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08.04.2013
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KG Berlin: Persönliche Haftung eines GmbH-Geschäftsführers für eine Wettbewerbsverletzung

KG Berlin, Urteil vom 13.11.2012 – 5 U 30/12, Rev. eingelegt (Az. BGH I ZR 242/12)


Amtlicher Leitsatz

Zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für einen Wettbewerbsverstoß (§ 8 UWG)

§ 8 UWG

 

Sachverhalt

A. Die Klägerin bietet unter anderem Verbrauchern in Berlin Erdgas an.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, ist im Direktvertrieb tätig.

Die Beklagte zu 1) vertrieb im Auftrag der e... GmbH im Wege der Haustürwerbung Gaslieferverträge in Berlin. Die e... GmbH ist eine Tochtergesellschaft der R... ... AG und bezeichnet sich als zentrale Discountvertriebsgesellschaft des Konzerns für Strom und Erdgas.

Die Klägerin wandte sich am 13.7.2009 an die R... ... AG und beanstandete einen Vorfall bei der Kundenwerbung für die e... GmbH („Fall P... “). Die R... ... GmbH antwortete mit E-Mail vom 24.7.2009 (Anlage K 3 zur Klageschrift).

Die Klägerin hat behauptet, die von der Beklagten zu 1) bei der Haustürwerbung eingesetzten Personen hätten gegenüber zwei Verbrauchern angegeben, sie seien im Auftrag der Klägerin unterwegs. Die von der Beklagten zu 1) bei der Haustürwerbung eingesetzten Personen hätten drei Verbrauchern vorgespiegelt, es bestünde eine rechtliche oder geschäftliche Verbindung zwischen der e... GmbH und der Klägerin. Zwei Verbrauchern hätten die von der Beklagten zu 1) bei der Haustürwerbung eingesetzten Personen vorgespiegelt, die Klägerin und V... würden zusammengelegt.

Gegenüber vier Verbrauchern hätten die von der Beklagten zu 1) bei der Haustürwerbung eingesetzten Personen nicht nur angegeben, im Auftrag der Klägerin unterwegs zu sein, sondern auch erklärt, der Wechsel zur e... GmbH führe zu einer Gutschrift oder Preisreduzierungen.

Gegenüber zwei Verbrauchern hätten die von der Beklagten zu 1) bei der Haustürwerbung eingesetzten Personen verschleiert, dass die ihnen vorgelegten Unterlagen zu einem Wechsel des Gaslieferanten führten.

Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Gaslieferverträgen gegenüber Verbrauchern zu behaupten,

1. ihre Mitarbeiter kämen im Auftrag der Klägerin und/oder es bestehe sonst eine rechtliche oder geschäftliche Verbindung zwischen der e... GmbH und der Klägerin und/oder die Klägerin und die V... AG würden zusammengelegt,

2. im Zusammenhang mit der Behauptung nach Nr. 1 zu behaupten, für den Wechsel von G... - Kunden zur e... GmbH gebe es Gutschriften oder Preisreduzierungen,

3. im Zusammenhang mit dem Wechsel von Kunden der Klägerin zur e... GmbH den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um einen Lieferantenwechsel,

II. die Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, in welchen Fällen sie (bzw. ihre Mitarbeiter oder Beauftragten) im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Gaslieferverträgen gegenüber Verbrauchern im Zuständigkeitsbereich des LG Berlin Behauptungen nach I. Nr. 1 – 3 aufgestellt haben, unter Angabe des vollständigen Namens und der Adresse des jeweiligen Behauptenden und des betreffenden Verbrauchers,

III. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr sämtliche infolge von Behauptungen nach I. bereits entstandenen oder künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen,

IV. auszusprechen, dass sie zur Bekanntmachung des Urteils gemäß § 12 Abs. 3 UWG auf Kosten der Beklagten befugt ist.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem am 10.2.2012 verkündeten Urteil hat das LG Berlin den Klageanträgen zu I. bis III. stattgegeben und den Klageantrag zu IV. abgewiesen. Es wird insoweit auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen, und zwar auch hinsichtlich des weitergehenden erstinstanzlichen Vortrages der Parteien.

