R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Nachrichten
05.08.2013
Nachrichten
LAG Berlin: Werkvertrag – Abgrenzung zu Dienstvertrag, Arbeitnehmerüberlassung und Scheinwerkvertrag

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.12.2012 – 15 Sa 1217/12

Leitsatz

1. Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem Bedarf des Auftraggebers, so spricht dies ganz erheblich gegen das Vorliegen eines Werk- oder Dienstvertrages und für eine Eingliederung der Arbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers.

2. Insofern fehlt es an einer abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werkes. Dies deutet auf Arbeitnehmerüberlassung hin, wenn der Auftraggeber durch seine Anweisungen den Gegenstand der von dem Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen überhaupt erst bestimmt und damit Arbeit und Einsatz bindend organisiert. Gleiches gilt für die Abgrenzung zu einem Dienstvertrag.

3. Gegen die Einordnung als Arbeitnehmerüberlassung spricht nicht entscheidend, dass in einem Leistungsverzeichnis zum Werkvertrag die Vergütung der Arbeiten der Fleisch- und Wurstproduktion nach kg oder Stück berechnet wird.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus einem vermeintlichen Leiharbeitsverhältnis für die Zeit von Januar 2008 bis August 2011.

Die Klägerin war auf Basis eines undatierten Arbeitsvertrages in der Zeit vom 22.04.2004 bis 31.08.2011 bei der Beklagten als Verpackerin gegen einen Stundenlohn von ursprünglich 7,-- € beschäftigt (Kopie Bl. 10 ff. d. A.). Mit Änderungsvertrag vom 01.09.2005 wurde der Stundenlohn auf 6,30 € abgesenkt.

Die Klägerin verrichtete durchgängig ihre Arbeit nicht in einem Betrieb der Beklagten, sondern in den Räumen der B. GmbH & Co. KG (künftig: B-GmbH) in P.. Die Beklagte hatte im Juli 2006 mit der Rechtsvorgängerin der B-GmbH einen Werkvertrag geschlossen (Kopie Bl. 28 ff. d. A.). Dieser lautete auszugsweise:

§ 1

Vertragsgegenstand

Der Auftragnehmer führt als Spezialunternehmer für den Auftraggeber ab dem 01.09.2006 fachgerechte Arbeiten der Fleisch- und Wurstproduktion mit den dazu notwendigen Verpackungs- und Nebentätigkeiten durch. Die zu erbringenden Leistungen richten sich nach Bedarf des Auftraggebers und sind in einem Leistungsverzeichnis (Anlage) aufgeführt.

§ 3

Durchführung

Der Auftragnehmer führt die vereinbarten Arbeiten in den Räumen des Auftraggebers durch. Dem Auftragnehmer sind die üblichen Öffnungs- und Arbeitszeiten des Auftraggebers bekannt. Er ist verpflichtet, bei der Durchführung des Gewerkes hierauf Rücksicht zu nehmen.

Dem Auftraggeber steht hinsichtlich der Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers kein Weisungsrecht zu. Der Auftragnehmer wird jedoch dafür Sorge tragen, dass sich seine Erfüllungsgehilfen an die Betriebsordnung des Auftraggebers halten.

§ 4

Vergütung

Die Vergütung des Auftragnehmers richtet sich nach der Anlage 1 und ist bezogen auf Kilogramm und Stück. Die jeweiligen Angaben verstehen sich zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer.

§ 5

Gewährleistung

Der Auftragnehmer haftet für sich und seine Erfüllungsgehilfen nach den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere aber für Bruch. In diesem Falle hat der Auftraggeber, ohne dass es einer besonderen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bedarf, auf Aufforderung dem Auftraggeber unverzüglich und kostenlos die Nachbesserung durch Nacherfüllung durchzuführen. Ist die Nachbesserung nicht möglich oder bleibt sie erfolglos, so mindert sich, unbeschadet von darüber hinausgehenden Schadensersatzansprüchen, die dem Auftragnehmer zustehende Vergütung entsprechend.

Die Beklagte und die B-GmbH hatten sich für die Jahre 2007, 2008 und 2010 ferner auf Leistungsverzeichnisse geeinigt, wonach die zu erbringenden Tätigkeiten in kg oder Stück abzurechnen waren (Kopien Bl. 152 – 177 d. A.).

