EU-Kommission: Neue Aufsichtsregeln für Banken und Versicherungen fördern Investitionen in die Wirtschaft
Die Europäische Kommission hat am 10.10.2014 die neuen Aufsichts- und Eigenkapitalregeln für Versicherer und Banken mit delegierten Rechtsakten präzisiert.
Diese Detailregelungen sollen zu sicheren und transparenten Verbriefungsmärkten in Europa beitragen, ausreichend liquide Bankenaktiva in Krisenzeiten sicherstellen und internationale Vergleichbarkeit der Verschuldungsquoten von Banken gewährleisten.
„Diese detaillierten Vorschriften stellen die notwendige Ergänzung zur Solvabilität-II-Richtlinie und zur Eigenkapitalverordnung dar“, erklärte der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissionsvizepräsident Michel Barnier. „Sie zeigen, dass Europa es ernst meint mit der Schaffung eines Rahmens, der insbesondere durch Förderung sicherer und transparenter Verbriefungen und durch Anreize für Versicherer, langfristige Anlagen zu tätigen, Investitionen in die Wirtschaft unterstützen soll. Sie zeigen auch, dass Europa bei der Umsetzung international vereinbarter Grundsätze eine Vorreiterrolle einnimmt und seine Finanzinstitute widerstandsfähiger macht, gleichzeitig aber dem Finanzierungsbedarf der Realwirtschaft und der Diversität des europäischen Finanzsektors Rechnung trägt.“
Das am 10.10.2014 angenommene Paket hat auch das Ziel, die Realwirtschaft wirkungsvoll zu unterstützen, ohne dabei die Finanzstabilität zu gefährden. Es ist im Zusammenhang mit dem allgemeinen Ziel der Europäischen Kommission zu sehen, Beschäftigung, Wachstum und Investitionen zu fördern. So hat der neu gewählte Kommissionspräsident Juncker in seinen politischen Leitlinien vom 15. Juli angekündigt, in den ersten drei Monaten der Amtszeit der neuen Kommission ein ehrgeiziges Beschäftigungs-, Wachstums- und Investitionspaket vorzuschlagen, mit dem in den kommenden drei Jahren bis zu 300 Mrd. Euro zusätzlicher öffentlicher und privater Investitionen in die Realwirtschaft mobilisiert werden sollen.
Die erlassenen Rechtsakte umfassen
1.) detaillierte Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie Solvabilität II, insbesondere zu:
der Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, einschließlich der sogenannten „langfristigen Garantiemaßnahmen“;
der Festlegung der Eigenkapitalhöhe und der Kalibrierung der verschiedenen Vermögenswertklassen, in die ein Versicherer investieren darf;
und zur Art und Weise, wie Versicherungsunternehmen geführt und organisiert werden sollten.
Um insbesondere kleineren Versicherern die Anwendung von Solvabilität II zu erleichtern, wurden für bestimmte Fälle vereinfachte Methoden und Ausnahmen festgelegt;
2.) eine detaillierte Liquiditätsdeckungsanforderung für Banken, wonach diese verpflichtet sind, zur Deckung der Differenz zwischen den für eine 30-tägige Stressphase erwarteten Liquiditätsab- und zuflüssen erstklassige liquide Aktiva in ausreichender Menge vorzuhalten;
3.) detaillierte Bestimmungen zur Verschuldungsquote, in denen klargestellt wird, wie die Banken in der EU die in diesem Bereich bestehenden Vorschriften anzuwenden haben.
Die delegierten Rechtsakte zu Solvabilität II und zur Liquiditätsdeckungsquote sehen für Banken und Versicherungen, die in Verbriefungen investieren, eine risikogerechte aufsichtliche Behandlung vor. Demnach werden hochtransparente, einfache und solide Verbriefungsinstrumente eine günstigere Behandlung erfahren, um Investitionen in die europäische Wirtschaft zu fördern.
Delegierter Rechtsakt zu Solvabilität II
Am 1.1.2016 tritt ein neuer harmonisierter und solider Aufsichtsrahmen für Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften in der EU (Solvabilität II) in Kraft. Solvabilität II soll u. a. verhindern, dass die Vorschriften unnötige Hindernisse für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen schaffen, die längerfristig in die europäische Wirtschaft investieren und ein nachhaltiges, integratives, ressourceneffizientes und arbeitsplatzfreundliches Wachstum in Europa schaffen.
Die heute bekanntgegebenen Vorschriften bestehen aus detaillierten Bestimmungen für die Anwendung der Solvabilität-II-Richtlinie und stellen das Kernstück des einheitlichen Regelwerks für die Beaufsichtigung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen dar. Sie decken neben den oben genannten Bereichen die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Solvabilitätsvorschriften von Drittländern ab und enthalten Rahmenbestimmungen zum internen Modell sowie Vorschriften für Versicherungsgruppen.