Der Beklagte zu 2) wendet sich mit der Berufung gegen dieses Urteil. Er sieht sich als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) nicht in der Haftung für deren Wettbewerbsverstöße.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

das am 10.2.2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des LG Berlin – 15 O 547/09 – zu ändern und die Klage, soweit sie gegen ihn gerichtet ist, abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zu 2) zurückzuweisen. …

Die statthafte und zulässige Berufung des Beklagten zu 2) hat Erfolg.

Aus den Gründen

B. … 1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2) auch nach § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 UWG kein Anspruch auf Unterlassung zu, im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Gaslieferverträgen gegenüber Verbrauchern zu behaupten,

- ihre Mitarbeiter kämen im Auftrag der Klägerin und/oder es bestehe sonst eine rechtliche oder geschäftliche Verbindung zwischen der e... GmbH und der Klägerin und/oder die Klägerin und die V... AG würden zusammengelegt

- im Zusammenhang mit einer Behauptung nach Nr. 1 zu behaupten, für den Wechsel von G... -Kunden zur e... GmbH gebe es Gutschriften oder Preisreduzierungen

- im Zusammenhang mit dem Wechsel von Kunden der Klägerin zur e... GmbH den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um einen Lieferantenwechsel.

Auch wenn man den Vortrag der Klägerin zu den Äußerungen der von der Beklagten zu 1) bei der Haustürwerbung eingesetzten Personen in den Monaten Juli und August 2009 gegenüber diversen Verbrauchern in Berlin als wahr unterstellt, haftet der Beklagte zu 2) nicht wegen etwaiger in diesen Äußerungen liegender Wettbewerbsverstöße auf Unterlassung.

Es liegt weder Wiederholungsgefahr, noch Erstbegehungsgefahr, die die Klägerin hilfsweise geltend macht, vor.

a) Wiederholungsgefahr scheidet aus. Aus dem Vorbringen der Klägerin zu den Vorkommnissen in den Monaten Juli und August 2009 ergibt sich kein Wettbewerbsverstoß des Beklagten zu 2).

aa) Der Geschäftsführer einer GmbH haftet nach ständiger Rechtsprechung persönlich für einen Wettbewerbsverstoß, wenn er die Rechtsverletzung selbst begangen hat oder wenn er jedenfalls von ihr Kenntnis hatte und die Möglichkeit, sie zu verhindern (vgl. BGH GRUR 1986, 248 – Sporthosen; BGH GRUR 2010, 616 – marions-kochbuch.de, Rn 34; BGH GRUR 2012, 184 – Branchenbuch Berg, Rn 32; OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 182; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 8, Rn 2.19. 2.20; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, Kap. 14, Rn 23).

Im vorliegenden Fall bestreitet der Beklagte zu 2) jedoch die Behauptung der Klägerin, unmittelbar nach dem ersten von der Klägerin dargestellten Vorfall Kenntnis von den Vorwürfen der Klägerin erlangt zu haben. Tatsächlich hat die Klägerin sich auch weder an die Beklagte zu 1) noch an deren Auftraggeberin, die e... GmbH, gewandt, sondern nur an die Muttergesellschaft der e... GmbH, die R... ... AG. Aus dem Antwortschreiben der R... ... AG vom 24.7.2009 (Anlage K 3 zur Klageschrift) lässt sich auch nur entnehmen, dass diese die e... GmbH von den Vorwürfen der Klägerin informiert hat. Es ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen, wann und auf welche Weise die Beklagten vor dem 3.9.2009 von den Vorwürfen der Klägerin Kenntnis erlangt haben sollen. Der Vortrag der Klägerin hierzu, insbesondere auch im Schriftsatz der Klägerin vom 9.11.2012, ist rein spekulativ.

