 Euro aus.

2010 erklärte der Angeklagte seinen Rücktritt vom Amt des Honorarkonsuls, nachdem er nach Bekanntwerden der verfahrensgegenständlichen Vorwürfe durch die portugiesische Regierung zunächst suspendiert worden war.

Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten als Bestechlichkeit eines Amtsträgers eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union (Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EUBestG i.V.m. § 332 Abs. 1, Abs. 3 StGB) gewertet und dessen Stellung als Amtsträger insoweit auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gestützt. Es hat dabei unter entsprechender Auslegung des Art. 2 § 1 Abs. 1 EUBestG die Auffassung vertreten, auf die Einordnung der ausgeübten Funktion nach dem Recht des anderen Mitgliedstaats komme es für die rechtliche Bewertung nicht an; auch eine abweichende Bewertung der Amtsträgerstellung nach portugiesischem Recht könne auf die Anwendung des deutschen materiellen Strafrechts keinen Einfluss haben.

Aus den Gründen

II.

14        Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

15        Die bisher getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Bestechlichkeit eines Amtsträgers eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EUBestG i.V.m. § 332 Abs. 1, Abs. 3 StGB nicht. Die Strafkammer hat an die Prüfung der Amtsträgereigenschaft im Sinne dieser Vorschrift einen fehlerhaften rechtlichen Maßstab angelegt, indem sie alleine auf die Bewertung nach innerstaatlichem Recht (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) abgestellt hat.

16        Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG stellt für die Bestechungsdelikte der §§ 332, 334 ff. StGB dem sonstigen Amtsträger nach diesen Vorschriften den Amtsträger eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union gleich, „soweit seine Stellung einem Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches entspricht“. Ziel der Vorschriften des EUBestG (Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 10. September 1998, BGBl. II 2340, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juli 2004, BGBl. I 1763) ist es, die Strafbarkeit staatlicher Funktionsträger nach § 332 StGB auch bei transnationalen Bestechungshandlungen im europäischen Rechtsraum im Sinne umfassender und effektiver Verbrechensbekämpfung zu gewährleisten.

17        Der Begriffsdefinition des Amtsträgers im Sinne des Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG liegt eine zweistufige Struktur zugrunde; sie setzt bei dem Funktionsträger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union voraus, dass dieser Amtsträger sowohl nach dem Recht des betroffenen akkreditierenden Mitgliedstaats als auch in Ansehung deutschen Rechts (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) ist. Nur bei Vorliegen der Amtsträgereigenschaft nach beiden Rechtsordnungen zugleich kann der Tatbestand des Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG erfüllt sein.

18        Dies hat das Landgericht verkannt; es hat deshalb verabsäumt, die erforderliche Bewertung der Stellung des Angeklagten nach portugiesischem Recht vorzunehmen und dementsprechende Feststellungen zu treffen.

19        1. Bei der Prüfung der Amtsträgerschaft ist in der ersten Prüfungsstufe von dem Recht des jeweiligen EU-Mitgliedstaats auszugehen. Nur wer danach für die Zwecke des Strafrechts Amtsträger dieses Landes ist, kann gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG die deutschen Straftatbestände der §§ 332, 334 StGB verwirklichen.

20        Die Auslegung des Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG anhand allgemeiner methodischer Grundsätze lässt ein anderes Verständnis der Norm nicht zu und entspricht auch der im Schrifttum vorherrschenden Meinung (vgl. Graf in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, StGB § 332 Rn. 5; Greeve/Dörr in Volk: MAH Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, 2. Aufl., § 20 Rn. 122 f.; Korte, wistra 1999, 81, 84; ders. in: MK-StGB § 332 Rn. 5; Möhrenschlager in: Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention, 8. Kap., Rn. 368; Rübenstahl, ZWH 2012, 179 ff.; Sowada in: LK-StGB Vor § 331 Rn. 25; Tinkl, wistra 2006, 126, 127; a.A. Dötterl, ZWH 2012, 54 ff.).

21        a) Ausgangspunkt und Grenzen der Auslegung ergeben sich aus dem Wortlaut der Norm (vgl. BVerfGE 75, 329, 341 f. mwN). Dieser besagt in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EUBestG, sonstiger Amtsträger sei (nur) ein „Amtsträger eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, soweit seine Stellung einem Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches entspricht“. Die grammatikalische Auslegung ist eindeutig; nur ein Amtsträger im Sinne des Rechts eines anderen EU-Mitgliedstaats fällt danach überhaupt in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Bei der Amtsträgereigenschaft nach fremdem Recht handelt es sich deshalb um ein konstitutives Merkmal des gesetzlichen Straftatbestands. Der zweite Halbsatz der Vorschrift wäre anderenfalls inhaltsleer; sinntragend wird er hingegen als anwendungsbeschränkendes Korrektiv der Strafvorschrift durch Inblicknahme des deutschen Rechts.