Die B-GmbH zahlte nach Auskunft vom 19.12.2011 (Kopie Bl. 46 d. A.) an ihre Arbeitnehmer bis zum 30.09.2008 einen Stundenlohn von 9,05 € und für die Zeit danach in Höhe von 9,21 € brutto nebst Zuschlägen und Jahressonderzahlung.

Jeweils in der Vorwoche – nach Behauptung des Klägers täglich – teilten der Produktions- und/oder Betriebsleiter der B-GmbH dem Vorarbeiter der Beklagten, Herrn L., mit, welche Aufträge zu bearbeiten waren. Herr L. teilte dann die vor Ort befindlichen Arbeitnehmer der Beklagten ein. Wenn Arbeitnehmer der B-GmbH in Wurstproduktion oder Leiharbeitnehmer anderer Unternehmen ausfielen, dann ersetzten Arbeitnehmer der Beklagten diese. Bei der Produktion von Knackern arbeiteten die Arbeitnehmer der Beklagten teilweise mit den Arbeitnehmern der B-GmbH zusammen. Diese Leistungen wurden jeweils zwischen der B-GmbH und der Beklagten auf Stundenbasis abgerechnet. Bei der Klägerin betrug der Anteil dieser Stunden an den von ihr geleisteten Gesamtstunden mindestens 3,66 %. Die Klägerin erhielt Arbeitskleidung von der B-GmbH und machte mit den Arbeitnehmern der B-GmbH Pause. Schlechtleistungen stellte die B-GmbH der Beklagten in Rechnung, so z. B. unter dem 30.09./01.10.2010 (Bl. 178 f. d. A.).

Mit der am 20.12.2011 beim Arbeitsgericht Brandenburg eingegangenen und der Beklagten am 09.01.2012 zugestellten Klage begehrte die Klägerin ursprünglich Auskunft von der B-GmbH bzgl. der von dieser gezahlten Arbeitsentgelte und im Rahmen der Stufenklage die entsprechende Zahlung der Vergütungsdifferenz durch die Beklagte. Nachdem die B-GmbH die Auskunft erteilt hatte, erklärten die Parteien diesen Teil des Rechtsstreits übereinstimmend für erledigt.

Die Klägerin behauptet, täglich sei bei Treffen im Speisesaal durch den Vorarbeiter L. die Einteilung zur Arbeit vorgenommen worden, nachdem dieser zuvor Weisungen von der B-GmbH erhalten hätte. Sie habe immer wieder mit Beschäftigen der B-GmbH zusammengearbeitet. Herr L. habe die Arbeit nicht kontrolliert. Dies habe ausschließlich die B-GmbH gemacht. Sie habe im Durchschnitt einmal pro Woche direkt Arbeitsanweisungen durch den Betriebsleiter der B-GmbH erhalten. Daher liege insgesamt eine Arbeitnehmerüberlassung vor.

Mit Versäumnisurteil vom 08.03.2012 hat das Arbeitsgericht Brandenburg die Zahlungsklage in Höhe von 19.039,66 € brutto abgewiesen. Dieses Urteil ist der Klägerin am 14.03.2012 zugestellt worden. Hiergegen hat sie am 20.03.2012 Einspruch erhoben.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 08.03.2012 – 2 Ca 1334/11 – die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.039,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 08.03.2012 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat behauptet, bei Not am Mann der anderen Unternehmen habe man für ein bis zwei Stunden deren Mitarbeiter ersetzt. Soweit bei der Knacker-Produktion eine Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern der B-GmbH stattgefunden habe, habe es sich im Grunde um eine kurzzeitige Schulung durch die Arbeitnehmer der B-GmbH gehandelt. Diese hätten ganzjährig die Regelproduktion der Knacker erledigt und hätten insofern wissensmäßig einen Vorsprung gehabt. Durch Mitarbeiter der B-GmbH seien keine Weisungen an die Klägerin erteilt worden. Man sei selbst dafür verantwortlich gewesen, wie die Aufträge der B-GmbH abzuarbeiten waren. Der Anspruch der Klägerin sei verwirkt. Die Differenzierung zwischen Tag- und Nachtlohn sei nicht schlüssig dargelegt.