►    Eine Heranziehung der Grundsätze der Störerhaftung für das Wettbewerbsrecht scheidet vorliegend aus

bb) Die Grundsätze der Störerhaftung, mit denen die persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH ursprünglich begründet worden ist (vgl. BGH GRUR 1986, 248 – Sporthosen), lassen sich hier jedenfalls nicht mehr heranziehen, da sie für das Wettbewerbsrecht aufgegeben worden sind (vgl. BGH GRUR 2011, 152 – Kinderhochstühle im Internet, Rn 48; Seichter in: jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 8, Rn 140).

Der Standpunkt der Klägerin, der BGH habe lediglich die Terminologie geändert und bezeichne die Störerhaftung, ohne dass sich an den Voraussetzungen und Rechtsfolgen etwas geändert hätte, heute als täterschaftliche Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten oder als Verletzung zumutbarer Prüfpflichten, trifft jedenfalls nicht mit der Konsequenz einer täterschaftlichen Haftung des Beklagten zu 2) zu.

cc) Das Landgericht hat letztlich in der von der Beklagten zu 1) aufgebauten Vertriebsstruktur das Moment gesehen, das die Haftung des Beklagten zu 2) begründet.

Diese Struktur ist offenbar dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte zu 1) den Vertrieb der Produkte ihrer Auftraggeber nicht durch eigene Angestellte organisiert, sondern selbständige, regionale Handelsvertreter einschaltet, die eigene oder freie Mitarbeiter in der Kundenwerbung einsetzen, deren Einkommen maßgeblich von der Zahl der geworbenen Neukunden abhängig ist.

Wenn das Landgericht in den Entscheidungsgründen ausführt, der Beklagte zu 2) hafte vor diesem Hintergrund, weil ihm die (naheliegende) Möglichkeit bewusst gewesen sei, dass Werber im Kundenkontakt falsche oder irreführende Angaben machen und er dies nicht verhindert habe, will es offenbar auf ein pflichtwidriges Unterlassen abstellen.

Dies überzeugt nicht.

►    Vorliegen einer Garantenstellung als Voraussetzung für die Annahme eines pflichtwidrigen Unterlassens

Ein Unterlassen steht dann einem Handeln gleich, wenn der Betroffene zum Handeln verpflichtet war und die Vornahme der gebotenen Handlung den eingetretenen Schaden verhindert hätte. Eine solche Garantenstellung kann sich aus Gesetz, Vertrag, Vertrauen oder vorangegangenem gefährlichen Tun (Ingerenz) ergeben (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 8, Rn 2.8).

(1) Allein mit der Stellung des Beklagten zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) lässt sich die Haftung des Beklagten zu 2) nach der Rechtsprechung des BGH nicht begründen (vgl. BGH 1994, 1801, 1803; BGH MDR 2012, 1029, Rn 21).

Der unter Berufung auf ein Urteil des OLG Hamburg vom 1.7.2009 – 5 U 183/07, vertretene Standpunkt des Landgerichts, es entspreche allgemeiner Auffassung, dass der Geschäftsführer einer GmbH kraft seiner Organstellung und der daraus resultierenden Verantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsführung für Wettbewerbsverstöße oder Schutzrechtsverletzungen neben der Gesellschaft persönlich mithafte, hat keine Grundlage.

(2) Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist zwar aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen, und haftet im Fall eines Verstoßes als Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung (vgl. BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei eBay).

Da die Beklagte zu 1) als Unternehmensträgerin die oben beschriebenen Strukturen geschaffen hat, trifft eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, durch geeignete Maßnahmen falsche oder irreführende Darstellungen der eingesetzten Werber zu unterbinden, zumindest in erster Linie die Beklagte zu 1) (vgl. Haas/Ziemons in: Michalski, GmbHG, § 43, Rn 336; Werner GRUR 2009, 820, 824). …

►    Der Geschäftsführer einer GmbH ist der Gesellschaft gegenüber aufgrund seiner Organstellung zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung verpflichtet, …

(3) Nach § 43 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer einer GmbH in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die dem Geschäftsführer einer GmbH aufgrund seiner Organstellung obliegt, umfasst auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (BGH MDR 2012, 1029, Rn 22; Schneider in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 43, Rn 307; Paefgen in: Ulmer, GmbHG, § 43, Rn 166, 167; Werner GRUR 2009, 820, 823).