Die neuen Eigenkapitalvorschriften werden sich stärker am Risiko orientieren, differenzierter sein als in der Vergangenheit und den einzelnen Versicherungsunternehmen eine bessere Absicherung ihrer tatsächlichen Risiken ermöglichen. Sie werden den Versicherungsunternehmen in ihrer Eigenschaft als Investoren Anreize geben, mehr Gelder in sichere, einfache und transparente Verbriefungsmärkte in Europa zu lenken, und damit zu deren Entwicklung und Liquidität beitragen. Auch rücken die neuen Vorschriften das Risikomanagement stärker in den Mittelpunkt und führen strengere Regeln für die Offenlegung bestimmter Angaben ein.
Weitere Informationen zu diesen Bestimmungen finden Sie im MEMO/14/578.
Liquiditätsdeckungsanforderung
Bei dieser Anforderung handelt es sich um detaillierte Vorschriften für die Berechnung der bereits in der Eigenkapitalverordnung (Capital Requirements Regulation, CRR) enthaltenen allgemeinen Liquiditätsdeckungsanforderung. Diese Verordnung wurde im Juni 2013 als einheitliches Regelwerk mit Aufsichtsanforderungen für alle Banken in der EU erlassen.
Die Finanzkrise hat gezeigt, dass die Banken nicht über ausreichend flüssige Mittel (wie Bargeld oder andere Aktiva, die ohne oder mit nur geringem Wertverlust liquidiert werden können) verfügten, um Nettoliquiditätsabflüssen in Stressphasen standzuhalten. Bei Ausbruch der Krise kam es deshalb bei vielen Unternehmen zu Liquiditätsengpässen und dadurch bedingten Notverkäufen von Aktiva, die zum Ausfall mehrerer Finanzinstitute beigetragen haben.
Der delegierte Rechtsakt zur Liquiditätsdeckungsanforderung enthält detaillierte quantitative Liquiditätsvorschriften. Diese bestimmen, wie die in Krisenzeiten zu erwartenden Liquiditätsabflüsse zu berechnen sind und welche liquiden Aktiva Banken vorhalten müssen, um diesen standzuhalten. So werden die Banken künftig einen Puffer aus liquiden Aktiva bilden müssen, der einem bestimmten Prozentsatz der für eine 30-tägige Stressphase erwarteten Netto-Liquiditätsabflüsse entspricht.
Bei diesen Vorschriften wurde umfassenden Berichten der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, den Basler Standards und maßgeblichen Besonderheiten der EU-Banken- und Finanzlandschaft Rechnung getragen.
Weitere Erläuterungen zur Liquiditätsdeckungsanforderung finden Sie im MEMO/14/579.
Verschuldungsquote
Die Eigenkapitalverordnung schreibt den Banken ergänzend zu risikogerechten Eigenkapitalanforderungen vor, ihre Verschuldungsquote (d. h. das Verhältnis ihrer Aktiva zu ihrer Kapitalbasis) zu ermitteln und offenzulegen.
Dieser delegierte Rechtsakt liefert für die EU-Banken eine allgemeine Definition des Begriffs der Verschuldungsquote, auf deren Grundlage diese Quote von Anfang 2015 an offenzulegen ist. Eine verbindliche Verschuldungsquote wird darin aber nicht festgelegt. Über die Einführung einer solchen verbindlichen Quote wird erst 2016 entschieden.
Dieser delegierte Rechtsakt, mit dem die Methode zur Berechnung der Verschuldungsquote geändert wird, wird ein gemeinsames Verständnis der Komponenten der Verschuldungsquote erleichtern. Ziel ist es, die derzeit in der Eigenkapitalverordnung vorgesehene Verschuldungsquote mit der international vereinbarten Quote abzugleichen, um dadurch auf internationaler Ebene gleiche Wettbewerbsbedingungen und echte Vergleichbarkeit zu erreichen.
Nähere Informationen finden Sie im MEMO/14/580.
Erstklassige Verbriefungen
Verbriefungen können für die Wirtschaft ein wichtiges Finanzierungsinstrument darstellen. Mit Hilfe von Verbriefungsmärkten können Banken und Nichtbanken ihre Darlehen/Vermögenswerte durch Zusammenlegung und Umwandlung in liquide, handelbare und für institutionelle Anleger attraktive Wertpapiere refinanzieren.
Allerdings waren hochkomplexe, undurchsichtige und riskante Instrumente am „Subprime-Markt“ einer der Auslöser der Finanzkrise, so dass nun transparente, einfache und sichere Verbriefungsinstrumente ermittelt werden müssen. Dieser Frage wird derzeit sowohl in der EU als auch auf internationaler Ebene nachgegangen.
Die delegierten Rechtsakte zu Solvabilität II und zur Liquiditätsdeckungsquote sind die ersten rechtlichen Bestimmungen, bei denen in Sachen Verbriefung ein differenzierter Ansatz verfolgt wird. So werden Verbriefungspositionen von Banken und Versicherungen, die als Anleger auftreten, einer verhältnismäßigeren und risikogerechteren Behandlung unterzogen, wenn sie die in diesen Rechtsakten festgelegten Kriterien erfüllen.
(PM EU-Kommission vom 10.10.2014)