Mit Urteil vom 29.05.2012 hat das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel das Versäumnisurteil vom 08.03.2012 aufrechterhalten. Die Klägerin könne ihren Anspruch nicht auf § 10 Abs. 4 AÜG stützen, da sie nicht als Leiharbeitnehmerin tätig geworden sei. Die hauptsächliche wirtschaftliche Tätigkeit der Beklagten bestehe in der Zubereitung und Verpackung von Wurst- und Fleischwaren als Werkvertrag. Ausweislich eines Leistungsverzeichnisses werden diese Leistungen nach kg bzw. Stückeinheiten erbracht. Sie richteten sich somit nach einem Werkvertrag. Für die Einteilung der Mitarbeiter der Beklagten zu 2) an den Maschinen sei allein der Vorarbeiter L. zuständig gewesen. Soweit die Klägerin sich auf Weisungen durch Beschäftigte der B-GmbH stütze, sei dieser Vortrag zu unkonkret. Der Umstand, dass die Klägerin Mitarbeiter der B-GmbH im Falle von Krankheit und Urlaub vertreten habe, führe nicht dazu, ein Leiharbeitsverhältnis anzunehmen. Der entsprechende Stundenanteil sei zu gering.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 11.06.2012 zugestellt worden. Die Berufung ging am 26.06.2012 ein. Nach Verlängerung bis zum 11.09.2012 erfolgte die Berufungsbegründung am 04.09.2012.

Die Klägerin behauptet, bei der B-GmbH seien noch zwei Fremdfirmen tätig gewesen, die Arbeitnehmer verliehen hätten. Auch mit diesen habe sie zusammengearbeitet. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 29.05.2012 – 2 Ca 1334/11 – und unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 08.03.2012 – 2 Ca 1334/11 – die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.039,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Vortrag der Klägerin hinsichtlich der Weisungen durch die B-GmbH für unsubstanziiert.

Aus den Gründen

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht Brandenburg das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die Beklagte ist vielmehr verpflichtet, an die Klägerin 19.039,66 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es liegt im Verhältnis zur B-GmbH weder ein Werkvertrag (§ 631 BGB) noch ein freier Dienstvertrag (§ 611 BGB) vor. Vielmehr wurde die Klägerin an die B-GmbH im Wege der Leiharbeit überlassen. Daher ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin gem. § 9 Ziff. 2, 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten und demjenigen Entgelt zu leisten, das die B-GmbH an eigene Arbeitnehmer erbringt.

1. Zwischen der B-GmbH und der Beklagten lag kein Werk- oder Dienstvertrag vor, sondern die Klägerin war zur Arbeitsleistung überlassen worden.

1.1 Das Bundesarbeitsgericht hat zur Abgrenzung der jeweiligen Vertragstypen ausgeführt:

 „a) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen (vgl. BAG 6. August 2003 - 7 AZR 180/03 - zu II 1 a der Gründe, AP AÜG § 9 Nr. 6 = EzA AÜG § 1 Nr. 13; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 14 mwN, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 121).

aa) Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterfällt nicht jeder in diesem Sinne drittbezogene Arbeitseinsatz dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Arbeitnehmerüberlassung ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführungen des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst (vgl. zu alldem BAG 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 14 mwN, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 121).

bb) Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BAG 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 15, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 121; 10. Oktober 2007 - 7 AZR 487/06 - Rn. 35; 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 - Rn. 42, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 114). Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt (BAG 6. August 2003 - 7 AZR 180/03 - zu II 1 b der Gründe mwN, AP AÜG § 9 Nr. 6 = EzA AÜG § 1 Nr. 13).“

(BAG 18.1.2012 – 7 AZR 723/10 – NZA-RR 2012, 455,458)

Die Abgrenzungskriterien zwischen Werk-/Dienstvertrag einerseits und Arbeitnehmerüberlassung andererseits werden insofern einheitlich angewendet (Ulber - J.Ulber AÜG Einleitung C Rn. 92; Hamann JurisPR-ArbR 33/2012 Anm. 2). Entscheidend hinsichtlich der Abgrenzung ist zum einen die Frage der Weisungsgebundenheit und zum anderen der Gesichtspunkt der Eingliederung in die Betriebsorganisation des Entleihers/Auftraggebers (LAG Hamm 02.02.2012 – 8 Sa 1502/11 – juris Rn. 30).