22        b) Systematisch folgt dasselbe aus der gesetzlichen Überschrift. Die „Gleichstellung von ausländischen mit inländischen Amtsträgern bei Bestechungshandlungen“ legt nahe, dass zwischen ihnen im Ansatz ein Unterschied besteht oder jedenfalls bestehen kann. Identische Begriffe sind gleich, sie müssen nicht gleichgestellt werden. Dies bekräftigt auch die Binnenstruktur der Vorschrift, die in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EUBestG den Richter im Sinne des deutschen materiellen Strafrechts dem „Richter eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union“ gleichstellt und dabei für die Bestimmung der Richtereigenschaft der Person des anderen Mitgliedstaats allein dessen Recht zum Maßstab nimmt. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber die strafrechtliche Gleichstellung von Richtern und Amtsträgern in demselben Absatz der Vorschrift mit derselben Regelungstechnik vorgenommen hat, kann für den Amtsträger nichts anderes gelten; auch hier muss das Recht des betroffenen Mitgliedstaats maßstabsgebend sein.

23        c) Die Zweistufigkeit des Amtsträgerbegriffs nach Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG wird auch durch die historische Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien und die allgemeinen Grundsätze europarechtsfreundlicher Rechtsanwendung (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 – 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 ff.) belegt.

24        aa) Bereits das dem EUBestG zugrunde liegende Protokoll der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften nach dem Rechtsakt des Rates der Europäischen Union vom 27. September 1996 (BT-Drucks. 13/10424, S. 8 ff.; nachfolgend: Protokoll) geht von dieser Regelungstechnik aus. Nach den Definitionen des Art. 1 „wird der Ausdruck ‘nationaler Beamter‘ entsprechend der Definition für den Begriff ‘Beamter‘ oder ‘Amtsträger‘ im innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaats ausgelegt, in dem der Betreffende diese Eigenschaft für die Zwecke der Anwendung des Strafrechts dieses Mitgliedstaats besitzt.“ Im Sinne der zweiten Prüfungsstufe erfolgt im folgenden Satz die Einschränkung der Strafbarkeit dergestalt, dass bei einem „Verfahren, das ein Mitgliedstaat wegen einer Straftat einleitet, an der ein Beamter eines anderen Mitgliedstaates beteiligt ist“, die Definition nur insoweit angewendet werden muss, „als diese mit seinem innerstaatlichen Recht im Einklang steht“ (BT-Drucks. 13/10424, S. 8).

25        bb) Der erläuternde Bericht zu dem Protokoll, vom Rat angenommen am 19. Dezember 1997 (vgl. ABl. EG 1998 C 11 S. 5; nachfolgend: erläuternder Bericht), enthält in Ziff. II. Art. 1 Nr. 1.4 eine inhaltsgleiche, gleichermaßen zweistufige Begriffsbestimmung.

26        cc) Die Begründung zum Vertragsgesetz (BT-Drucks. 13/10424, S. 6 f.) schließt hieran an. Danach verfolgt dieses den Zweck, „Beamte bzw. Amtsträger anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Anwendungsbereich der §§ 332 und 334 StGB“ einzubeziehen (vgl. BT-Drucks. 13/10424, S. 6). Soweit dort weiter ausgeführt wird, die Auslegung des Amtsträgerbegriffes orientiere sich an der für deutsche Amtsträger geltenden Regelung (BT-Drucks. 13/10424, aaO), wird damit auf die Begriffsausfüllung nach dem Recht des Mitgliedstaats nicht etwa verzichtet, sondern entsprechend dem bereits Ausgeführten auf die Möglichkeit der Einschränkung des ausländischen durch den deutschen Rechtsbegriff Bezug genommen.

27        dd) Schließlich geht auch die Denkschrift der Bundesregierung (BT-Drucks. 13/10424, S. 12 f.) zu dem benannten Übereinkommen von diesem Verständnis aus. Danach ergibt sich aus dem Protokoll und dem Erläuternden Bericht hierzu, „dass für die Amtsträgereigenschaft grundsätzlich die nationale strafrechtliche Definition des Staates maßgeblich ist, dem der Amtsträger angehört“. Es sei aber „in Fällen der Bestechlichkeit und Bestechung von Amtsträgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Eingrenzung des Amtsträgerbegriffs nach dem Recht des strafverfolgenden Mitgliedstaates“ gestattet, von welcher (in Deutschland) bei der Umsetzung Gebrauch gemacht werde. Personengruppen, die nach ihrem Status oder ihrer Funktion nicht zur Kategorie der Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gehören, aber Amtsträger nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats sind, seien dann in Deutschland in Fällen der Bestechung und Bestechlichkeit nicht als Amtsträger zu behandeln. Die Regelung in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a des Vertragsgesetzes trage diesem Umstand Rechnung (vgl. BT-Drucks. 13/10424 S. 13).

28        Die Denkschrift der Bundesregierung setzt damit den im europäischen Rechtsraum geltenden Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (Art. 82 EUV, Art. 67 AEUV) um. Das Rechtssystem des betroffenen Mitgliedstaates findet durch die Zugrundelegung seines materiellen Rechtsverständnisses Eingang in die deutsche Rechtssetzung, erfährt zum Schutz des innerstaatlichen Primärraums aber im Sinne eines sich wechselseitig ergänzenden Konzepts gegebenenfalls eine Beschränkung durch die deutsche Begriffsbestimmung.