►    … nicht jedoch auch im Verhältnis gegenüber außenstehenden Dritten

Diese Pflicht besteht aber grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten. Denn die Bestimmung in § 43 Abs. 1 GmbHG regelt allein die Pflichten des Geschäftsführers aus seinem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Sie dient nicht dem Zweck, Dritte vor den mittelbaren Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsleitung zu schützen. Wie sich aus § 43 Abs. 2 GmbHG ergibt, lässt eine Verletzung der Pflichten zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung Schadensersatzansprüche nur der Gesellschaft, nicht hingegen der Gläubiger entstehen (vgl. BGH 1994, 1801; BGH MDR 2012, 1029, Rn 23; Keller GmbHR 2005, 1235, 1241; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 43, Rn 77; Haas/Ziemons in: Michalski, GmbHG, § 43, Rn 340; Fleischer in: Münchener Kommentar, GmbHG, § 43, Rn 339; Schneider in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 43, Rn 307; Paefgen in: Ulmer, GmbHG, § 43, Rn 166, 167; Werner GRUR 2009, 820, 823).

Eine Außenhaftung des Geschäftsführers einer GmbH kommt nur in begrenztem Umfang aufgrund besonderer Anspruchsgrundlagen in Betracht (vgl. BGH 1994, 1801, 1803; BGH MDR 2012, 1029, Rn 24; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 43, Rn 78; Fleischer in: Münchener Kommentar, GmbHG, Rn. 340, 350; Haas/Ziemons in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 284 f.; Paefgen in: Ulmer, GmbHG, § 43, Rn. 188).

►    BGH-Rechtsprechung zur Organhaftung

(4) Der BGH bejaht in seiner sogenannten Baustoffentscheidung für das Deliktsrecht die Einstandspflicht des Organs, wenn mit den Pflichten aus der Organstellung gegenüber der Gesellschaft Pflichten einhergehen, die von dem Geschäftsführer nicht mehr nur für die Gesellschaft als deren Organ zu erfüllen sind, sondern die ihn aus besonderen Gründen persönlich gegenüber dem Dritten treffen. Dies kann im außervertraglichen, deliktischen Bereich insbesondere wegen einer dem Geschäftsführer als Aufgabe zugewiesenen oder von ihm jedenfalls in Anspruch genommenen Garantenstellung zum Schutz fremder Schutzgüter im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB der Fall sein, die ihre Träger der Einflusssphäre der Gesellschaft anvertraut haben. Hier kann über die Organstellung hinaus eine mit der Zuständigkeit für die Organisation und Leitung und der daraus erwachsenden persönlichen Einflussnahme auf die Gefahrenabwehr bzw. -steuerung verbundene persönliche Verantwortung des Organs den betroffenen Außenstehenden gegenüber zum Tragen kommen, wenn zur Abwehr der sich in dieser Weise aktualisierenden Gefahrenlage der Geschäftsführer gerade in seinem Aufgabenbereich gefordert ist. Als Grundlage für eine deliktische Eigenhaftung muss die Verantwortung des Geschäftsführers aus der mit seinen Geschäftsführeraufgaben verbundenen Garantenstellung zum Schutz Außenstehender vor Gefährdung oder Verletzung ihrer Schutzgüter im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB betroffen sein (BGH NJW 1990, 976).