Haftungsregelungen sind als weitere Umstände ebenfalls zu berücksichtigen (BAG 18.01.2012 a. a. O. Rn. 37). Fehlt es an einem abgrenzbaren, dem Werkunternehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, so deutet dies auf Arbeitnehmerüberlassung hin. In diesem Fall muss der Besteller durch seine Anweisungen den Gegenstand der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen überhaupt erst bestimmen und damit Arbeit und Einsatz für ihn bindend organisieren (BAG 09.11.1994 – 7 AZR 217/94 – NZA 1995, 572, juris Rn. 27). Arbeitnehmerüberlassung liegt insbesondere dann vor, wenn dem Auftragnehmer eine relevante unternehmerische Struktur fehlt und der vertraglich festgelegte Leistungsgegenstand derart unbestimmt ist, dass er erst durch die Weisungen des Auftraggebers konkretisiert wird (BAG a. a. O. Rn. 32). Erschöpft sich eine unternehmerische Tätigkeit in der Auszahlung der Vergütung der eingesetzten Arbeitnehmer und der Koordination ihres Einsatzes, kann angesichts von bindenden Tätigkeitsvorgaben kaum davon gesprochen werden, dass ein Dienstleistungsunternehmen Dienstleistungen erbringt. Die Grenze zur Arbeitnehmerüberlassung wird dann überschritten (BAG 01.12.1992 – 1 ABR 30/92 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 110, juris Rn. 54). Soweit die bloße Tätigkeit im Vordergrund steht, die letztlich nur durch eine Anzahl von Arbeitskräften erfüllt werden kann, über die der Auftraggeber selbst nicht verfügt, spricht dies für eine Arbeitnehmerüberlassung (BGH 12.02.2003 – 5 StR 165/02 – NJW 2003, 1821, juris Rn. 10).

1.2 Bei Anwendung dieser Kriterien ist vorliegend festzustellen, dass im Hinblick auf die Klägerin Arbeitnehmerüberlassung vorlag. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der verschiedenen Einzelumstände.

Für eine werkvertragliche Regelung spricht, dass der Vertrag vom 26./27.07.2006 als solcher bezeichnet wurde und Regelung zur Haftung enthielt, die – so die Schreiben vom 30.09.2010 und 01.10.2010 – auch umgesetzt wurden (zu letzterem: vgl. Ulber-J. Ulber AÜG Einleitung C Rn. 56). Hierfür spricht auch, dass jedenfalls nach Darstellung der Beklagten ihre Arbeitnehmer ab Zuteilung der jeweiligen Aufträge durch den Vorarbeiter weitestgehend allein diese Aufträge ohne Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern anderer Unternehmen abarbeiteten.

Die Vergütung nach Stückzahl oder kg stellt demgegenüber kein wesentliches Indiz dar, da selbst im Arbeitsverhältnis ähnliche Entlohnungen im Akkord möglich wären.

Entscheidend ist aber, inwieweit eine Integration in den Betrieb der B-GmbH stattfand und ob dieses Unternehmen Weisungen in einem Umfang an die Arbeitnehmer der Beklagten erteilten durften, so dass von einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung auszugehen ist.