29        d) Verfassungsrechtliche Grundsätze widerstreiten der vorbeschriebenen Auslegung nicht.

30        Die in Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 29. August 2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 345 [nicht tragend]) und Schrifttum (vgl. Dötterl, ZWH 2012, 54, 57) angedeuteten Bedenken, eine zweistufige Prüfung der Amtsträgerstellung könne zur Schaffung eines nicht mehr hinreichend bestimmten Blankettstraftatbestands führen, hält der Senat für unbegründet.

31        Um eine Blankettnorm, die mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG dem Erfordernis der Erkennbarkeit des Bestrafungsrisikos für den Bürger nicht hinreichend Rechnung trägt, handelt es sich bei Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG nicht. Tragweite und Anwendungsbereich der Vorschrift sind klar erkennbar; jedermann kann vorhersehen, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (vgl. BVerfGE 41, 314, 319; 45, 346, 351; 47, 109, 120; 48, 48, 56; 64, 389, 393 f.).

32        Die hinreichende Bestimmtheit der Norm folgt bereits daraus, dass sich ihre Reichweite schon alleine durch die deutschen Strafbarkeitsvoraussetzungen gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EUBestG, welche den Begriff des Amtsträgers im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB einschließen, für jedermann erkennbar absehen lässt. Die zusätzliche Geltung ausländischen Rechts kann daneben die Tatbestandsmäßigkeit allenfalls entfallen lassen, sich aber nicht strafbarkeitserweiternd auswirken. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG ist deshalb ausgeschlossen.

33        Auch ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG ist nicht etwa deshalb zu besorgen, weil zur Prüfung der gesetzlichen Merkmale deutschen Rechts ausländische Vorschriften herangezogen werden müssen. Die Ausübung der Strafgewalt bedarf zwar der Legitimation durch das Staatsvolk, welche durch die Gesetze eines ausländischen Staates nicht bewirkt werden kann (Art. 20 Abs. 3 GG). Ausländisches Recht kann aber zur Anwendung gelangen, wenn deutsche Rechtsnormen darauf verweisen und es damit für maßgeblich erklären. Für die betreffende ausländische Vorschrift gelten dann gleichermaßen die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG. Die den Amtsträger im Sinne des Strafrechts definierende portugiesische Regelung des Art. 386 Abs. 1 lit. c Código Penal Português (PPC) in der zur Tatzeit geltenden Fassung wird diesen Anforderungen ersichtlich gerecht.

34        e) Auch von bereits ergangener Rechtsprechung weicht der Senat mit den vorgenannten Erwägungen nicht ab.

35        In seiner Entscheidung vom 29. August 2008 (BGH, Urteil vom 29. August 2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 347) hat der Bundesgerichthof nicht anderslautend entschieden. Tragend für diese Entscheidung war die Auslegung des Amtsträgerbegriffs nach dem IntBestG; soweit eine Strafbarkeit nach dem EUBestG daneben unter Ablehnung der Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB verneint wurde, enthält dies keine Aussage zu der Frage, ob daneben auch das Begriffsverständnis des EU-Mitgliedstaats maßgebend, die Prüfung also ein- oder zweistufig vorzunehmen ist.

36        2. Da nach Auffassung des Landgerichts für die Amtsträgereigenschaft „allein auf den deutschen, nicht auch zusätzlich auf den portugiesischen Amtsträgerbegriff abzustellen“ ist (UA S. 52), hat es sich rechtsfehlerhaft nicht mit der zunächst zu prüfenden Frage befasst, ob der Angeklagte Amtsträger nach portugiesischem Recht war.

III.

37        Der Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts führt zur Aufhebung des Urteils.

38        Die Aufhebung erfasst hier auch die zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Es liegt nahe, dass diese unter Inblicknahme auch portugiesischen Rechts anders getroffen worden wären.

39        Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

40        Eine Freisprechung des Angeklagten durch den Senat (§ 354 Abs. 1 StPO) kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass bei Anwendung des zutreffenden Maßstabs Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Strafbarkeit des Angeklagten wegen Bestechlichkeit eines Amtsträgers eines anderen Mitgliedstaats der Euro-päischen Union gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EUBestG i.V.m. § 332 Abs. 1, Abs. 3 StGB führen, wenn der Angeklagte sowohl nach portugiesischem Recht als auch nach deutschem Recht Amtsträger war.

IV.

41        Durch den weitergehenden, auf Freisprechung lautenden Antrag des Generalbundesanwalts ist der Senat nicht an einer Beschlussentscheidung gehindert. Die Befugnis des Revisionsgerichts, nach Urteilsaufhebung (§ 349 Abs. 4 StPO) die Sache zurückzuverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden, richtet sich ausschließlich nach § 354 StPO; sie setzt – mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Fallvarianten des § 354 Abs. 1 4. Var., Abs. 1a Satz 2 StPO – keinen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus (vgl. u.a. BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2009 – 3 StR 96/09 und vom 10. Februar 2004 – 4 StR 24/04).

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