In einer neueren Entscheidung hat der BGH das Organ einer Gesellschaft aufgrund seiner Stellung als organschaftlich verpflichtet angesehen, vertragliche Interessenwahrungs-, Loyalitäts- und Schutzpflichten der Gesellschaft gegenüber einem Vertragspartner der Gesellschaft zu wahren, und das Organ im Fall einer Missachtung dieser Pflichten deliktsrechtlich persönlich haften lassen, weil die Pflichtverletzung zu einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Vertragspartners der Gesellschaft geführt hat (vgl. BGH NJW 2006, 830, Rn 122 ff).

Ansatzpunkte, die vor diesem Hintergrund eine persönliche wettbewerbsrechtliche Haftung des Beklagten zu 2) gegenüber der Klägerin oder anderen Gasanbietern begründen könnten, weil bei der Haustürwerbung eingesetzte Personen irreführende Angaben gegenüber Verbrauchern gemacht haben, liegen hier nicht vor. Der Beklagte zu 2) hat durch nichts zu erkennen gegeben, gegenüber den Mitbewerbern seiner Auftraggeber, insbesondere der Klägerin, persönlich die Verantwortung für den Schutz eines lauteren Wettbewerbs übernehmen zu wollen (vgl. auch BGH MDR 2012, 1029, Rn 26; Keller GmbHR 2005, 1235, 1242). Vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) bestehen nicht.

►    Auffassung in der Literatur zur Haftung für Organisationsmängel

(5) Nach wohl überwiegender Auffassung in der Literatur trifft die Haftung für Organisationsmängel zumindest primär die Gesellschaft als Unternehmensinhaberin (vgl. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 43, Rn 77; Keller GmbHR 2005, 1235, 1240; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 8, Rn 2.20; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 43, Rn 75; Haas/Ziemons in: Michalski, GmbHG, § 43, Rn 336; Fritzsche in: Münchener Kommentar, Lauterkeitsrecht, § 8, Rn 250; Paefgen in: Ulmer; GmbHG, § 43, Rn 207, 255; Werner GRUR 2009, 820, 824).

►    Umstrittene Annahme einer Eigenhaftung des Geschäftsführers bei Abwägung der Besonderheiten des Einzelfalls

Unter welchen Voraussetzungen auch eine Eigenhaftung des Geschäftsführers in Betracht kommt, ist streitig.

(a) Eine Reihe von Vertretern sehen den Geschäftsführer als Adressat einer Verpflichtung zur Abwendung von Rechtsverletzungen, wenn eine Abwägung der Besonderheiten des Einzelfalls dies rechtfertigt.

Als relevante Kriterien für eine Verpflichtung zur Abwendung eines wettbewerbswidrigen Erfolgs werden in Anlehnung an die für einen Fahrlässigkeitsvorwurf maßgeblichen Sorgfaltspflichten die Unternehmensgröße und die Branche des Geschäftsbetriebs, die faktische Stellung und die Funktion des Geschäftsführers innerhalb des Betriebs, die situationsbedingte Wahrscheinlichkeit von Wettbewerbsverstößen, die tatsächliche Organisation des Geschäftsablaufs, Qualifikation und Erfahrung des Geschäftsführers, das Ausmaß der Pflichtwidrigkeit, die Schwere des Organisationsmangels sowie Art und Umfang des drohenden Schadens genannt (Ottofülling GmbHR 1991, 304, 309, allerdings auf der Grundlage der Störerhaftung).

Enger sind demgegenüber die Auffassungen, nur eine schwerwiegende Rechtsgutsgefährdung könne im Einzelfall unter Berücksichtigung des jeweiligen gesetzlichen Schutzzwecks und nach einer Güterabwägung eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße begründen (Maier WRP 1986, 71, 75, ebenfalls auf der Grundlage der Störerhaftung) bzw. nur eine Vernachlässigung von Pflichten, die eine solche Bedeutung haben, dass ihre Verletzung die Sanktionierung durch die Möglichkeit der persönlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers durch betroffene Dritte rechtfertigt, führe zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße (Werner GRUR 2009, 820).