Richten sich – wie hier – die vom Auftraggeber zu erbringenden Leistungen nach dem Bedarf des Auftraggebers (vgl. § 1 des Vertrages), so spricht dies ganz erheblich gegen das Vorliegen eines Werk-/oder Dienstvertrages und für eine Eingliederung der Arbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers. Die B-GmbH hat ihren Betrieb zur Fleisch- und Wurstherstellung so organisiert, dass sie die hierfür erforderlichen Tätigkeiten mit eigenen Arbeitnehmern, mit Leiharbeitnehmern von zwei Unternehmen und mit den Arbeitnehmern der Beklagten erbringt. Die B-GmbH gibt durch ihre Anweisungen vor, wer welche Tätigkeiten auszuüben hat. Rechtlich hat die Beklagte sich nach § 1 des Werkvertrages auch verpflichtet, den Bedarf der B-GmbH zu erfüllen. Dies wurde tatsächlich auch so umgesetzt, denn jedenfalls in der Vorwoche teilten die Vorgesetzten der B-GmbH dem Vorarbeiter L. mit, welche Aufträge an die Beklagte vergeben werden, wobei nach Darstellung der Beklagten im Berufungstermin auf die entsprechenden Kapazitäten Rücksicht genommen wurde. Insofern fehlt es bzgl. der Beklagten an einem abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werkes. Es deutet nach der Rechtsprechung des BAG auf Arbeitnehmerüberlassung hin, wenn der Auftraggeber durch seine Anweisungen den Gegenstand der von den Arbeitnehmern zu erbringenden Leistungen überhaupt erst bestimmt und damit Arbeit und Einsatz bindend organisiert. Gleiches gilt für die Abgrenzung zu einem Dienstvertrag. Auf Grundlage des Werkvertrages in Verbindung mit den Leistungsverzeichnissen ist für die Beklagte völlig unklar, welche unternehmerische Tätigkeit sie eigenverantwortlich erfüllen soll. Der Vertragsgegenstand ist auf dieser Basis noch gar nicht konkretisiert.

Selbst wenn man – im Gegensatz zur Auffassung des BAG – die mangelnde Konkretisierung der zu erbringenden Leistungen als unerheblich halten wollte, so fehlt es vorliegend auch an einer organisatorischen Selbständigkeit bzgl. der Tätigkeit der Beklagten in den Räumen der B-GmbH. Der Beklagten ist auf Basis des Werkvertrages kein Tätigkeitsbereich zugewiesen worden, den nur sie zu erfüllen hat. Ihre Aufgaben sind prinzipiell identisch mit den Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer der B-GmbH und die Arbeitnehmer der Leihunternehmen im Bereich der Fleisch- und Wurstherstellung zu erbringen haben. Von Fall zu Fall und entsprechend der Auftragslage durch die Einzelhandelsunternehmen und unter Berücksichtigung der Kapazitäten der Beklagten organisiert die B-GmbH einseitig, welche Leistungen die Beklagte zu erbringen hat. Die Beklagte hat gar keine Möglichkeit, eigenständig eine unternehmerische Tätigkeit zu entfalten. Sie ist auf die Zuweisung von Aufträgen angewiesen.

Mit dieser Abhängigkeit von der Organisationsmacht und den einseitigen Weisungen der B-GmbH geht auch die mangelnde unternehmerische Struktur der Beklagten in den Räumen der B-GmbH einher. Soweit überhaupt von einer eigenständigen hierarchischen Struktur gesprochen werden kann, erschöpft diese sich in der Stellung des Vorarbeiters L.. Auch dieser ist in die Organisation der B-GmbH eingebunden und unterliegt deren Weisungen. Er kann nicht auf Basis des Werkvertrages selbst tätig werden, sondern erst, nachdem die B-GmbH ihm von Woche zu Woche den eigenen Bedarf mitgeteilt hatte.

Die Leistung der Beklagten in P. erschöpft sich zusammenfassend darin, dass sie eine gewisse Anzahl von Produktionsmitarbeitern einschließlich eines Vorarbeiters der B-GmbH zur Abarbeitung des für diese auftretenden Bedarfs zur Verfügung stellt. Damit steht – auch entsprechend der Rechtsprechung des BGH – die bloße Tätigkeit, die letztendlich nur durch eine bestimmte Anzahl von Arbeitskräften erfüllt werden kann, über die der Auftraggeber selbst nicht verfügt, im Vordergrund. All dies reicht aus, um vorliegend eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung anzunehmen.

