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06.05.2014
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BGH: Verteidigungsmöglichkeiten bei Abweisung von Akteneinsicht in Kartellbußgeldverfahren

BGH, Beschluss vom 18.2.2014 – KRB 12/13

OWIG § 46 Abs. 3 Satz 4;

StPO § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4; § 406e Abs. 4

 

Aus den Gründen

I.

 

1          Das Oberlandesgericht hat auf Antrag von belieferten Handelsunternehmen in einem Kartellbußgeldverfahren gegen mehrere Kaffeeröster und deren leitende Mitarbeiter durch Beschluss der Vorsitzenden Akteneinsicht in bestimmte Aktenteile (Bußgeldbescheide) gewährt, wobei es allerdings eine Schwärzung angeordnet hat, soweit Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht die Anträge zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die von den Nebenbetroffenen belieferten Handelsunternehmen, die wegen des Verstoßes gegen das Kartellverbot Schadensersatzansprüche geltend machen wollen, mit ihren Beschwerden, mit denen sie eine weitergehende Akteneinsicht (insbesondere auch in die Bonusanträge) begehren. Die Nebenbetroffene Tchibo GmbH und zwei Betroffene (jeweils leitende Mitarbeiter dieser Nebenbetroffenen) beanstanden, dass ihre schutzwürdigen Belange nicht ausreichend berücksichtigt worden seien und das Oberlandesgericht in zu weitgehendem Umfang Akteneinsicht bewilligt habe. Der Generalbundesanwalt hat in seinen Antragsschriften (zuletzt vom 1. Oktober 2013) die Verwerfung der Beschwerden als unzulässig beantragt.

 

II.

 

2          Die Beschwerden, die sich gegen den Umfang der gewährten Akteneinsicht richten, sind sämtlich nicht statthaft. Dies gilt sowohl für die Beschwerden der Händler, die als Verletzte nach § 406e StPO i.V.m. § 46 OWiG umfassendere Akteneinsicht begehren, als auch für die Beschwerden der Betroffenen und der Nebenbetroffenen, die sich gegen die aus ihrer Sicht zu weit gehende Gewährung von Akteneinsicht wenden.

 

3          1. Es kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen Entscheidungen nach § 406e StPO, der nach § 46 Abs. 3 Satz 4 OWiG auch im Bußgeldverfahren Anwendung findet, generell einer Anfechtung unterliegen. Die Beschwerden sind jedenfalls nicht statthaft, wenn die Entscheidung wie hier vom Oberlandesgericht getroffen wurde.

 

4          Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen ist durch die Neufassung des § 406e Abs. 4 StPO durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformgesetz) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2280) die Rechtslage - soweit es die hier zu entscheidende Frage betrifft - nicht geändert worden. Mit dieser Regelung sollten die bis dahin zersplitterten Akteneinsichtsrechte der Verletzten, Nebenklagebefugten und Nebenkläger vereinheitlicht werden (BT-Drucks. 16/12098, S. 34). Die neu geschaffene Regelung des § 406e Abs. 4 Satz 4 StPO räumt demgemäß grundsätzlich auch dem Verletzten die in § 304 StPO gegen erstinstanzliche Entscheidungen vorgesehene Möglichkeit der Beschwerde ein (BT-Drucks. aaO S. 36). Allerdings geht auch insoweit die Beschwerdemöglichkeit im Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht weiter als nach den Regelungen der Strafprozessordnung. Dort sind Beschlüsse der Oberlandesgerichte grundsätzlich unanfechtbar. Lediglich unter den Voraussetzungen des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO ist eine Beschwerde gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte in Sachen statthaft, in denen diese Gerichte im ersten Rechtszug zuständig sind. Dies trifft zwar auf das kartellrechtliche Ordnungswidrigkeitsverfahren zu (§ 83 GWB), weshalb der Bundesgerichtshof in Kartellbußgeldsachen die Beschwerden in den Fällen des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO unter engen Voraussetzungen zugelassen hat (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2007 - KRB 59/07, BGHSt 52, 58 Rn. 4). Dem Verletzten steht nach den eng auszulegenden Ausnahmetatbeständen des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO die Beschwerde aber nicht zu.

 

5          Zu den enumerativ aufgezählten Beschwerdetatbeständen gehören nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StPO auch Entscheidungen, welche die Akteneinsicht betreffen. Wie der Bundesgerichtshof - allerdings noch unter Geltung der Vorgängerregelung - bereits entschieden hat (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1989 - KRB 4/89, BGHSt 36, 338; vgl. auch Beschluss vom 10. Oktober 1990 StB 19/90, NStZ 1991, 95), ist die Beschwerde durch diese Vorschrift indessen nur insoweit eröffnet, als einem Verfahrensbeteiligten durch die (teilweise) Verweigerung der Akteneinsicht die sachgerechte Interessenwahrnehmung in dem Straf- bzw. Bußgeldverfahren erschwert wird. Dies ergibt sich aus dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StPO, die den Streit um den Umfang der Akteneinsicht im Hinblick auf ein anhängiges Straf- (bzw. Bußgeld-)Verfahren einer Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht zuführen will (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2007 - KRB 59/07, BGHSt 52, 58 Rn. 5). Dieser Grundsatz ist durch die 2. Opferrechtsnovelle unangetastet geblieben, weil zwar die Rechtsstellung des Verletzten im Hinblick auf die Akteneinsicht verbessert, aber nicht der für die Eröffnung der Beschwerde nach § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO erforderliche Bezug zum Gegenstand des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens aufgehoben werden sollte. Die Beschwerde ist deshalb im kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeitsverfahren weiterhin nur statthaft, wenn die Akteneinsicht für die Interessenwahrnehmung im Hinblick auf den Schuldspruch, die Bußgeldbemessung oder eine sonstige wesentliche Entscheidung im Bußgeldverfahren selbst von Bedeutung sein kann.

 

6          2. Um eine solche Fallgestaltung geht es hier indes weder im Rahmen der Beschwerden der Betroffenen oder der Nebenbetroffenen noch bei den Beschwerden der Antragstellerinnen. Vielmehr steht allein in Rede, in welchem Umfang den Antragstellerinnen zur Ermöglichung oder Erleichterung eines zukünftigen Schadensersatzprozesses Akteneinsicht zu gewähren ist oder die Akteneinsicht zu beschränken ist, weil die Betroffenen oder die Nebenbetroffene in der Interessenabwägung überwiegende Geheimhaltungsinteressen geltend machen können. Die Entscheidung dieser Frage ist für das Ordnungswidrigkeitsverfahren selbst nicht von Bedeutung. Hinsichtlich der Antragstellerinnen gilt dies schon deshalb, weil diese nach § 46 Abs. 3 Satz 4 OWiG ungeachtet ihres Akteneinsichtsrechts keine eigenständige prozessuale Stellung in dem Bußgeldverfahren einnehmen. Gleichfalls sind für Betroffene und Nebenbetroffene in dem gegen sie geführten Bußgeldverfahren keine durch den Umfang der Akteneinsicht der Antragstellerinnen drohende Nachteile im Sinne einer Einschränkung ihrer Verteidigungsmöglichkeiten ersichtlich. Auch ihre Beschwerden sind deshalb nicht statthaft, weil diese ebenfalls ein außerhalb des Kartellbußgeldverfahrens liegendes Streitverhältnis betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2005 - StB 6/04, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Akteneinsicht 3).

 

 

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