LAG Düsseldorf: Schienenkartell - Keine Haftung des Verkaufsleiters
Der Kläger war seit 1989 bei der Beklagten, welche Schienen und andere gleistechnische Produkte vertrieb, beschäftigt. Seit dem Jahre 1996 war er Leiter eines der zehn Verkaufsbüros der Beklagten und dort zuständig für Vertrieb, technische Beratung und Materialeinkauf. Gegen die Beklagte wurde Mitte 2013 ein Bußgeld von 88 Mio. Euro wegen kartellrechtswidriger Absprachen zu Lasten verschiedener Kunden auf dem sog. Privatmarkt, insbesondere von Nahverkehrsbetrieben, erlassen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der von der Beklagten im Wege der Widerklage geltend gemachte Schadensersatz in Höhe von zuletzt 300.000,00 Euro. Diese setzen sich zusammen aus Rechtsverfolgungskosten, Aufklärungskosten und Teilen des Bußgeldes. Zudem begehrt sie die Feststellung, dass der Kläger zum Ersatz der weiteren Schäden aufgrund von Kartellabsprachen bezüglich einzelner benannter Aufträge aus dem Bereich des sog. Privatkundengeschäfts verpflichtet ist. Sie begründet ihre Forderungen damit, dass der Kläger an den rechtswidrigen Kartellabsprachen aktiv beteiligt gewesen sein soll und dadurch seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Dies bestreitet der Kläger.
Die Widerklage hatte ebenso wie vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Der Kläger ist als Vertriebsleiter nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Die Beklagte konnte ihm betreffend einer Reihe von Aufträgen bereits nicht nachweisen, dass er diese kartellrechtwidrig abgesprochen hat bzw. an solchen Absprachen beteiligt war. Soweit die Kammer die Zeugen vernommen hat, haben sie den Vortrag der Beklagten nicht bestätigt. Die weiteren Zeugen, insbesondere einer der Hauptbelastungszeugen, haben zu Recht von ihrem Aussageverweigerungsrecht wegen der Gefahr der eigenen Strafverfolgung Gebrauch gemacht. Im Übrigen scheiterte die Schadensersatzpflicht des Klägers an dem überwiegenden Mitverschulden der Organe der Beklagten und ihrer Konzernobergesellschaft. Diese trifft ein erhebliches Organisationsverschulden, denn sie haben das kartellrechtswidrige Absprachesystem geschaffen. Sie haben es den Arbeitnehmern z.B. auf einer Tagung im Jahre 2001 nahe gebracht. Die Anwesenheit der Geschäftsführer und der Vorstände sollte hierbei den Mitarbeitern die kartellrechtswidrige Strategie mit dem nötigen Nachdruck vermitteln. Bei dieser Sachlage ist ein - unterstellter - Tatanteil des Klägers zwar als grob pflichtwidrig zu bewerten, aber als deutlich geringer anzusehen als derjenige der Beklagten. Diese hatte es als Arbeitgeberin durch ihre Organe in der Hand, ihren Betrieb so zu organisieren, dass kartellrechtswidrige Absprachen, wie sie jahrelang flächendeckend praktiziert wurden, unterblieben.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.11.2015 – 14 Sa 800/15
Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 09.10.2012 – 2 Ca 298/12
(PM LAG Düsseldorf vom 30.11.2015)