ARUG II: Verschiebung der nationalen Umsetzung der zweiten EU-Aktionärsrechterichtlinie hat Auswirkungen auf die Hauptversammlungssaison 2020
ARUG II und DCGK-Reform: Auswirkungen auf die Hauptversammlungssaison 2020
Eigentlich hätte bereits bis zum 10. Juni 2019 die nationale Umsetzung der zweiten EU-Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) durch den deutschen Gesetzgeber erfolgen müssen. Hieraus ist jedoch nichts geworden, da sich der Bundestag vor der parlamentarischen Sommerpause nicht über alle Inhalte einigen konnte. Nunmehr ist mit einem Inkrafttreten des ARUG II wahrscheinlich im Januar 2020 zu rechnen. Diese zeitliche Verschiebung hat Auswir-kungen auf die Hauptversammlungssaison 2020 und die geplante Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).
Der deutsche Gesetzgeber hat es nicht geschafft, die Neuregelungen aus der zweiten europäischen Aktionärsrechterichtlinie fristgerecht bis zum 10. Juni 2019 in nationales Recht umzusetzen. Eine Einigung über sämtliche Inhalte, die im Regierungsentwurf vom 20. März 2019 enthalten sind, konnte vor der parlamentarischen Sommerpause nicht erreicht werden. Das geplante ARUG II wird – in Umsetzung der neuen europäischen Aktionärsrechterichtlinie – aber im Wesentlichen folgende vier Regelungskomplexe enthalten: 1. Eine stärkere Mitsprache der Aktionäre bei der Vergütung von Vorständen und Aufsichtsräten („say on pay”); 2. eine verbesserte Aktionärsidentifizierung und Aktionärskommunikation („know your shareholder”); 3. Genehmigungs und Veröffentlichungspflichten bei Verträgen börsennotierter Gesellschaften mit nahestehenden Personen („related party transactions”) und 4. eine erhöhte Transparenz bei der Mitwirkung von institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern. Bereits jetzt ist daher sicher, dass Unternehmen vor zahlreichen, zum Teil völlig neuen Herausforderungen stehen werden. Eine Übersicht zu den besonders Compliance-relevanten Regelungsbereichen des ARUG II und den praktischen Auswirkungen auf die Unternehmensorganisation geben Kuthe/Lingen in der Oktober-Ausgabe des Compliance-Beraters. Jüngst wurde bekannt, dass im November das ARUG II auf der Agenda von Bundestag und Bundesrat steht. Läuft alles glatt durch, könnte das Gesetz am 1. Januar 2020 in Kraft treten. Dieser neue Zeitplan hat wesentliche Auswirkungen auf die Hauptversammlungssaison 2020. Ein in der öffentlichen Diskussion zentrales Thema ist die – rechtlich nicht verbindliche, aber praktisch relevante – Beschlussfassung der Hauptversammlung über das Vergütungssystem des Vorstands. Nach den Übergangsbestimmungen müsste ein solcher Beschluss ebenso wie ein Beschluss zum Vergütungssystem des Aufsichtsrats erst ab dem 1. Juli 2020 erfolgen (gemäß § 26 EGAktG-E). Der neue Vergütungsbericht muss i.d.R. erst ab dem Geschäftsjahr 2021 erstellt werden. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass sich auch die Reform des DCGK, der unmittelbar nur für im regulierten Markt börsennotierte Gesellschaften gilt, zeitlich in die erste Jahreshälfte 2020 verschieben wird. Denn die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat bereits mitgeteilt, dass der neue DCGK erst nach Inkrafttreten des ARUG II beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Veröffentlichung eingereicht werden soll. Hierdurch wird ermöglicht, etwaige erforderliche Anpassungen des Aktiengesetzes durch das ARUG II noch im neuen Kodex zu berücksichtigen. Ziel der Reform des DCGK ist vor allem, eine bessere Verständlichkeit durch eine „Entschlackung“ des sehr langen, in weiten Teilen nur den Gesetzeswortlaut wiederholenden bisherigen Kodex zu erreichen. Zur geplanten Struktur des neuen DCGK sowie den wesentlichen Inhalten empfiehlt sich die Lektüre des Beitrags von Zipperle/Beck in der September-Ausgabe des Compliance-Beraters. Bis zum Inkrafttreten des reformierten DCGK steht es Unternehmen laut Regierungskommission frei, einzelne neue Empfehlungen und Anregungen im Sinne einer „Best Practice“ bereits vorzeitig anzuwenden.Insbesondere im regulierten Markt ist börsennotierten Gesellschaften anzuraten, das Gesetzgebungsverfahren zum ARUG II sowie dessen mögliche Auswirkungen auf die Reform des DCGK weiterhin genau zu beobachten. Dies gilt vor allem deshalb, weil neben dem Zeitplan aktuell noch unklar ist, ob sich eventuell noch größere Anpassungen im Vergleich zum derzeitigen Stand in den beiden Reformvorhaben ergeben. Es bleibt also in jedem Fall spannend!
Dr. Thorsten Kuthe und Dr. Gero Lingen