Selbst wenn man dem nicht folgt, so sprechen weitere gewichtige Indizien für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin und auch die anderen Arbeitnehmer der Beklagten wurden bei Ausfall von Mitarbeitern der B-GmbH oder von Beschäftigten der Verleihfirmen unstreitig bei Krankheit oder Urlaub eingesetzt, wobei diese Tätigkeiten auf Stundenbasis abgerechnet wurden. Die B-GmbH konnte insofern auf diese Arbeitnehmer selbst außerhalb der Regelungen des Werkvertrages und der Leistungsverzeichnisse zurückgreifen. Zwar mag der Anteil dieser Stunden an den Gesamtstunden der von der Klägerin geleisteten Arbeit mit 3,66 % gering sein, doch handelt es sich insofern nicht um untypische Einzelfälle. Diese Erscheinungsformen entsprachen einer durchgehend geübten Vertragspraxis und sind damit berücksichtigungsfähig (BAG 18.01.2012 – 7 AZR 723/10 – NZA-RR 2012, 455, 458). Insofern hält die B-GmbH sich mit Einverständnis der Beklagten nicht an die wenigen Beschränkungen, die der Werkvertrag vorsieht. Auch soweit die Arbeitnehmer der Beklagten bei der Knacker-Produktion mit den Arbeitnehmern der B-GmbH zusammengearbeitet haben, spricht dies gegen eine werkvertragliche Leistung. Das Anlernen des Werkunternehmers durch den Werkbesteller ist vielmehr völlig ungewöhnlich.

Es kann offen bleiben, ob entsprechend der Darstellung der Klägerin weitere direkte Weisungen durch Vorgesetzte der B-GmbH an sie selbst oder andere Arbeitnehmer der Beklagten erfolgten.

2. Da die Klägerin im Wege der Leiharbeit an die B-GmbH überlassen worden war, hat die Beklagte gem. § 9 Ziff. 2, 10 Abs. 4 AÜG der Klägerin für die Zeit der Überlassung die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Hiervon kann auch nicht abgewichen werden, da bei der Beklagten Tarifverträge weder auf kollektivrechtlicher noch arbeitsvertraglicher Grundlage zur Anwendung kommen.

Nachdem die B-GmbH gegenüber der Klägerin Auskunft hinsichtlich des vergleichbaren Entgelts erteilt hatte, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.02.2012 die entsprechende Vergütungsdifferenz Monat für Monat berechnet (Bl. 72 – 84 d. A.). Hierbei hat sie die Daten zugrunde gelegt, die die Beklagte selbst in den Abrechnungen ab Januar 2008 (Kopie Bl. 85 ff. d. A.) aufgelistet hatte. Die in diesen Vergütungsnachweisen angegebenen regulären Stunden, Nacht- und Feiertagsstunden hat die Klägerin übernommen. Die Vergütungsdifferenz hat sie jeweils zutreffend berechnet. Insofern kann der pauschale Einwand der Beklagten nicht nachvollzogen werden, die Klägerin habe die Abgrenzung von Tag- und Nachtstunden nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Klägerin hat ausschließlich auf die Daten zurückgegriffen, die die Beklagte in den Vergütungsnachweisen selbst vorgegeben hatte.

Entsprechend den Berechnungen der Klägerin stehen dieser insgesamt 19.039,66 € brutto als Vergütungsdifferenz zu.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus den Grundsätzen des Verzuges.

3. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die Geltendmachung der klägerischen Forderung verwirkt sei, kann dem nicht gefolgt werden.

Es bestehen schon Bedenken, ob das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment überhaupt erfüllt ist. Die Klägerin hat mit ihrer Klage nur den Zeitraum abgewartet, der ihr im Rahmen der Verjährungsbestimmungen zusteht. Unabhängig davon hat die Beklagte aber keinerlei Umstandsmoment vorgetragen, warum es für sie unzumutbar sein soll, sich auf die berechtigte Forderung der Klägerin einzulassen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits der I. Instanz hat die Klägerin zu 10 % gem. § 92 ZPO zu tragen. Insofern hat das Arbeitsgericht Brandenburg im Hinblick auf die ursprünglich begehrte Auskunftserteilung auch gegenüber der B-GmbH die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Gegen diesen Teil der Kostenentscheidung ist die Klägerin nicht vorgegangen. Entsprechend der Streitwertberechnung der I. Instanz ist dieser Teil des Rechtsstreits mit 10 % zu bewerten. Da die hiesige Beklagte im Übrigen im Rechtsstreit vollständig unterlegen ist, hat sie die übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die Berufungskosten zu tragen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 ArbGG). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die sich an der Rechtsprechung des BAG orientiert. Insofern ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.

stats