Im Hinblick auf Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB wird weiter die Auffassung vertreten, dass sich in Sondersituationen aus der Funktion des Geschäftsführers als Leiter eines Geschäftsbetriebs eine Garantenpflicht ergeben könne, wenn es etwa darum gehe, besonders hochrangige Rechtsgüter anderer vor Schaden zu bewahren, die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung Dritter oder der potentielle wirtschaftliche Schaden besonders hoch sei oder gefahrträchtige Vorgänge besonders komplex seien (Haas/Ziemons in: Michalski, GmbHG, § 43, Rn 343a, 343b).

Je detaillierter nach diesen Standpunkten die Einzelfallbetrachtung sein soll, desto größer erscheinen jedoch die Gefahren von Rechtsunsicherheit und eines unkalkulierbaren Haftungsrisikos durch ergebnisbestimmte Billigkeitsentscheidungen (vgl. Götting GRUR 1994, 6; Keller GmbHR 2005, 1235, 1241). Jedenfalls im Zusammenhang mit der früher auch für Wettbewerbsverstöße bejahten Störerhaftung hat der BGH die Unkalkulierbarkeit des Haftungsrisikos auch als Argument angeführt, um diese auf Fälle zu begrenzen, in denen der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft die Rechtsverletzung kannte und die Möglichkeit hatte, diese zu verhindern (BGH GRUR 1986, 248 – Sporthosen).

Berücksichtigt man hier aber die Umstände des Einzelfalls, lässt sich eine Haftung des Beklagten zu 2) ohnehin nicht begründen.

Der Beklagte zu 2) durfte aufgrund ständiger Rechtsprechung (vgl. Reich GRUR 2011, 589) darauf vertrauen, dass Haustürwerbung wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig ist.

Es liegt auf der Hand, dass diese Art der Werbung nur effektiv ist, wenn eine Vielzahl von Personen als Werber eingesetzt wird und demzufolge eine arbeitsteilige Unternehmensstruktur erforderlich ist. …

►    Der Unterlassungsanspruch der Klägerin scheitert an einer Erfolgsabwendungspflicht des Beklagten zu 2)

(h) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch der Klägerin scheitert demzufolge an einer Erfolgsabwendungspflicht des Beklagten zu 2).

Die von der Klägerin nach der Erörterung dieser Problematik in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken, die Notwendigkeit der Beachtung der Regeln des lauteren Wettbewerbs könne den Organen juristischer Personen nicht mehr vermittelt werden, wenn der Senat – wie geschehen - an seiner vorläufigen Rechtsauffassung festhalte, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Es wird ausdrücklich klargestellt, dass diese Entscheidung nicht von der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung abweicht, nach der der Geschäftsführer einer GmbH als Täter (vgl. BGH GRUR 2010, 616 – marions-kochbuch.de, Rn 34) persönlich für einen Wettbewerbsverstoß haftet, wenn er die Rechtsverletzung selbst begangen hat oder wenn er jedenfalls von ihr Kenntnis hatte und die Möglichkeit, sie zu verhindern.

Im Übrigen ist es Aufgabe des Gesetzgebers, Grundlagen für eine deliktische oder wettbewerbsrechtliche Haftung der Organe juristischer Personen in Fällen von Organisationsmängeln zu schaffen, wenn dies aus generalpräventiven Gründen erforderlich sein soll.

Zumindest in den Fällen, in denen der Geschäftsführer nicht alleiniger oder Mehrheitsgesellschafter ist, dürfte aber schon die gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern bestehende Pflicht, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, den Geschäftsführer im Regelfall zur Beachtung des Wettbewerbsrechts anhalten. Zudem muss der Geschäftsführer sich in jedem Fall der Möglichkeit gewahr sein, dass ein Geschädigter, der einen Titel auf Schadensersatz gegen die Gesellschaft erstritten hat, den Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen ihn pfändet. …

2. Auskunfts- und Schadensersatzansprüche der Klägerin bestehen dementsprechend nicht. …

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